VwGH 93/13/0085

VwGH93/13/00852.8.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der X Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom 2. April 1993, Zl. 6/2 - 2306/92-12, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1009;
EStG 1972 §10 Abs2 Z1 idF 1982/570;
EStG 1972 §10 Abs2 Z1;
EStG §10 Abs3;
GmbHG §18;
GmbHG §4;
ABGB §1009;
EStG 1972 §10 Abs2 Z1 idF 1982/570;
EStG 1972 §10 Abs2 Z1;
EStG §10 Abs3;
GmbHG §18;
GmbHG §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine im Jahr 1989 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Streitjahr ein Geschäftsgebäude errichtete und vermietete.

Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin war nach den für das Streitjahr geltenden Bestimmungen ihres Gesellschaftsvertrages

a) der Erwerb, die Bebauung von Grundstücken und die Vermietung und Verwaltung derartiger Grundstücke und

b) die Beteiligung an und die Geschäftsführung von Unternehmen jeder zulässigen Rechtsform.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid verneinte die belangte Behörde im Instanzenzug die von der Beschwerdeführerin in Anspruch genommene Möglichkeit der Geltendmachung eines Investitionsfreibetrages für die Herstellung des Geschäftsgebäudes mit der Begründung, daß die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern, hatte sie tatsächlich auch die einzige Betätigung der Beschwerdeführerin im Streitjahr gebildet, nicht ihren ausschließlichen Betriebsgegenstand darstelle. Maßgebend für die Frage, ob der ausschließliche Betriebsgegenstand im Sinne des § 10 Abs. 3 EStG 1988 die gewerbliche Vermietung darstelle, sei aber nicht nur die tatsächliche Geschäftsführung, sondern auch die Vertragsgrundlage des Unternehmens (Gesellschaftsvertrag, Satzung).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, indem sie sich in ihrem Recht auf Geltendmachung des Investitionsfreibetrages als verletzt ansieht und die Auffassung vorträgt, daß es für die Beurteilung des ausschließlichen Betriebsgegenstandes im Sinne des § 10 Abs. 3 EStG 1988 nicht auf die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag, sondern nur auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ankommen könne.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 3 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Stammfassung, BGBl. Nr. 400/1988, darf für Gebäude ein Investitionsfreibetrag im Sinne der ersten beiden Absätze dieses Paragraphen nur insoweit geltend gemacht werden, als sie unmittelbar dem Betriebszweck dienen oder für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt sind. Für Gebäude, die zur entgeltlichen Überlassung an Dritte (ausgenommen betriebszugehörige Arbeitnehmer) bestimmt sind, steht ein Investitionsfreibetrag nur zu, wenn der ausschließliche Betriebsgegenstand die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern ist.

Eine dieser Bestimmung inhaltlich gleichgestaltete Regelung enthielt § 10 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972. In seinem zu dieser Bestimmung ergangenen Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, 94/14/0135, hat der Verwaltungsgerichtshof sich erstmals mit der Frage befaßt, was das Gesetz im gegebenen Zusammenhang unter dem Begriff des Betriebsgegenstandes versteht. Der Gerichtshof ist im Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Literaturmeinungen zur Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1982 ebenso wie zur Bestimmung des § 10 Abs. 3 EStG 1988 dabei zum Ergebnis gelangt, daß der Gesetzgeber mit dem Merkmal "Betriebsgegenstand" kumulativ auf die Gegenstandsbestimmung und auf das tatsächliche Verhalten abgestellt habe. Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung finde die den Betriebsgegenstand vorherbestimmende Planungsabsicht ihren Ausdruck in dem im Gesellschaftsvertrag bestimmten Unternehmensgegenstand. Für die Maßgeblichkeit auch des gesellschaftsvertraglichen Gegenstandes spreche der Umstand, daß der beabsichtigte Betriebsgegenstand die Zielrichtung der Tätigkeit zum Ausdruck bringe und daher neben der tatsächlichen Geschäftsführung in dem für die Besteuerung entscheidenden Zeitraum einen gewichtigen Hinweis auf die Ausschließlichkeit gewerblicher Vermietung darstelle. Das Ergebnis einer solchen Auslegung sei unbedenklich auch unter dem Gesichtspunkt des am Sachlichkeitsgebot orientierten Gleichheitssatzes. Eine Änderung des Betriebsgegenstandes nach dem relevanten Steuer- oder Wirtschaftsjahr stelle keinen Nachversteuerungstatbestand dar. Würde nicht auch auf den beabsichtigten, also etwa den gesellschaftsvertraglichen oder statutarischen Betriebsgegenstand abgestellt, dann wäre für den Anspruch auf den Investitionsfreibetrag lediglich die tatsächliche ausschließliche gewerbliche Vermietung im betreffenden Jahr ausschlaggebend. Eine Änderung dieser tatsächlichen Tätigkeit in Folgejahren wäre der Begünstigung unschädlich. Hingegen würde eine nachträgliche Änderung des Planes oder etwa des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich des Unternehmensgegenstandes Mißbrauchsabsicht gemäß § 22 BAO zumindest nahelegen. Das Abstellen auch auf den geplanten, also etwa der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag entsprechenden Betriebsgegenstand biete auch eine höhere Gewähr für die Einhaltung der Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift durch den Begünstigungswerber, weil außerhalb der durch die Zweckbestimmung des Betriebes gesetzten Grenze nicht plangemäß oder etwa sogar nicht rechtmäßig gehandelt werden könne. Auch schiene es dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, er habe bei Gewährung einer begünstigenden Ausnahme nur auf ein allenfalls bloß beliebiges Geschehen abstellen wollen, das von keiner den Betriebsgegenstand vorherbestimmenden Planungsabsicht umfaßt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich angesichts der von der Beschwerdeführerin des nunmehrigen Beschwerdefalles vorgetragenen Argumente nicht mehr in der Lage, an dem im genannten Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, 94/14/0135, eingenommenen Rechtsstandpunkt festzuhalten.

Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin nämlich darauf, daß die Regelung des § 10 Abs. 3 EStG 1988 auch für den Einzelunternehmer gilt, für den aber keine Verpflichtung besteht, einen Betriebs- oder Unternehmensgegenstand in zivilrechtlicher Form festzulegen. In der Betrachtung des ausschließlichen Betriebsgegenstandes eines Einzelunternehmers kommt demnach von vorneherein nur die in der Steuerperiode tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Beurteilungskriterium in Betracht. Bezogen auf den Einzelunternehmer verlieren die im hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, 94/14/0135, gebrauchten Argumente für die Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Festlegung des Unternehmensgegenstandes zwangsläufig jegliche Bedeutung. Daß die Voraussetzungen zur Geltendmachung des Investitionsfreibetrages im Falle gewerblicher Vermietung vom Gesetzgeber für Handelsgesellschaften in anderer Weise als für Einzelunternehmer derart normiert worden wären, daß der Gesetzgeber bei Gewährung einer begünstigenden Ausnahme für den Einzelunternehmer es in Kauf genommen hätte, dafür nur auf ein allenfalls bloß beliebiges Geschehen abzustellen, während er für die Gewährung derselben Ausnahme bei der Handelsgesellschaft die zivilrechtliche Festlegung im Gesellschaftsvertrag fordern habe wollen, wäre eine Gesetzesauslegung, deren Beurteilung als gleichheitswidrig durch die Beschwerdeführerin sich der Verwaltungsgerichtshof nicht verschließen kann. Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin zudem noch auf den Umstand der geringen Aussagekraft des gesellschaftsvertraglich festgelegten Unternehmensgegenstandes unter dem Aspekt, daß die Geschäftsführer der Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Festlegung des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag rechtlich nicht gehindert sind, Rechtsgeschäfte außerhalb des gesellschaftsvertraglich festgelegten Gegenstandes rechtswirksam abzuschließen, solange solchen Geschäften nicht die im Zusammenwirken mit dem Geschäftspartner hervorkommende Absicht einer Schädigung der Gesellschaft zugrundeliegt (vgl. die schon von der Beschwerdeführerin angeführte Belegstelle bei Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 391, ebenso auch Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht3, 2, 413). Konnte damit auch die zivilrechtlich vorgenommene Festlegung des Unternehmensgegenstandes im Sinne des letzten Halbsatzes des § 10 Abs. 3 EStG 1988 die Abgabenbehörde in der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages nach dieser Gesetzesstelle der trotzdem erforderlichen Prüfung der in der Besteuerungsperiode tatsächlich vorgenommenen Geschäfte nicht entheben, dann kann der Verwaltungsgerichtshof auch unter diesem Aspekt der aus den dargestellten Erwägungen unzureichenden Aussagekraft der gesellschaftsvertraglichen Festlegung des Unternehmensgegenstandes keinen Grund mehr erkennen, der es rechtfertigte, die Beurteilung der Ausschließlichkeit des Betriebsgegenstandes bei einer Handelsgesellschaft anders als bei einem Einzelunternehmer an mehr als den Umstand zu knüpfen, daß die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern im maßgebenden Wirtschaftsjahr tatsächlich ausschließlich betrieben worden ist (gleicher Auffassung offensichtlich auch Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, Tz 8 Abs. 2 zu § 10 EStG 1972, welche Autoren - anders als Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 51.2.1. zu § 10 EStG 1988 - ausführen, daß neben der gewerblichen Vermietung "keine andere Tätigkeit entfaltet werden" dürfe).

Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die im Gesellschaftsrecht verankerte Erforderlichkeit der Festlegung des Gegenstandes des Unternehmens der Gesellschaft verweist, tragen diese Überlegungen ihren Standpunkt zum einen aus den bereits angestellten Erwägungen und zum anderen auch deswegen nicht, weil sich die Begriffe "Gegenstand des Unternehmens" einerseits und "Betriebsgegenstand" andererseits, wie die Beschwerdeführerin aufzeigt, nicht zwingend deckungsgleich verstehen lassen, woran es nichts ändert, wenn in der handelsrechtlichen Literatur diese Begriffe vereinzelt auch vermengt werden. Das in der Gegenschrift gebrauchte Argument der konstitutiven Bedeutung der Festlegung des Unternehmensgegenstandes für die Entstehung der Körperschaft hat im gegebenen Zusammenhang keine Aussagekraft für die von ihr in der Folge tatsächlich entfaltete Tätigkeit. Ebenso nichts zu gewinnen ist für den Standpunkt der belangten Behörde aus ihrem in der Gegenschrift getätigten Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. a des Grunderwerbsteuergesetzes 1955; diese Norm enthielt die Festschreibung der körperschaftlichen Aufgabe in den Statuten als ausdrücklich gesetzlich formuliertes Tatbestandselement der betroffenen Begünstigungsbestimmung. Eine vergleichbare Regelung enthält die Vorschrift des § 10 Abs. 3 EStG 1988 anders als auch etwa die Norm des § 34 Abs. 1 BAO gerade nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof bekennt sich für den Geltungsbereich der Bestimmung des § 10 Abs. 3 EStG 1988 somit nunmehr zu der von Doralt (Einkommensteuergesetz, Kommentar2, Teil I und II, Tz 56 zu § 10 EStG 1988) vertretenen Auffassung, daß allein nach der tatsächlichen Geschäftsführung zu beurteilen ist, ob die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern den ausschließlichen Betriebsgegenstand bildet, ohne daß es bei einer Handelsgesellschaft hiezu auf die gesellschaftsvertragliche Festlegung des Unternehmensgegenstandes ankäme. Das Abgehen von der im hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, 94/14/0135, vertretenen Rechtsauffassung bedurfte einer Senatsverstärkung im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht, weil das genannte Vorerkenntnis zum Einkommensteuergesetz 1972 ergangen ist (vgl. die bei Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 162, wiedergegebene hg. Judikatur).

Der auf einer vom Verwaltungsgerichtshof aus den dargelegten Erwägungen nicht geteilten Rechtsansicht beruhende angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; der Vorlage des angefochtenen Bescheides bedurfte es in lediglich einfacher Ausfertigung.

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