VwGH 93/04/0105

VwGH93/04/010525.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des GM und der AM, beide in Voitsberg und beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. April 1993, Zl. 312.349/5-III/3/92, betreffend die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: H in Voitsberg), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §356 Abs1;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1973 §356 Abs1;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §77 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 18. Juni 1988 wurde "das Ansuchen" der mitbeteiligten Partei "um gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines LKW-Abstellplatzes und eines Garagen- und Lagergebäudes sowie einer Diesel-Eigentankanlage auf dem Grundstück Nr. 253/1, KG. X, Ortsgemeinde Voitsberg abgewiesen".

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 12. Juli 1989 wurde der Berufung Folge gegeben, "der angefochtene Bescheid mit Ausnahme der Kostenentscheidung behoben und über Ansuchen des Herrn H vom 2.12.1986 gemäß den §§ 74, 77 der GewO 1973, BGBl. Nr. 50/1974 i.V.m. § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines LKW-Abstellplatzes (Hänger- und Garagenstellplätze) sowie einer Diesel-Eigentankanlage und eines Garagen- und Lagergebäudes mit Waschplatz und Sozialräumen auf Gst. Nr. 253/1, KG. X, Ortsgemeinde Voitsberg nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Planunterlagen und unter Zugrundelegung der folgenden Betriebsbeschreibung (A) sowie unter Vorschreibung der nachstehenden Auflagen (B) erteilt".

Der Spruch dieses Bescheides enthält (unter A) eine "Betriebsbeschreibung" sowie (unter B) eine Reihe von Auflagen.

Den dagegen (u.a. von den Beschwerdeführern) erhobenen Berufungen wurde mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. April 1993 insoferne Folge gegeben, als die Betriebsbeschreibung des zweitinstanzlichen Bescheides wie folgt ergänzt wurde:

Der an der Grundgrenze zu den Nachbarn M vorgesehene Waschplatz samt Hochdruckreiniger wird nicht errichtet. Auch das ursprünglich geplante Wohnhaus kommt nicht zur Errichtung. Die Betriebstankstelle verbleibt daher in der nördlichen Ecke des Betriebsgrundstückes.

Der Betriebsablauf wird wie folgt konkretisiert:

Die in dem Ansuchen um gewerbebehördliche Genehmigung erwähnten fünf LKW sollen in dem Garagen- und Lagergebäude untergebracht werden, die vier LKW-Anhänger auf dem im Freien gelegenen Abstellplatz entlang der Grundgrenze zu den Nachbarn S aufgestellt werden. In den Garagen- bzw. Lagergebäuden soll ausschließlich Zubehör zu den im Betrieb verwendeten Kraftfahrzeugen gelagert werden (z.B. Reifen), andere Lagerungen werden nicht erfolgen.

Folgende Betriebszeiten sind vorgesehen:

Monat bis Freitag (wenn Werktag) 6.00 bis 21.00 Uhr

Samstag (wenn Werktag) 6.00 bis 15.00 Uhr

Die Einfahrtstore des Garagengebäudes werden mit Glasflächen im Mindestausmaß von 1/20 der Bodenfläche versehen."

Der Spruch dieses Bescheides enthält weiters den Ausspruch:

"Der Genehmigung liegen folgende, mit dem Genehmigungsvermerk des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten versehene Pläne zugrunde:

Schließlich wurde im Spruch dieses Bescheid der Spruchteil B (Auflagen) des zweitinstanzlichen Bescheides behoben und gleichzeitig eine Reihe von Auflagen vorgeschrieben.

Zur Begründung wurde - nach einleitender Bezugnahme auf das Ansuchen vom 2. Dezember 1986 - im wesentlichen ausgeführt, zur Klärung des Sachverhaltes habe die belangte Behörde am 17. Mai 1990 zwischen 18.00 und 20.30 Uhr einen für den Betrieb und die Nachbarn angesagten Augenschein unter Beiziehung eines gewerbetechnischen und eines ärztlichen Sachverständigen vorgenommen. Aufgrund der in der nachfolgenden mündlichen Verhandlung von diesen beiden Sachverständigen abgegebenen Gutachten (die im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegeben wurden) sowie einer ergänzenden Erhebung des gewerbetechnischen Sachverständigen am 2. und 3. Dezember 1991 und der hierauf folgenden abschließenden gutächtlichen Äußerung dieses Sachverständigen vom 7. Jänner 1992 (die im angefochtenen Bescheid gleichfalls wiedergegeben wurde) stehe hinsichtlich der von den LKW emitierten Kfz-Abgase fest, daß sämtliche maximalen Emissionswerte für den Menschen unbedenklich seien. Hinsichtlich der vom ärztlichen Sachverständigen nicht gänzlich ausgeschlossenen Beeinträchtigungen des Wohlbefindens durch Abgasgerüche sei festzuhalten, daß Abgasgerüche von Kfz in der heutigen motorisierten Gesellschaft ganz allgemein als ortsüblich zu bezeichnen seien, dies umso mehr, als die Nachbarn an einer doch relativ stark befahrenen Straße wohnten. Hinsichtlich der Lärmimmissionen durch LKW-Zu- und Abfahrten einschließlich Nebengeräuschen sei ebenfalls eine Gefährdung der Gesundheit von Nachbarn vermieden und könnten die unvermeidbaren Immissionen nicht als unzumutbar beurteilt werden. Der ärztliche Sachverständige habe dabei die der Betriebsanlage zuzurechnenden ermittelten Werte in der Größenordnung von 68 bis 74 dB mit fallweisen Extremwerten bis 81 dB (jeweils Spitzen) den Spitzen des Straßenverkehrs im gleichen Bereich (wobei sogar Spitzen bis 85 dB aufgetreten seien) gegenüber gestellt und dazu ergänzend ausgesagt, daß auch die Art der Geräusche als gleichartig zu bezeichnen sei. Die wesentliche Differenz habe der ärztliche Sachverständige in der Häufigkeit der zu erwartenden Geräusche gesehen, wobei er die Lärmimmissionen der dem Betrieb dienenden fünf LKW einerseits und jener aus dem Straßenverkehr auf der ehemaligen Bundesstraße einander gegenübergestellt und eine durchschnittliche Kfz-Frequenz auf dieser Straße erwähnt habe. Der abschließenden gewerbetechnischen Äußerung vom 7. Jänner 1992 sei als wesentlicher Satz zu entnehmen, daß sich diese Voraussetzungen auch durch die Inbetriebnahme der Umfahrung Voitsberg nicht wesentlichen geändert hätten, wobei dieser Aussage konkrete Verkehrszählungen zugrunde lägen. Der gewerbetechnische Sachverständige habe weiters als mögliche Auswirkung in der Betriebsanlage die Fortleitung von Erschütterungen untersucht und diese aufgrund des Umstandes, daß keine starre Verbindung zwischen der Betriebs- und Nachbarliegenschaft vorliege, ausgeschlossen. Schließlich habe er zur Hintanhaltung einer Wassergefährdung die unter den Punkten 9 bis 13 des angefochtenen Bescheides vorgeschriebenen Auflagen vorgeschlagen. Der Auflagenkatalog des Bescheides der Behörde zweiter Instanz habe stark reduziert werden können, dies deshalb, da eine große Zahl dieser Auflagen Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, die von sich aus verbindlich sei und deren Inhalt daher nicht neuerlich im Wege einer Auflage vorzuschreiben gewesen sei, zum Inhalt gehabt habe. Weitere Auflagen seien deswegen zu streichen gewesen, da deren Inhalt entweder sich aus der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten oder aus der Betriebsbeschreibung ergebe bzw. (Punkt 44) sich auf einen Projektsbestandteil (Waschplatz samt Hochdruckreiniger) bezögen, die nunmehr nicht errichtet würden. Dem Berufungsvorbringen der berufungswerbenden Nachbarn (darunter befinden sich auch die nunmehrigen Beschwerdeführer) sei in mehreren Punkten Rechnung getragen worden, insbesondere hinsichtlich eines Vermeidens eines Betriebes der Betriebsanlage zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr früh.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen nach erachten sich die Beschwerdeführer in den in der Gewerbeordnung 1973 normierten Nachbarrechten verletzt. In Ausführung dieses so zu verstehenden Beschwerdepunktes tragen die Beschwerdeführer u.a. vor, daß "vom Ministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten der Antrag der Beschwerdeführer auf neuerliche Lärm- und Schadstoffmessung unter den Bedingungen der Auffahrt von neun Lastkraftwagen (wie von der Konzession her möglich) mit betriebsfremden Fahrern, Startvorgang von neun Lastkraftwagen gleichzeitig und Start von allen neun Lastkraftwagen hintereinander sowie das Laufenlassen aller neun LKW"s gleichzeitig und gleichzeitiger Schad- und Lärmbemessung auf der Liegenschaft des Einschreiters nie berücksichtigt wurde".

Schon mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Wenn nämlich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift diesem Beschwerdevorbringen erwidert, daß der Beweisantrag auf Vornahme von Fahrsimulationen mit neun LKW"s deswegen unerheblich gewesen sei, weil es sich beim Betriebsanlagengenehmigungsverfahren um ein antragbedürftiges Verfahren handle, das Genehmigungsansuchen nur fünf LKW"s umfasse und die Behörde grundsätzlich an den Umfang des Genehmigungsansuchens gebunden sei, wobei der Umfang der Konzession von neun LKW im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren rechtlich nicht von Bedeutung sei, so verkennt sie folgendes:

Gemäß § 353 GewO 1973 - in seiner hier im Hinblick auf die dargestellten Verfahrensdaten anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, - sind dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen und die erforderlichen Pläne und Skizzen in vierfacher Ausfertigung anzuschließen.

Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1973 - in der vorangeführten Fassung - hat die Behörde aufgrund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen und die Nachbarn vom Gegenstand und von Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG 1950) und den unmittelbar benachbarten Häusern Kenntnis zu geben.

Nach dieser Rechtslage setzt der Abspruch über die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage ein Ansuchen voraus (antragsbedürftiger Verwaltungsakt). Hieraus ist zu erschließen, daß einerseits das Vorhaben (Genehmigungsansuchen) durch Auflagen nur soweit modifiziert werden darf, daß dieses in seinem "Wesen" unberührt bleibt, und daß sich andererseits auch die dem normativen Abspruch zugrundeliegende Betriebsbeschreibung bzw. eine in der Folge "modifizierte" Betriebsbeschreibung innerhalb dieser Grenzen zu halten hat, die im Gegensatz zu der der Behörde in Hinblick auf § 77 Abs. 1 GewO 1973 obliegenden Kompetenz zur Auflagenvorschreibung - abgesehen von Fragen des Beschreibungs- und Formulierungsvorganges als solchen - aber einem ausdrücklichen erklärten Willensakt des Konsenswerbers als Ausfluß seiner Antragslegitimation vorbehalten sind. Ein einer gewerbebehördlichen Kundmachung nach § 356 Abs. 1 GewO 1973 zugrundeliegendes Ansuchen erfordert im Hinblick auf die dem Nachbarn gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 eingeräumte Berechtigung zur Erhebung von Einwendungen einen (verbalen) Inhalt, der - als solcher - unabhängig von den weiteren in § 356 einem derartigen Ansuchen anzuschließenden und dieses detailierenden Unterlagen und Plänen - Art und Umfang der beantragten Genehmigung EINDEUTIG erkennen läßt (vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen etwa im

hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/04/0185, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).

Dies bedeutet aber zunächst, daß der gegenständliche Antrag - auch die belangte Behörde hatte sich im angefochtenen Bescheid lediglich auf die Antragstellung der mitbeteiligten Partei vom 2. Dezember 1986 gestützt - nicht die erforderliche Bestimmtheit aufwies. Nach der Aktenlagen wurde nämlich in diesem Antrag (nur) darauf Bezug genommen, daß die mitbeteiligte Partei das näher bezeichnete Grundstück "als LKW-Abstellplatz (derzeit verfügt Herr H über fünf LKW und vier Anhänger) und in zeitlich weiterer Folge die Errichtung eines Garagengebäudes für die Einstellung dieser LKW, welches auch als Lagergebäude dienen soll, nutzen möchte", und "um die gewerbebehörliche Genehmigung für die genannte Betriebsanlage" ersucht wurde. Die Zahl der vom Ansuchen erfaßten Abstellplätze wurde damit nicht bezeichnet; insbesondere auch nicht durch die Formulierung, daß "derzeit" die mitbeteiligte Partei über fünf LKW und vier Anhänger verfüge.

Des weiteren ist aber auch aus den Feststellungen und Erörterungen im angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich, inwiefern sich die belangte Behörde (ebenso wie die Behörde zweiter Instanz) bei Darstellung der Betriebsbeschreibung an eine etwa im Sinne der obigen Darlegungen hiefür maßgebende - allenfalls in zulässiger Weise modifizierte -, EINEN WILLENSAKT DES KONSENSWERBERS VORBEHALTENE Betriebsbeschreibung gehalten hätte.

Der Umstand einer mangelnden (ausreichend bestimmten) antragsgemäßen Deckung einer Betriebsanlagengenehmigung steht aber als verfahrensrechtliche Frage in untrennbarem Zusammenhang mit den durch § 74 Abs. 2 in Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 normierten Nachbarrechten.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG ohne Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebührenaufwand für nicht erforderliche Beilagen.

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