Normen
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
EMRK Art8 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom 21. Juni 1993 wies die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom 30. März 1993 auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) ab.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer befinde sich seit Oktober 1990 im Bundesgebiet und gehe hier einem "Studium" an der höheren graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt nach. Auf Grund diesbezüglicher "Inskriptionsbestätigungen" seien ihm Sichtvermerke erteilt worden.
Am 11. Mai 1993 sei er wegen Übertretung des Fremdengesetzes angezeigt worden. Außerdem sei er am 5. Mai 1993 bei der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis wegen des Verdachtes der Urkundenfälschung zur Anzeige gebracht worden. Beim Grenzübertritt sei er kontrolliert worden und habe sich mit einem verfälschten britischen Reisepaß ausgewiesen. Bei seiner Einvernahme habe er zugegeben, daß er den Reisepaß verfälscht habe.
Der Beschwerdeführer sei sohin nicht gewillt, sich den österreichischen Rechtsvorschriften zu unterwerfen. Sein weiterer Aufenthalt sei daher geeignet, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu gefährden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In der Beschwerde wird unter anderem darauf hingewiesen, daß sich der Beschwerdeführer seit Oktober 1990 im Bundesgebiet aufhält und daß seinem Aufenthalt bis 30. März 1993 Sichtvermerke zugrunde gelegen sind. Ferner wird der langjährige Aufenthalt seines Vaters im Bundesgebiet ins Treffen geführt. Der Beschwerdeführer vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß bei Bedachtnahme auf seine persönlichen Verhältnisse ihm der Sichtvermerk hätte erteilt werden müssen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 94/18/0764 und 0815, mwN). Diesem Gebot hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Obwohl ihr - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - die in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände bekannt waren, hat sie es unterlassen, diese Umstände bei ihrer Entscheidung mitzuberücksichtigen.
Da die belangte Behörde offenbar in Verkennung der Rechtslage auf diese Umstände nicht Bedacht genommen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil unter diesem Titel nur S 390,-- (S 360,-- Eingabengebühr für die Beschwerde und S 30,-- Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuerkannt werden konnten.
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