VwGH 94/07/0119

VwGH94/07/011921.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. der P Ges.m.b.H. in W, 2. der C Ges.m.b.H. in W, 3. der I Gesellschaft m.b.H. in W, 4. der F Ges.m.b.H. in L und 5. der P Ges.m.b.H. in W, alle vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt, gegen die Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft 1. vom 1. März 1994, Zl. 211.129/02-I 2/94,

2. vom 1. März 1994, Zl. 211.142/02-I 2/94, 3. vom 7. März 1994, Zl. 211.089/06-I 2/93, 4. vom 2. März 1994, Zl. 211.017/13-I 2/94 und 5. vom 23. November 1993, Zl. 211.129/13-I 2/93, betreffend Registergebühren, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140 Abs7;
DMG §30;
DüngemittelRegisterGebV 1987;
VwRallg;
B-VG Art140 Abs7;
DMG §30;
DüngemittelRegisterGebV 1987;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Jede beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- für jede von ihr erhobene Beschwerde binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden verpflichtete die belangte Behörde die beschwerdeführenden Parteien unter Berufung auf § 30 des Düngemittelgesetzes, BGBl. Nr. 488/1985 (DMG) in Verbindung mit der Düngemittel-Registergebührenverordnung, BGBl. Nr. 208/1987, für näher bezeichnete, im Düngemittelregister eingetragene Produkte für den Zeitraum vom 1. Juli 1993 bis 30. November 1993 Registergebühren zu entrichten.

In den Begründungen wird ausgeführt, der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, G 136-138/92-6 § 30 DMG sowie die Düngemittel-Registergebührenverordnung mit Wirkung vom 30. November 1993 aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof habe der Behörde eine Frist vom Tag der Verkündung des Erkenntnisses bis zur tatsächlichen Aufhebung des § 30 DMG zur Findung einer Ersatzbestimmung eingeräumt. Da es der Behörde nicht gelungen sei, bis zu diesem Zeitpunkt eine solche Bestimmung zu finden, seien die Düngemittelregistergebühren ab dem 1. Dezember 1993 zu erlassen. Vorgeschrieben würden die Monate Juli 1993 bis November 1993, da in diesem Zeitraum § 30 DMG sowie die Düngemittel-Registergebührenverordnung in Geltung gestanden seien.

Die Düngemittelregistergebühren stellten ein einer Verwaltungsabgabe vergleichbares Entgelt dar, das für die Tätigkeit der Behörde bei der Führung des Registers zu entrichten sei. Die Registergebühren seien ausdrücklich in Beziehung zu einer Periode (1. Juli eines Jahres bis 30. November des Folgejahres) gesetzt worden. Wenn nun während des Laufes des Bemessungszeitraumes die Verordnung außer Kraft trete, bedeute dies, daß die Anordnung, daß die Gebühr bis 30. Juni 1994 zu entrichten sei, wegfalle. Die Anordnung, daß die Gebühr bis 30. November 1993 zu entrichten sei, sei jedoch vom Verfassungsgerichtshof durch die Aufhebung mit Wirksamkeit ab 1. Dezember 1993 nicht beseitigt worden. An diesem Ergebnis ändere auch nichts, daß die erstmalige Entrichtung der Abgabe für den der Eintragung folgenden Bemessungszeitraum zu erfolgen gehabt habe. Der Gesetzgeber habe von der Festlegung einer anteiligen Entrichtung der Gebühr für den "Restzeitraum" nach der Eintragung Abstand genommen. Diese Regelung könne wohl mit verwaltungsökonomischen Überlegungen begründet werden, wobei es aber für den vorliegenden Zusammenhang gar nicht maßgeblich sei, ob man diese der Regelung allenfalls zugrundeliegenden Motive für stichhältig erachte oder nicht. Die Regelung ändere jedenfalls nichts daran, daß die Gebühr grundsätzlich für Bemessungszeiträume zu entrichten sei und einen Gegenwert für Verwaltungsleistungen in diesem Zeitraum darstelle. Falle die Rechtsgrundlage für die Gebühren ab einem bestimmten Zeitpunkt weg, könne die Gegenleistung für nach diesem Zeitpunkt erbrachte Verwaltungsleistungen nicht mehr eingefordert werden. Für die vor diesem Zeitpunkt liegenden Leistungen sei aber vom Bestehen der entsprechenden Rechtsgrundlage (Weitergeltung des Rechtsfolgenbereiches) auszugehen.

Gegen diese Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit den Beschlüssen vom 14. Juni 1994, B 813/94, B 861/94, B 883/94, B 884/94 sowie B 74/94, ihre Behandlung ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof haben die beschwerdeführenden Parteien Beschwerdeergänzungen erstattet.

Die beschwerdeführenden Parteien bringen vor, der zeitliche Bezugsbereich sowohl für § 30 DMG als auch für die Düngemittel-Registergebührenverordnung sei durch die Aufhebung dieser Normen mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes am 15. Dezember 1992 beendet worden; der zeitliche Vollzugsbereich habe mit 30. November 1993 geendet. Die Vorschreibung der Düngemittelregistergebühr sei nach dem Ende des Zeitraumes erfolgt, in welchem die Behörde Rechtsfolgen habe verhängen dürfen.

Bei der Düngemittelregistergebühr handle es sich um eine Jahresgebühr. Die belangte Behörde habe eine Aliquotierung vorgenommen, wofür weder das DMG noch die Düngemittel-Registergebührenverordnung eine Grundlage biete.

Die Entscheidung verstoße auch gegen EWR-Recht, da sie nicht im Einklang mit der Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Dezember 1993, verb. Rs. C 277/91 , C 318/91 und C 319/91 , stehe.

Die belangte Behörde hat Gegenschriften erstattet und darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Die beschwerdeführenden Parteien haben zu den Gegenschriften Äußerungen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat über diese Beschwerden erwogen:

Die angefochtenen Bescheide stützen sich auf § 30 DMG in Verbindung mit der Düngemittel-Registergebührenverordnung.

§ 30 DMG und die Düngemittel-Registergebührenverordnung wurden vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, G 136-138/92-6, V 50-52/92-6, als verfassungs- bzw. gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung trat mit Ablauf des 30. November 1993 in Kraft.

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind nach Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden.

Art. 139 Abs. 6 B-VG enthält eine entsprechende Bestimmung für wegen Gesetzwidrigkeit aufgehobene Verordnungen.

Ein verwirklichter Tatbestand im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG liegt dann vor, wenn die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Rechtsvorschrift durch einen unveränderbaren Tatbestand gekennzeichnet ist, d.h. wenn ein Sachverhalt, der unveränderbar ist, verwirklicht wurde, auf den der Tatbestand einer vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Rechtsvorschrift sich bezieht. Ist dies der Fall, dann ist die aufgehobene Rechtsvorschrift - von einer entgegengesetzten Anordnung des Verfassungsgerichtshofes abgesehen - auch auf vor der Aufhebung verwirklichte Tatbestände anzuwenden, auch wenn die Entscheidung erst nach dem Wirksamwerden der Aufhebung erfolgt (vgl. Berchtold, Verwirklichte Tatbestände im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG, in: FS Adamovich, 21).

Dies führt zu der Frage, worin der die Rechtsfolge der Gebührenpflicht auslösende Tatbestand nach dem DMG bestand und wann er in den Beschwerdefällen verwirklicht wurde.

§ 30 DMG lautete:

... "(1) Für die im Düngemittelregister eingetragenen Düngemittel, Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsmittel ist von der Partei eine Gebühr zu entrichten.

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen die Höhe der Gebühren durch Verordnung festzusetzen.

(3) Die Höhe der Gebühren ist so festzusetzen, daß die voraussichtlich erwachsenden Kosten der Überwachung und der Registerführung aus den Gebühren gedeckt werden können. Hiebei ist insbesondere auf den Anwendungsbereich und den Anwendungsumfang Bedacht zu nehmen.

(4) Die Gebühr ist mit Erlagschein für ein Jahr im voraus zu entrichten. Bemessungszeitraum ist der Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni. Wird die Gebühr nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Höhe entrichtet, so ist die Gebühr oder der Fehlbetrag vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vorzuschreiben."

Die Höhe der Gebühren wurde in der Düngemittel-Registergebührenverordnung festgesetzt.

Aus § 30 Abs. 2 DMG folgt, daß eines der Tatbestandselemente, welche vorliegen müssen, um in bezug auf ein bestimmtes Produkt die Rechtsfolge der Gebührenpflicht auszulösen, die Eintragung dieses Produktes im Düngemittelregister ist.

Nach § 30 Abs. 4 DMG war die Gebühr für ein Jahr im voraus zu entrichten. Diese Anordnung der Entrichtung im voraus bezieht sich auf den Bemessungszeitraum (1. Juli bis 30. Juni). Demnach war die Gebühr spätestens mit Ablauf des Monats Juni zu entrichten. Somit war der die Gebührenpflicht auslösende Tatbestand nach § 30 DMG jedenfalls dann verwirklicht, wenn ein Produkt zu jenem Zeitpunkt, den der Gesetzgeber als spätestmöglichen Zeitpunkt für die Entrichtung der Gebühren vorgesehen hatte (Ende des Monats Juni), im Düngemittelregister eingetragen war. Sachverhaltsänderungen - etwa die Löschung der Eintragung - zwischen diesem Zeitpunkt und dem Zeitpunkt einer allfälligen behördlichen Entscheidung waren rechtlich unerheblich.

Die Produkte, für welche den beschwerdeführenden Parteien Registergebühren vorgeschrieben wurden, waren zum fraglichen Zeitpunkt im Düngemittelregister eingetragen.

Durch die unter Fristsetzung erfolgte Aufhebung des § 30 DMG (und der Düngemittel-Registergebührenverordnung) wurde jener Zeitraum, in dem der den Tatbestand verwirklichende Sachverhalt fallen muß, um die Rechtsfolge der Gebührenpflicht auszulösen (zeitlicher Bezugsbereich) mit Ablauf des 30. November 1993 beendet, nicht hingegen der zeitliche Vollzugsbereich, das ist jener Zeitraum, währenddessen die Rechtsfolge verhängt werden darf. Der Vollzugsbereich blieb - mangels gegenteiliger Anordnung im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes - von der Aufhebung unberührt, was bedeutet, daß für die bis zum Außerkrafttreten des Gesetzes verwirklichten Tatbestände zeitlich unlimitiert die im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen verhängt werden durften (vgl. Thienel, Was ist ein außer Kraft getretenes Gesetz? JBl. 1994, 27, 33).

Für die Beschwerdefälle ergibt sich daraus folgendes:

Die in Rede stehenden Produkte waren am Ende des Monats Juni 1993 im Düngemittelregister eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war der zeitliche Bezugsbereich des DMG und der Düngemittel-Registergebührenverordnung noch nicht beendet; dieser endete erst mit Ablauf des 30. November 1993. Durch den Umstand, daß die Produkte zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr im Düngemittelregister eingetragen waren, wurde der die Gebührenpflicht auslösende Tatbestand verwirklicht. An der Verwirklichung dieses Tatbestandes konnte sich nachträglich nichts mehr ändern. Der Vollzugsbereich des DMG wurde entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Parteien nicht mit 30. November 1993 beendet. Die belangte Behörde hatte daher § 30 DMG und die Düngemittel-Registergebührenverordnung auf die vor dem 30. November 1993 verwirklichten Tatbestände auch nach diesem Zeitpunkt anzuwenden. Sie hätte daher die gesamte Jahresgebühr vorzuschreiben gehabt. Dadurch, daß sie lediglich einen Teil derselben vorgeschrieben hat, wurden die beschwerdeführenden Parteien aber in keinem Recht verletzt.

Nichts zu gewinnen ist für die beschwerdeführenden Parteien auch aus der Entscheidung des EuGH vom 15. Dezember 1993, verb. Rs. C 277/91 , C 318/91 und C 319/91 , da sich diese auf die Auslegung von Richtlinien zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch bezieht.

Aus den dargestellten Erwägungen erweisen sich die Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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