VwGH 93/16/0030

VwGH93/16/003028.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der G-AG in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 21. Jänner 1993, GZ. 140-GA5-Sa/91, betreffend Bescheidaufhebung durch die Oberbehörde in einer Grunderwerbsteuersache, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §199;
BAO §257 Abs2;
BAO §257;
BAO §258 Abs2 lita;
BAO §276 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
BAO §6 Abs1;
BAO §78 Abs1;
GrEStG 1987 §9 Z1;
BAO §199;
BAO §257 Abs2;
BAO §257;
BAO §258 Abs2 lita;
BAO §276 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
BAO §6 Abs1;
BAO §78 Abs1;
GrEStG 1987 §9 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 17. Jänner 1991 erwarb die Firma T. von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin eine Liegenschaft in Saalbach. Für diesen Erwerbsvorgang setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg (im folgenden: Finanzamt) mit einem an T. gerichteten Bescheid die Grunderwerbsteuer auf der Basis des in Raten zu entrichtenden Kaufpreises (unter Einschluß der Zinsen) in Höhe von S 1,202.965,-- fest. Dagegen erhob T. mit Schreiben vom 22. März 1991 Berufung mit der Begründung, daß nur der reine Kaufpreis als Bemessungsgrundlage herangezogen werden dürfe. Die Berufung wurde vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 18. April 1991 als unbegründet abgewiesen. Mit Schreiben vom 19. April 1991 erklärte die Verkäuferin in Unkenntnis der am 19. April 1991 an T. zugestellten Berufungsvorentscheidung ihren Beitritt zur Berufung. Am 21. Juni 1991 wies das Finanzamt zufolge dieses Beitrittes mit Berufungsvorentscheidung die Berufung als unbegründet ab. Sie wiederholte die Begründung der Berufungsvorentscheidung vom 18. April 1991 und ergänzte sie durch Eingehen auf ein weiteres Argument, welches in der Beitrittserklärung vorgebracht wurde.

Am 4. Juli 1991 langte der Vorlageantrag der Verkäuferin vom 25. Juni 1991 beim Finanzamt ein; einem Vorhalt durch die belangte Behörde vom 14. August 1991 kam die Verkäuferin mit Schreiben vom 3. September 1991 nach.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 21. Juni 1991 gemäß § 299 Abs. 1 lit. a BAO auf. Gleichzeitig wurde das Finanzamt angewiesen, den Vorlageantrag vom 25. Juni 1991 als nachträglich unzulässig geworden zurückzuweisen. Begründend wurde ausgeführt, daß gemäß § 257 Abs. 2 BAO der einer Berufung Beitretende die gleichen Rechte geltend machen kann, die dem Berufungswerber zustehen, sodaß er am Verfahren teilnehme ab dem Zeitpunkt des Einlangens der Beitrittserklärung und in dem Stadium des Verfahrens, in dem es sich zum Zeitpunkt des Einlangens der Beitrittserklärung bei der Abgabenbehörde befunden habe. Zum Zeitpunkt des Einlangens der Beitrittserklärung am 22. April 1991 sei über die Berufung vom 22. März 1991 bereits durch die Berufungsvorentscheidung vom 18. April 1991 entschieden worden. Die Abgabenbehörde erster Instanz sei daher zur Erlassung einer weiteren Berufungsvorentscheidung nicht mehr zuständig gewesen. Die Beitretende habe auch keinen Anspruch auf Zustellung einer Berufungsvorentscheidung erworben. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe durch Erlassung einer weiteren Berufungsvorentscheidung eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, welche ihr nicht zugestanden wäre. Daher liege der Behebungstatbestand des § 299 Abs. 1 lit. a BAO vor. Die Berufungsvorentscheidung vom 18. April 1991 sei rechtskräftig, da weder von der Berufungswerberin noch von der Beitretenden rechtzeitig ein Vorlageantrag gestellt worden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt erachtet, daß die an sie ergangene Berufungsvorentscheidung nicht im Wege des Aufsichtsrechtes beseitigt werden dürfe, sondern daß über den Vorlageantrag zu entscheiden sei. Es wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die den Beitritt zur Berufung regelnden Bestimmungen der BAO lauten wie folgt:

"§ 257.(1) Einer Berufung, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann beitreten, wer nach Abgabenvorschriften für die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Abgabe als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger (§ 224 Abs. 1) in Betracht kommt.

(2) Wer einer Berufung beigetreten ist, kann die gleichen Rechte geltend machen, die dem Berufungswerber zustehen.

§ 258.(1) Der Beitritt ist bei der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, schriftlich zu erklären. Die Abgabenbehörde hat die Beitrittserklärung der Vorlage der Berufung (§ 276) anzuschließen oder, falls diese schon vorgelegt ist, nachträglich vorzulegen.

(2) Die im Abs. 1 bezeichnete Abgabenbehörde hat eine Beitrittserklärung durch Bescheid zurückzuweisen,

  1. a) wenn im Zeitpunkt des Einlangens der Beitrittserklärung die Berufung durch eine wie eine Berufungsentscheidung wirkende Berufungsvorentscheidung (§ 276) oder durch Berufungsentscheidung (§ 288) bereits

    rechtskräftig entschieden war;

  1. b) wenn sie von jemandem abgegeben wurde, der zum Beitritt nicht befugt ist. In diesem Fall darf die Berufungsentscheidung erst nach Rechtskraft des Zurückweisungsbescheides ergehen."

Im vorliegenden Fall ist die persönliche Berechtigung der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zum Beitritt unbestritten. Zufolge § 258 Abs. 2 BAO erfolgte der Beitritt fristgerecht, weil der Beitritt zur Berufung eines anderen auch zulässig ist, wenn eine Berufungsvorentscheidung an den Berufungswerber ergangen ist, und zwar bis zum Ablauf der Frist zur Stellung eines Antrages auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (Stoll, BAO Kommentar, 2624). Der Beitritt kann daher sowohl vor, als auch nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung erfolgen. Stellt der Berufungswerber selbst einen Antrag auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (im folgenden: Vorlageantrag), so ist ein Beitritt noch bis zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz möglich; stellt er keinen solchen Antrag, so ist der Beitritt bis zum Ablauf der im § 276 Abs. 1, zweiter Satz BAO genannten Frist möglich (Stoll a.a.O. 2631). Ein innerhalb dieser Frist erklärter Beitritt kann daher nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden.

Zwar fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung des Inhaltes, daß ein solcher nach einer Berufungsvorentscheidung erklärter Beitritt nur wirksam oder zulässig wäre, wenn er mit einem Vorlageantrag verbunden wird. Allerdings ergibt sich aus § 257 Abs. 2 BAO auch, daß der Beitretende nicht mehr Rechte geltend machen kann, als der Berufungswerber. Der Beitretende wird ja erst dann Partei, wenn er dem Berufungsverfahren beigetreten ist (§ 78 Abs. 1 BAO). Schon durch die Zeitform "beigetreten ist" ergibt sich, daß die Parteistellung erst mit Einlangen der Erklärung bei der Behörde erreicht wird. Erst dadurch erlangt der Beitretende alle Parteienrechte, insbesondere das Recht auf Akteneinsicht (und damit das Recht auf Informationsaufnahme über den Verfahrensstand) und das Recht, einen Vorlageantrag zu stellen. Ein Recht auf Zustellung früherer Erledigungen kann aus der neugewonnenen Parteistellung schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil die Behörde damals ihrer Verpflichtung zur Zustellung vollständig nachgekommen ist. Der Beitretende ist ja keine "übergangene Partei" (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Rz. 432), durch deren Auftreten die Mangelhaftigkeit des bisherigen Verfahrens offenkundig wird, sondern ist erst Partei geworden, die - ähnlich einem Rechtsnachfolger gem. § 97 Abs. 2 BAO - bisherige Verfahrensschritte gegen sich gelten lassen muß, damit die Gleichstellung im Sinne des § 257 Abs. 2 BAO gewahrt bleibt. Mit dieser Gleichstellung wäre schließlich ein neuerlicher Fristenlauf, der durch Zustellung einer weiteren Berufungsvorentscheidung ausgelöst würde, unvereinbar.

Die belangte Behörde ist somit zu Recht von der Rechtskraft der Berufungsvorentscheidung vom 18. April 1991 ausgegangen, weil innerhalb der durch die Zustellung der Berufungsvorentscheidung ausgelösten Frist kein Vorlageantrag gestellt wurde. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang weiters (auch im Hinblick auf den monierten Ermessensmißbrauch), daß die Berufungsvorentscheidung vom 18. April 1991 keinen einheitlichen Abgabenbescheid bildete (§ 199 BAO), sodaß die Rechtskraft dieses Bescheides einer allfälligen Festsetzung gegenüber der Beschwerdeführerin nicht im Wege steht (vgl. Stoll a.a.O., 96).

Da das Finanzamt trotz Ablaufes der Frist des § 276 Abs. 1 zweiter Satz BAO eine weitere Berufungsvorentscheidung erließ, belastete es seinen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (§ 299 Abs. 2 BAO). Nach ständiger hg. Rechtsprechung schadet es nicht, wenn die Oberbehörde ihren Aufhebungsbescheid auf einen unrichtigen Aufhebungstatbestand des § 299 BAO stützt; maßgebend ist nur, daß die Bescheidaufhebung überhaupt zulässig ist (Erkenntnis vom 20. Februar 1973, Slg. 4503/F, vom 29. März 1993, Zl. 91/15/0053, u.v.a.). In der Behebung des Bescheides vom 21. Juni 1991, die allein in Anerkennung der Rechtskraft des Bescheides vom 18. April 1991 erfolgte, kann auch keine Überschreitung des der Behörde eingeräumten Ermessensrahmens erkannt werden. Der dadurch behobene Bescheid erwuchs nie in Rechtskraft, sodaß sich die Frage der Überschreitung der Frist des § 302 Abs 1 BAO nicht stellt.

Die Beschwerde erwies sich daher insgesamt als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Artikel III Abs. 2.

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