VwGH 94/06/0200

VwGH94/06/020023.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des

1. RS und der 2. LS, beide in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 26. Juli 1994, Zl. 1/02-25.671/108-1994, betreffend einen baupolizeilichen Beseitungungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister),

Normen

AVG §68 Abs1;
VVG §1;
VVG §10 Abs2 Z1;
AVG §68 Abs1;
VVG §1;
VVG §10 Abs2 Z1;

 

Spruch:

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin (LS) wird zurückgewiesen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. zu Recht erkannt:

Aufgrund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. März 1984 wurde den Beschwerdeführern die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf den Grundstücken 456/7 und 456/13, KG H, erteilt. Mit Bescheid vom 12. November 1984 wurden die Bauarbeiten eingestellt, mit Bescheid vom 1. April 1985 erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde an die Beschwerdeführer gemäß § 16 des Baupolizeigesetzes den Auftrag, die Traufenhöhe auf das anläßlich der Verhandlung vom 29. Oktober 1984 festgelegte Maß von 6,37 m abzusenken und das Objekt auf den bewilligten Zustand zu bringen. Diese Maßnahme sei von den Beschwerdeführern innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides anzuführen. Gegen diesen Bescheid brachte Dr. W.M. namens beider Beschwerdeführer eine Berufung ein; die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses erfolgte vor Erlassung eines Berufungsbescheides. Mit Bescheid vom 7. November 1985 erteilte die Gemeindevertretung als Behörde zweiter Instanz einen Beseitigungsauftrag, der gegenüber dem Bescheid des Bürgermeisters vom 1. April 1985 die Änderung enthält, daß (nur) der Abbruch des Dachgeschoßes bis auf die Rohdeckenoberkante der Decke über dem 1. Obergeschoß auszuführen sei und die Frist zur Durchführung der Arbeiten bis 13. Mai 1986 erstreckt wurde. Eine Bezugnahme auf einen erstinstanzlichen Bescheid oder eine Berufung ist diesem Bescheid nicht zu entnehmen. Dieser Bescheid wurde mit gemeinsamer Zustellverfügung an die Beschwerdeführer gerichtet, er wurde vom Erstbeschwerdeführer übernommen. Dieser Bescheid erwuchs in der Folge in Rechtskraft. Mit Ansuchen vom 14. Mai 1985 ersuchten die Beschwerdeführer um Genehmigung einer Bauerleichterung (§ 25 BGG), dieses Ansuchen blieb erfolglos.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann vom 19. Mai 1987 wurde den Beschwerdeführern die Kostenvorauszahlung für die Ersatzvornahme aufgetragen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 20. Mai 1987 wurde gemäß § 4 VVG der Abbruch des Dachgeschoßes bis auf die Rohdeckenoberkante der Decke über dem

1. Obergeschoß verfügt und eine namentlich genannte Bauunternehmung mit der Durchführung der Abbrucharbeiten beauftragt. Gegen beide Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 8. Juli 1987 abgewiesen wurde. Aufgrund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde der Beschwerdeführer hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. September 1989, Zlen. 87/06/0086 und 87/06/0087, den Bescheid der belangten Behörde mit der Begründung aufgehoben, daß der Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde B vom 7. November 1985 - von dem unklar sei, in welcher Beziehung er zum Abbruchauftrag des Bürgermeisters vom 1. April 1985 stehe - lediglich dem Erstbeschwerdeführer zugestellt worden sei, ein Abbruchbescheid hätte aber auch an die Zweitbeschwerdeführerin zugestellt werden müssen, in Ermangelung dieser Zustellung sei er ihr gegenüber nicht rechtskräftig und könne auch gegen sie nicht vollstreckt werden. Da jedoch dann, wenn nicht gegen alle Miteigentümer vollstreckbare Abtragungstitel vorlägen und daher die Durchführbarkeit der Vollstreckung nicht feststehe, auch gegen denjenigen Miteigentümer, demgegenüber ein vollstreckbarer Abtragungstitel bestehe, kein Kostenvorauszahlungsauftrag ergehen könne, sei der angefochtene Bescheid schon deshalb gegenüber beiden Beschwerdeführern mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Überdies könne bei Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung ein Beseitigungsauftrag aus dem Titel des fehlenden Konsenses nicht vollstreckt werden. Da die Beschwerdeführer um die Bewilligung der Bauerleichterung angesucht hätten, eine Erledigung dieses Ansuchens dem Akt nicht zu entnehmen sei, scheine das Verfahren über dieses Ansuchen um Bauerleichterung und damit letztlich um die Konsentierung der widerrechtlichen Bauführung noch immer offen zu sein. Auch aus diesem Grund sei die angeordnete Vollstreckung rechtswidrig gewesen.

Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 5. Dezember 1989, Zl. 1/02-25.671/81-1989, wurde die Vollstreckung dieses Titelbescheides eingestellt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Juli 1992 wurde gemäß § 16 des Baupolizeigesetzes die Demolierung der widerrechtlich ausgeführten Bauteile des Objektes auf GP 456/7, KG H, wie folgt verfügt:

  1. "1. Die Traufenhöhe ist auf das anläßlich der Verhandlung vom 29.10.1984 festgelegte Maß von 6,37 m abzusenken und das Objekt ist auf den bewilligten Zustand zu bringen.
  2. 2. Diese Maßnahme ist von Frau L und Herrn RS innerhalb einer Frist von 2 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides auszuführen und dem Bürgermeister zu melden."

Gegen diesen Bescheid brachte der Erstbeschwerdeführer eine als Einspruch bezeichnete Berufung ein, der die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 18. Jänner 1993 keine Folge gab. Eine gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung des Erstbeschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 1. April 1993 als unzulässig zurückgewiesen, da es sich bei der Eingabe des Beschwerdeführers um eine "allgemeine Beschwerde des Beschwerdeführers handle, der kein begründeter Antrag entnommen werden könne". Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Erstbeschwerdeführers hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 93/06/0171, den Bescheid der belangten Behörde vom 1. April 1993 auf, weil die belangte Behörde erkennen hätte müssen, daß es sich um eine - noch - ausreichend begründete Vorstellung handelte.

In der Folge hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid die Vorstellung des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. Jänner 1993 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ad 1): Die Zweitbeschwerdeführerin hat, wie den vorgelegten Akten eindeutig zu entnehmen ist, weder gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Juli 1992 berufen, noch wurde die als Einspruch bezeichnete Berufung des Erstbeschwerdeführers auch im Vollmachtsnamen der Zweitbeschwerdeführerin eingebracht. Auch die Vorstellung gegen den Bescheid der Gemeindevertretung hat ausschließlich der Erstbeschwerdeführer im eigenen Namen eingebracht. Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher mangels Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Ad 2): Der Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde B vom 7. November 1985, der lediglich den Abbruch des Dachgeschoßes bis zur Rohdeckenoberkante der Decke über dem

1. Obergeschoß verfügt, ist dem Erstbeschwerdeführer gegenüber in Rechtskraft erwachsen. Einer neuen Sachentscheidung der Behörde stünde die Rechtskraft eines früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten wäre (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 582 bis 583 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Nach der Aktenlage kann von einem geänderten Sachverhalt nicht ausgegangen werden, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Gebäudehöhe in irgendeiner Weise seit 1985 verändert worden wäre. Auch die Rechtslage erfuhr keine Änderung; der Umstand, daß das aufgrund des Bescheides der Gemeindevertretung vom 7. November 1985 eingeleitete Vollstreckungsverfahren gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 1989 eingestellt wurde, ändert nichts an der Rechtskraft des Titelbescheides, bzw. an der Möglichkeit, nach Wegfall des Vollstreckungshindernisses ein neues Vollstreckungsverfahren einzuleiten. Bei dieser Sach- und Rechtslage durfte schon der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde an den Erstbeschwerdeführer nicht (nochmals) einen Demolierungsauftrag erlassen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 29. April 1993, Zl. 93/06/0046, nichts zu ändern, da sich dieses Erkenntnis auf einen anderen Sachverhalt bezog (dem damaligen Beschwerdevorbringen lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem das Objekt, für das ein Beseitigungsauftrag erteilt worden war, zwischenzeitig nicht mehr der Bewilligungspflicht unterlag und deshalb das Vollstreckungsverfahren eingestellt worden war). Da der neuerliche Abbruchauftrag über den rechtskräftig gewordenen Demolierungsauftrag vom 7. November 1985 hinausgeht, war der Beschwerdeführer auch in seinen subjektiven Rechten verletzt. Aufgrund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird darauf hingewiesen, daß der Zweitbeschwerdeführerin nach der Aktenlage der Bescheid der Gemeindevertretung vom 7. November 1985 noch nicht zugestellt wurde.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, im Rahmen des Kostenbegehrens.

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