VwGH 94/02/0500

VwGH94/02/050024.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 26. Juli 1994, Zl. VwSen-280019/5/Schi/Ka, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit der Straßenpolizei, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67c Abs2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
SPG 1991 §88 Abs1;
SPG 1991 §88 Abs4;
SPG 1991 §88 Abs5;
AVG §67c Abs2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
SPG 1991 §88 Abs1;
SPG 1991 §88 Abs4;
SPG 1991 §88 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm eine an die belangte Behörde gerichtete Beschwerde zurückgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit einer als "Antrag auf Verfahrenshilfe" und "Beschwerde gem. §§ 87, 88, 89 SPG" bezeichneten mit 21. Juni 1994 datierten Eingabe an die belangte Behörde bekämpft der Beschwerdeführer näher bezeichnete Maßnahmen von Beamten des Gendarmeriepostens Leonding und der Bundespolizeidirektion Linz vom 10. Mai 1994. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um die zwangsweise Vorführung in das Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Linz zum Zweck des Antrittes einer Ersatzfreiheitsstrafe wegen einer Übertretung der StVO 1960, um die Einleitung des Vollzugs dieser Ersatzfreiheitsstrafe unter näher geschilderten Umständen und um die Anhaltung bis zum Erlag der offenen Geldstrafen durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter ungefähr fünf Stunden nach der Einlieferung. Der Beschwerdeführer beantragte die Feststellung näher bezeichneter Rechtswidrigkeiten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde vom 21. Juni 1994 als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde auch der Verfahrenshilfeantrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Begründung enthält die Mitteilung, daß Kopien der Beschwerde an das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich und die Bundespolizeidirektion Linz "zur allfälligen Behandlung nach § 89 SPG übermittelt" würden.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 28. November 1994, B 1862/94, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß nach dem Inhalt der Beschwerde ausschließlich die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vom 21. Juni 1994 bekämpft wird. Der Beschwerdeführer vertritt der Sache nach den Standpunkt, er habe eine sogenannte Maßnahmenbeschwerde im Sinne des § 67c AVG erhoben, über die eine Sachentscheidung zu fällen gewesen wäre. Argumente gegen die Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrags und der auf § 89 SPG gestützten Vorgangsweise der belangten Behörde werden nicht vorgebracht.

Die belangte Behörde begründet die Zurückweisung der Beschwerde damit, daß es sich um eine ausdrücklich auf § 88 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991 (SPG) gestützte Beschwerde handle; mit einer solchen könne nur die Ausübung von sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden; bei der Vollstreckung einer wegen Übertretung der StVO 1960 verhängten (Ersatz-)Freiheitsstrafe handle es sich aber um eine Angelegenheit der Verwaltungspolizei. Die "Beschwerde auf der Grundlage des Sicherheitspolizeigesetzes" sei daher unzulässig.

Gemäß § 88 Abs. 1 SPG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG).

Zu dieser Bestimmung führen die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (148 BlgNr. 18. GP) aus, daß ihr im Hinblick auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG keine eigenständige normative Bedeutung zukomme; sie gebe "nur die durch das B-VG getroffene Regelung sicherheitspolizeispezifisch formuliert wieder".

Der Verwaltungsgerichtshof erblickt daher in der in § 88 Abs. 1 SPG geregelten Beschwerdemöglichkeit kein selbständiges Rechtsinstitut, sondern nur einen Fall der im allgemeinen im B-VG und AVG vorgesehenen sogenannten Maßnahmenbeschwerde, die es ohne ausdrückliche Erwähnung im SPG auch in Ansehung spezifisch sicherheitspolizeilicher Maßnahmen in gleicher Weise gäbe. In solchen Maßnahmenbeschwerden ist die ausdrückliche Berufung auf bestimmte Rechtsgrundlagen, wie sich aus § 67c Abs. 2 AVG und § 88 Abs. 4 und 5 SPG ergibt, nicht erforderlich. Die ausdrückliche Berufung des Beschwerdeführers auf § 88 SPG änderte somit am Rechtscharakter seiner Maßnahmenbeschwerde nichts. Es handelte sich bei der Beschwerde vom 21. Juni 1994 um eine solche nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67c AVG, über die ungeachtet des Umstandes, daß die behördlichen Maßnahmen in Vollziehung der StVO 1960 gesetzt wurden, von der belangten Behörde (in Anbetracht der Rechtzeitigkeit ihrer Erhebung) eine Sachentscheidung zu treffen gewesen wäre. Die Zurückweisung der Beschwerde entspricht daher nicht dem Gesetz.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, soweit mit ihm die Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers vom 21. Juni 1994 als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung nur S 12.500,-- beträgt und die Umsatzsteuer in diesem Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

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