VwGH 94/03/0231

VwGH94/03/023126.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der E in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des BMöWV vom 29. 6. 1994, Zl. 221.225/1-II/2/94, betreffend Enteignung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz (mP: Bundeshauptstadt Wien - Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
AVG §8;
EisbEG 1954 §15 Abs3;
EisbEG 1954 §2 Abs2 Z3;
EisbEG 1954 §21 Abs2;
WStV 1968 §71 Abs2;
WStV 1968 §71 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
EisbEG 1954 §15 Abs3;
EisbEG 1954 §2 Abs2 Z3;
EisbEG 1954 §21 Abs2;
WStV 1968 §71 Abs2;
WStV 1968 §71 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 12.500 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Z. 3 und Abs. 3 sowie § 21 Abs. 1 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71 (EisbEG), auf Antrag der mitbeteiligten Partei hinsichtlich des im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstückes Nr. nn1, EZ n1 GB Breitensee, die Enteignung durch Einräumung von Servituten sowie in Beziehung auf das Zugehör verfügt (Spruchpunkt I):

  1. "1.) Die Enteignung durch Einräumung einer Servitut auf Dauer für den im Servitutsplan W des Ing.Kons. f. Verm. Wesen Dipl.Ing. K, vom 2.11.1992, G.Z. 2950, braun dargestellten flächen- und tiefenmäßig ausgewiesenen Bereich von insgesamt 75 m2 (Teilfläche 1), zur Duldung der Errichtung, des Bestandes und der Benützung eines U-Bahn-Stationsbauwerkes, sowie zur Duldung des Baues und des Betriebes der U-Bahn, sämtliches zu Gunsten der Stadt Wien als Alleininhaberin der prot. Firma "Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe" bzw. der von ihr ermächtigten dritten Personen;
  2. 2.) die Enteignung durch Einräumung einer Servitut auf Baudauer für den im obgenannten Servitutsplan blau dargestellten, flächen- und tiefenmäßig ausgewiesenen Bereich von insgesamt 99 m2 (Teilfläche 2), zur Duldung der Durchführung aller zum Ausbau des unter Punkt 1 bezeichneten U-Bahn-Bauwerkes notwendigen ober- und unterirdischen Baumaßnahmen, sämtliches zu Gunsten der Stadt Wien als Alleininhaberin der prot. Firma "Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe" bzw. der von ihr ermächtigten dritten Personen; UND
  3. 3.) die Enteignung durch Abtretung und Abbruch des auf der im obzitierten Servitutsplan gelb dargestellten Fläche befindlichen Objektes (Garage), zwecks Herstellung des unter Punkt 1 bezeichneten U-Bahn-Bauwerkes, sämtliches zu Gunsten der Stadt Wien als Alleininhaberin der prot. Firma "Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe" bzw. der von ihr ermächtigten dritten Personen."

Weiters wurden Einwendungen der Beschwerdeführerin ab- bzw. zurückgewiesen (Spruchpunkte II und III).

Zur Begründung des Bescheide wird, soweit dies für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist, ausgeführt, mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. Juni 1993, Zl. MA 64-UB 30/92, sei den "Wiener Stadtwerken - Verkehrsbetriebe" für den im gegenständlichen Enteignungsfall maßgeblichen U-Bahnabschnitt 16 der U3 ("Hütteldorferstraße") die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erteilt worden. Antragsteller im Enteignungsverfahren sei sohin jene Person, der die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erteilt worden sei. Aufgrund dieser Baugenehmigung stehe der Verlauf der Eisenbahnanlage fest; aufgrund der rechtskräftigen Baugenehmigung könne die Beschwerdeführerin nicht mehr mit Erfolg einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren begründe es keine Befangenheit im Sinn des § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG des im erstinstanzlichen Verfahren aufgetretenen Verhandlungsleiters, daß dieser Dienstnehmer der Enteignungswerberin (Bundeshauptstadt Wien) sei und daß der Bescheid im Namen des Landeshauptmannes von Wien erlassen worden sei, der auch Organ der Enteignungswerberin sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich verletzt im Recht auf Abweisung des Enteignungsantrages der mitbeteiligten Partei.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie auch die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet ein, die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für den U-Bahnbau sei nicht der mitbeteiligten Partei, sondern einer "nicht antragslegitimierten" Partei, nämlich den "Wiener Stadtwerken - Verkehrsbetriebe" erteilt worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/03/0191, 93/03/0321, ausgesprochen, daß unter der Bezeichnung "Wiener Stadtwerke

- Verkehrsbetriebe", soweit der Bereich dieser Unternehmung betroffen ist, in einer nach der Verkehrsauffassung eindeutigen Weise die Bundeshauptstadt Wien auftritt. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 42 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Im übrigen ist der genannte Bescheid betreffend eisenbahnrechtliche Baugenehmigung auch der Beschwerdeführerin gegenüber erlassen worden.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters, die belangte Behörde sei nicht auf ihre Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der gewählten Trasse der U-Bahn und gegen die Bauvariante der U-Bahn-Station eingegangen und sei daher zu Unrecht vom Vorliegen der Enteignungsvoraussetzung des öffentlichen Interesses ausgegangen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zl. 90/03/0176) kann der Eigentümer der durch eine rechtskräftig erteilte eisenbahnrechtliche Baugenehmigung betroffenen Liegenschaft im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse ("zum allgemeinen Besten"). Der Baugenehmigungsbescheid legt auch die Lage der genehmigten Objekte fest (vgl. hg. Erkenntnis vom 12. November 1986, Zl. 85/03/0054). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann es der Verwaltungsgerichtshof daher nicht als rechtswidrig erkennen, daß die belangte Behörde in Anbetracht der mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. Juni 1993 erteilten eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung das Vorliegen der Enteignungsvoraussetzung des öffentlichen Interesses angenommen hat, ohne in diesem Verfahren auf die Frage der Zweckmäßigkeit der genehmigten Baumaßnahmen einzugehen. Daß etwa die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Eigentumsbeschränkung über den durch die rechtskräftige Baubewilligung gesteckten Rahmen hinausginge, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.

Schließlich rügt die Beschwerdeführerin die Befangenheit des Verhandlungsleiters im Verfahren erster Instanz, welches von der Magistratsabteilung 64 abgewickelt worden ist. Der Verhandlungsleiter sei Dienstnehmer (Beamter) der mitbeteiligten Partei. Die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei im Namen des Landeshauptmannes von Wien erfolgt; dieser sei zugleich Bürgermeister von Wien und damit Organ der mitbeteiligten Partei.

Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin, daß ausschließlich die Prüfung der Verletzung subjektiver Rechte durch den angefochtenen Bescheid den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildet, sodaß eine allfällige Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides nicht relevant wäre. Des weiteren stellte die Befangenheit eines Organs, das an der Bescheiderlassung mitgewirkt hat, lediglich eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, die nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen kann, wenn sich sachliche Bedenken gegen den Bescheid ergeben (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 92ff). Vor allem ist diesem Beschwerdevorbringen aber entgegenzuhalten, daß es Gründe, die iSd § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG geeignet wären, die volle Unbefangenheit eines Verwaltungsorgans in Zweifel zu setzen, nicht aufzeigt. Die Interessenlage einer Gebietskörperschaft hinsichtlich einer Entscheidung in behördlichen Angelegenheiten führt für sich allein noch nicht dazu, die volle Unbefangenheit der Verwaltungsorgane dieser Gebietskörperschaft in Zweifel zu ziehen (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. September 1981, Slg. N.F. 10549/A). Die belangte Behörde hat auch frei von Rechtsirrtum erkannt, daß Befangenheitstatbestände Pflichten der Verwaltungsorgane, also der Menschen, die eine Organfunktion ausüben, begründen (vgl. Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Anm. 3 zu § 9 AVG), sodaß sich ein Befangenheitsgrund nicht auf den Landeshauptmann als Behörde - das Beschwerdevorbringen geht nicht dahin, daß der Landeshauptmann als Organwalter im konkreten Fall eingeschritten wäre - beziehen kann.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994.

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