Normen
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund einer am 25. August 1991 von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf mit dem Gegenstand "Verkehrsproblematik im Bereich des Flohmarktes (Autokino)" in G durchgeführten Verhandlung wurde gegen den Beschwerdeführer als Verantwortlichen der L-Gesellschaft m.b.H. wegen unbefugter Ausübung des freien Gewerbes "Organisation und Durchführung eines Flohmarktes unter Beistellung von Standplätzen" im Standort G auf dem Areal des Autokinos ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 eingeleitet. Im Zuge des hierauf durchgeführten Ermittlungsverfahrens ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf gemäß § 348 Abs. 1 GewO 1973 den Landeshauptmann von Niederösterreich um die Durchführung eines Feststellungsverfahrens zur Klärung der Frage, ob die angeführten Tätigkeiten der L-Ges.m.b.H. den Bestimmungen der Gewerbeordnung unterliegen.
Mit Bescheid vom 4. Mai 1992 stellte der Landeshauptmann von Niederösterreich fest, daß die im Verwaltungsstrafverfahren der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tätigkeit, nämlich "die Organisation und Durchführung eines Flohmarktes unter Beistellung von Standplätzen auf dem Areal des Autokinos in G den Bestimmungen der GewO 1973 unterliegt". Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Oktober 1992 wurde der dagegen von der L-Gesellschaft m.b.H. erhobenen Berufung "im Grunde des § 348 Abs. 1 der GewO 1973 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation der eingangs bezeichneten Tätigkeit bestätigt". Mit hg. Erkenntnis vom 29. März 1994, Zl. 93/04/0083-7, wurde dieser von der L-Ges.m.b.H. angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde sich ungeachtet der Amtswegigkeit der Verfahrenseinleitung an das Vorliegen und den Inhalt des von der Verwaltungsstrafbehörde gestellten "Antrages" gemäß § 348 Abs. 1 GewO 1973 (in ihrer Entscheidungskompetenz) gebunden erachtete und ihre Entscheidung - in der Art eines (abstrakten) Rechtsgutachtens - getroffen hat, ohne auf das Tatbestandsmerkmal der "betreffenden" - d.h. die im Strafverfahren zugrundeliegende konkrete - Tätigkeit abzustellen.
Mit Straferkenntnis vom 12. Mai 1992 legte die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf dem Beschwerdeführer zur Last, "als handelsrechtlicher Geschäftsführer somit als Verantwortlicher der L-Ges.m.b.H. im Standort G auf dem Areal des Autokinos am 25. August 1991 von 7.30 Uhr bis 10.40 Uhr das freie Gewerbe "Organisation und Durchführung eines Flohmarktes unter Beistellung von Standplätzen" ausgeübt (zu haben) ohne im Besitz der hiezu erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen zu sein. Dies dadurch, daß die L-Ges.m.b.H. im Standort G auf dem Areal des Autokinos einen Flohmarkt organisiert, wobei entgeltlich Standplätze an Einzelpersonen zur Verfügung gestellt werden. Von der L-Ges.m.b.H. werden weiters organisatorische Maßnahmen zur Abwicklung dahingehend gesetzt, daß ein Ordnungsdienst für die Zuweisung der entgeltlichen Standplätze, für die Abwicklung des Besucher- und Anbieterverkehrs auf dem Betriebsareal bzw. der Zufahrt zum Betriebsareal zur Verfügung gestellt wird. Weiters wurde für die Durchführung des Flohmarktes Werbung durch aufgestellte Hinweistafeln im Bereich der Bundesstraße 3 von Wien kommend noch auf Wiener Landesgebiet und von G kommend vor der Ortstafel Richtung Wien gemacht." Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 und § 5 Abs. 1 i.V.m.
§ 6 Abs. 3 GewO 1973 verstoßen. Über ihn wurde eine Geldstrafe gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1973 in der Höhe von S 10.000,-- verhängt. In rechtlicher Hinsicht ging die BH Gänserndorf u.a. davon aus, daß lt. Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Mai 1992 feststehe, daß die Organisation und Durchführung eines Flohmarktes unter Beistellung von Standplätzen auf dem Areal des Autokinos in G den Bestimmungen der GewO 1973 unterliege. Dies stelle die Ausübung eines freien Gewerbes im Sinne des Bundesgesetzes dar.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, bereits seit Mitte der 80er Jahre finde auf dem Areal des Autokinos in G in regelmäßigen Abständen eine "Flohmarktverkaufsveranstaltung" statt. Diese von einer großen Zahl von Einzelverkäufern getragene Veranstaltung werde vornehmlich an Samstagen und Sonntagen in der Zeit von 8.00 bis 15.00 Uhr abgehalten. Zum Verkauf gelangten hauptsächlich Altwaren, aber auch neuwertige Waren (z.B. Textilien). Auch am Sonntag, den 25. August 1991 sei in der Zeit von 7.30 Uhr bis 10.40 Uhr (Tatzeit) eine derartige Verkaufsveranstaltung abgehalten worden. Bei dieser etwa aus 200 bis 300 Standplätzen bestehenden Flohmarktveranstaltung öffne ein Angestellter der L-Ges.m.b.H. über Auftrag des Beschwerdeführers den bei der Einfahrt vorhandenen Schranken und sperre die Zugangstür zu den Sanitäranlagen des auf dem Gelände befindlichen Restaurants der L-Ges.m.b.H. auf, um diese für die ankommenden Flohmarktverkäufer und -besucher zugänglich zu machen. Angestellte der Lampesberger Ges.m.b.H. und der Beschwerdeführer selbst kassierten die Stellplatzgebühren. Mit den Flohmarktverkäufern würden mündliche Verträge über das Beziehen von Standplätzen und die Teilnahme am Flohmarkt geschlossen. Beim Einfahren in das Areal würden die Stellplätze zugewiesen. Einigen Flohmarktverkäufern würden infolge Entrichtens einer Jahresgebühr (etwa S 2.000,-- bis S 3.000,--) bestimmte Standplätze zugeteilt. Bei Zahlungsunwilligkeit würden die betreffenden Personen vom Beschwerdeführer des Platzes verwiesen. Ein Angestellter der L-Ges.m.b.H. wache gemeinsam mit dem Beschwerdeführer über die Veranstaltung und greife bei Ordnungsstörungen sofort ein. Es werde von ihnen bei Kontrollgängen durch die Reihen der Standplätze darauf geachtet, daß keine Lebensmittel, alkoholische Getränke und andere Waren, wie etwa Waffen oder Suchtgifte, angeboten bzw. verkauft würden. Am 25. August 1991 sei auf der Bundesstraße 3 auf Höhe des gegenständlichen Flohmarktes ein Hinweisschild des Inhaltes "Flohmarkt Sonntag von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr" von Leuten der L-Ges.m.b.H. aufgestellt worden. Im Tatzeitraum habe die L-Ges.m.b.H. keine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe "Organisation und Durchführung eines Flohmarktes unter Beistellung von Standplätzen" gehabt. Der gegenständliche Flohmarkt werde seit über 8 Jahren als ständige Einrichtung abgehalten. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zunächst aus, daß im vorliegenden Zusammenhang die dem Beschwerdeführer angelastete und im Spruch des Straferkenntnisses der BH Gänserndorf näher umschriebene Tätigkeit als Ausübung des freien Gewerbes "Organisation und Durchführung eines Flohmarktes unter Beistellung von Standplätzen" mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 4. Mai 1992, bestätigt durch den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 14. Oktober 1992 gemäß § 348 Abs. 1 GewO 1973 qualifiziert worden sei. In weiterer Folge führte die belangte Behörde aus, daß sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 erfüllt seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, "unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes nicht der Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 und § 5 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 GewO 1973 schuldig erkannt und nach § 366 Abs. 1 GewO 1973 bestraft zu werden. Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die bloße Raumvermietung sei aus dem Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen (Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 4227). Bloße Raumvermietung bedeute nicht, daß ausschließlich die entgeltliche Gebrauchsüberlassung von der Anwendung der Gewerbeordnung ausgenommen wäre, sondern auch alle organisatiorischen Maßnahmen, die sich aus den Rechten und Pflichten der bloßen Raumvermietung ergeben. Nur in jenen Fällen, bei denen neben der Raumvermietung eigenständige, also von der Vermietung unabhängige (und eigenständig wertvolle) Leistungen erbracht würden, werde ein Gewerbe ausgeübt. Die von der belangten Behörde festgestellten "Organisation und Durchführungsmaßnahmen" der L-Ges.m.b.H. seien ausschließlich durch die bloße Raumüberlassung veranlaßt. Die L-Ges.m.b.H. erhalte Entgelt auschließlich für die "Bestellung von Standplätzen" (Vermietung), nicht für "Organisation und Durchführung eines Flohmarktes". Es lägen keinesfalls irgendwelche entgeltliche Leistungen mit Ausnahme der Vermietung vor. Sämtliche von der belangten Behörde festgestellten Tätigkeiten seien ausschließlich Auswirkungen der bloßen Raumvermietung und unterlägen somit nicht dem Anwendungsbereich der Gewerbeordnung.
Gemäß § 348 Abs. 1 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 1993/29, hat der Landeshauptmann von Amts wegen u.a. für den Fall zu entscheiden, wenn in einem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 366 Zweifel bestehen, ob auf die betreffende Tätigkeit die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anwendbar sind. Im angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde davon aus, der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten habe mit rechtskräftigem Bescheid vom 14. Oktober 1992 gemäß § 348 Abs. 1 GewO 1973 auf "Antrag" der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf in dem hier zur Beurteilung vorliegenden Strafverfahren festgestellt, daß die Organisation und Durchführung eines Flohmarktes unter Beistellung von Standplätzen auf dem Areal des Autokinos in G den Bestimmungen der GewO 1973 unterliege und damit als freies Gewerbe gemäß § 6 Z. 3 GewO 1973 zu qualifizieren sei. Auf Grund dieses Feststellungsbescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Oktober 1992 ging somit die belangte Behörde von der für sie als verbindlich abgesprochenen Anwendbarkeit der Gewerbeordnung auf die von der L-Ges.m.b.H. am 25. August 1991 von 7.30 Uhr bis 10.40 Uhr im Standort G auf dem Areal des Autokinos ausgeübten Tätigkeit aus. Für die belangte Behörde war somit diesbezüglich der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Oktober 1992 für die Beantwortung der Strafbarkeit des Beschwerdeführers gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 eine - für sie in bindender Weise geregelte - Grundlage und damit präjudiziell im Sinne des § 38 AVG.
Die mit dem hg. Erkenntnis vom 29. März 1994, Zl. 93/04/0083-7, erfolgte Aufhebung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Oktober 1992 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes wirkt aber auf den Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides zurück (ex tunc-Wirkung). Damit tritt die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG).
Diese ex tunc-Wirkung bedeutet, daß der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses bedeutet auch, daß allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-) Akten, die während der Geltung des dann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1993, Zl. 93/04/0019).
Da nun der angefochtene Bescheid der belangten Behörde die Strafbarkeit des Beschwerdeführers auf die Feststellung des im Instanzenzug ergangenen Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Oktober 1992, daß die Organisation und Durchführung eines Flohmarktes unter Beistellung von Standplätzen den Bestimmungen der GewO 1973 unterliegt, stützt, hat der angefochtene Bescheid infolge der ex tunc-Wirkung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene Basis verloren.
Schon aus diesen Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
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