VwGH 92/13/0276

VwGH92/13/027630.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des Mag. H in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. September 1992, Zl. GA 5 - 1950/91, betreffend Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer für 1990, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs2;
EStG 1988 §67;
EStG 1988 §77 Abs3;
EStG 1988 §16 Abs2;
EStG 1988 §67;
EStG 1988 §77 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.890 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, einem Vertragslehrer des Bundes, wurde im Juni 1990 von seinem Dienstgeber unter dem Titel einer Belohnung eine Zahlung von brutto 3.972,10 S gewährt, wobei von diesem sonstigen Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 Steuer im Ausmaß von 6% einbehalten wurde. Im September 1990 wurde dieser Betrag vom Beschwerdeführer, weil er ihm gesetzlich nicht zustehe, zurückgefordert. Tatsächlich wurde der Betrag in den Monaten Oktober bis Dezember 1990 zurückgezahlt, wobei der Arbeitgeber wiederum die mit 6% bemessene Lohnsteuer erstattete.

Der Beschwerdeführer beantragte sodann gemäß § 240 Abs. 3 BAO beim Finanzamt die Erstattung von zu Unrecht von den laufenden Bezügen für Oktober bis Dezember 1990 einbehaltener Lohnsteuer und führte zur Begründung aus, die rückgezahlten Einnahmen führten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zu Werbungskosten, die - ohne Anrechnung auf das Werbungskostenpauschale - gemäß § 62 Abs. 2 EStG 1988 bei der laufenden Lohnverrechnung zu berücksichtigen gewesen wären.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag im Instanzenzug als unbegründet abgewiesen. Unter Hinweis auf Werner/Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer (EStG 1988), Abschn. 6 Tz 247 führte die belangte Behörde aus, bei Rückzahlung von das laufende Kalenderjahr betreffendem Arbeitslohn könne in Anlehnung an § 77 Abs. 3 EStG 1988 eine Aufrollung der in Frage kommenden Lohnzahlungszeiträume vorgenommen werden. Der Arbeitgeber habe im gegenständlichen Fall eine derartige Aufrollung vorgenommen. Die Berücksichtigung der rückgezahlten Beträge als Werbungskosten komme daher nicht in Betracht. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, daß auf den rückgezahlten Betrag ein Steuersatz von 42% anzuwenden gewesen wäre, sodaß in diesem Ausmaß - abzüglich der bereits erstatteten 238,30 S - Lohnsteuer zu Unrecht einbehalten worden sei, sei zu entgegnen, daß dies zu einer nicht gerechtfertigten Begünstigung führte.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 240 Abs. 3 BAO kann der Abgabepflichtige bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages beantragen, soweit nicht eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß Abs. 1 der zitierten Bestimmung im Wege des Jahresausgleiches oder im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder bereits erfolgt ist.

Gemäß § 240 Abs. 1 BAO ist bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, der Abfuhrpflichtige berechtigt, während eines Kalenderjahres zu Unrecht einbehaltene Beträge bis zum Ablauf dieses Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen.

Gemäß § 77 Abs. 3 EStG 1988 - in der hier maßgeblichen Fassung - kann der Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr bei schwankenden Lohnsteuerbemessungsgrundlagen der laufenden Bezüge durch Aufrollen der vergangenen Lohnzahlungszeiträume die Lohnsteuer neu berechnen.

Gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zählt zu den Werbungskosten auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt wurde. Steht ein Arbeitnehmer in einem aufrechten Dienstverhältnis zu jenem Arbeitgeber, dem er Arbeitslohn zu erstatten (rückzuzahlen) hat, so hat der Arbeitgeber die Erstattung (Rückzahlung) beim laufenden Arbeitslohn zu berücksichtigen. Für Werbungskosten iSd § 16 Abs. 2 EStG 1988 erfolgt gemäß § 16 Abs. 3 leg. cit. keine Anrechnung auf den Werbungskostenpauschbetrag (vgl. auch § 62 Abs. 2 Z. 5 in der für 1990 geltenden Fassung).

Auch sonstige Bezüge iSd § 67 EStG 1988 zählen - im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit - zu den Einnahmen. Der Tatbestand des § 16 Abs. 2 EStG 1988 unterscheidet nicht, ob die rückgezahlten Einnahmen seinerzeit als laufender oder als sonstiger Bezug zu erfassen waren. In beiden Fällen führt die Erstattung der Einnahmen, wenn die hier nicht strittige Voraussetzung des Fehlens von Willkürlichkeit in bezug auf den Zeitpunkt des Zufließens und den Zeitpunkt der Rückzahlung gegeben ist, zu Werbungskosten. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG 1988 ordnet zudem ausdrücklich an, daß der Arbeitgeber bei aufrechtem Dienstverhältnis diese Erstattung beim laufenden Arbeitslohn als Werbungskosten zu berücksichtigen hat. In diesem Sinne vertreten auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 16 Tz 100, und Doralt, EStG2, § 16 Tz 211, die Auffassung, daß auch die Rückzahlung von mit einem festen Steuersatz besteuerten sonstigen Bezügen zu Werbungskosten führt. § 16 Abs. 2 EStG 1988 stellt auf den Umstand, ob die Einnahmen im Zeitpunkt, in dem sie dem Steuerpflichtigen zufließen, eine Steuerbelastung auslösen, die nicht der steuerlichen Entlastung durch die Berücksichtigung als Werbungskosten im Zeitpunkt ihres Abfließens entspricht, was beispielsweise regelmäßig dann der Fall sein wird, wenn beide Vorgänge nicht im selben Kalenderjahr erfolgen, nicht ab.

Im gegenständlichen Fall hat der Arbeitgeber des Beschwerdeführers bei der Rückzahlung des sonstigen Bezuges die Lohnsteuer in Höhe des seinerzeit einbehaltenen Betrages (6%) erstattet. Dafür bot allerdings § 77 Abs. 3 EStG 1988 keine gesetzliche Grundlage, weil diese Bestimmung ausschließlich die Aufrollung laufender Bezüge (bei schwankenden Lohnsteuerbemessungsgrundlagen) regelt (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 77 Tz 5). § 77 Abs. 3 EStG kann schon deshalb nicht auf andere Bezüge angewendet werden, weil sein Zweck darin besteht, bei unterschiedlich hohen, nach dem Tarif in versteuernden Bezügen einen Progressionsausgleich zu bewirken. Soweit die von der belangten Behörde zitierte Literaturstelle eine gegenteilige Auffassung enthält, teilt sie der Verwaltungsgerichtshof nicht. Die im gegenständlichen Fall vom Arbeitgeber vorgenommene Erstattung kann sich aber auch nicht auf § 240 Abs. 1 BAO stützen, ist doch die Lohnsteuer vom sonstigen Bezug bei seinem Zufließen nicht zu Unrecht einbehalten worden.

Solcherart ergibt sich aber, daß die Lohnsteuer von laufenden Bezügen des Jahres 1990 zu Unrecht einbehalten worden ist, weil entgegen der Bestimmung des § 16 Abs. 2 zweiter Satz und des § 62 Abs. 2 Z. 5 EStG 1988 die Rückzahlung nicht im Rahmen des Werbungskostenabzuges bei der Besteuerung der laufenden Bezüge Berücksichtigung gefunden hat. Die belangte Behörde hat somit die Rechtslage verkannt und den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Aus der Aktenlage ergibt sich, daß der Arbeitgeber im Rahmen der Lohnverrechnung einen Freibetrag von 30.564 S berücksichtigt hat und daß dieser Betrag die Hälfte des für 1988 auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Freibetrages darstellt (vgl. § 122 Abs. 1 EStG 1988). Ob allerdings die Voraussetzungen für einen amtswegigen Jahresausgleich nach § 72 Abs. 3 Z. 3 EStG erfüllt sind oder sonstige mit einem Jahresausgleich oder einer Veranlagung zusammenhängende Gründe vorliegen, die einem Verfahren nach § 240 Abs. 3 BAO entgegenstehen (vgl hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, 91/14/0106), ergibt sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Aktenlage.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

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