Normen
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
1. den Beschluß gefaßt:
Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides (Ungültigerklärung des dem Beschwerdeführer am 25. März 1993 bis 25. Juni 1993 befristet erteilten Sichtvermerkes) richtet, wird sie zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (die belangte Behörde) den dem Beschwerdeführer, einem jugoslawischen Staatsangehörigen, am 25. März 1993 erteilten und bis 25. Juni 1993 befristeten Sichtvermerk gemäß § 11 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) für ungültig (Spruchpunkt I). Weiters wies sie den Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Juni 1993 auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab (Spruchpunkt II).
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer weise vier rechtskräftige Bestrafungen wegen unerlaubten Aufenthaltes und eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Übertretung des § 103 Abs. 1 Z. 3 KFG 1967 auf. Am 4. Juni 1993 habe die Behörde davon Kenntnis erlangt, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 9. April 1993 (rechtskräftig seit 14. Mai 1993) wegen des Vergehens nach § 88 Abs. 1 StGB mit einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe in der Höhe von 30 Tagessätzen bestraft worden sei.
Auf Grund der angeführten rechtskräftigen Bestrafungen sei erwiesen, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, sodaß der dem Beschwerdeführer erteilte Sichtvermerk für ungültig zu erklären und der am 9. Juni 1993 beantragte Sichtvermerk zu versagen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29. Juni 1993 zugestellt, sohin zu einem Zeitpunkt, als die Gültigkeitsdauer des dem Beschwerdeführer am 25. März 1993 erteilten Sichtvermerkes bereits abgelaufen war. Der angefochtene Bescheid ist somit, soweit er den dem Beschwerdeführer am 25. März 1993 erteilten Sichtvermerk für ungültig erklärt, ins Leere gegangen. Er konnte insoweit - unabhängig von der Frage seiner Rechtswidrigkeit - subjektive Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzen, sodaß die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides richtet, mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 412 f zitierte hg. Rechtsprechung).
2.1. In der Beschwerde wird unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer sei seit 1970 - mit Ausnahme der Jahre 1983 bis 1989 - in Österreich wohnhaft. Hier seien seine in den Jahren 1960 und 1964 geborenen Söhne aufgewachsen und zur Schule gegangen. Hier hätten sie ihre Familien gegründet. Einer seiner Söhne sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und habe bereits um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. Neben seiner Ehefrau, die bei ihm wohne, gehörten außer den Söhnen und Schwiegertöchtern fünf in den Jahren 1984 bis 1989 geborene Enkelkinder zur Familie. Die belangte Behörde habe bei ihrer Entscheidung auf sein Privat- und Familienleben keinerlei Bedacht genommen.
2.2. Die belangte Behörde hat dazu in der Gegenschrift die Auffassung vertreten, daß bei einer Sichtvermerksversagung kein Raum für die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bleibe.
2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 94/18/0764 und 0815, mwN). Diesem Gebot hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Obwohl ihr - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - die wesentlichen vom Beschwerdeführer behaupteten Umstände, insbesondere die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet und die Anwesenheit naher Familienangehöriger, bekannt war, hat sie es unterlassen, diese Umstände bei ihrer Entscheidung mitzuberücksichtigen. Ihre Ausführungen in der Gegenschrift machen deutlich, daß diese Unterlassung auf ihre Rechtsansicht zurückzuführen ist, die vom Beschwerdeführer angeführten persönlichen Verhältnisse seien bei der Entscheidung über seinen Sichtvermerksantrag nicht zu berücksichtigen.
Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Rechtslage verkannt hat, hat sie ihren Bescheid, soweit damit über den Sichtvermerksantrag des Beschwerdeführers abgesprochen wird (Spruchpunkt II), mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil als Ersatz von Schriftsatzaufwand nur der in der zitierten Verordnung genannte Pauschalbetrag (und nicht ein unter Heranziehung des Rechtsanwaltstarifes errechneter Betrag) und an Stempelgebührenersatz nur S 390,-- (S 360,-- Eingabengebühr für die Beschwerde und S 30,-- Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuerkannt werden konnten.
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