VwGH 92/06/0053

VwGH92/06/005323.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf, den Vizepräsidenten

Dr. Pesendorfer und Hofrat Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Februar 1992, Zl. IIb-L-1851/3-1992, betreffend die Feststellung der Öffentlichkeit eines Wegteiles (mitbeteiligte Partei:

Straßeninteressentschaft B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
LStG Tir 1989 §3 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
LStG Tir 1989 §3 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Die mitbeteiligte Partei beantragte mit Schreiben vom 4. Mai 1991 (richtig wohl: 4. März 1991) bei der Tiroler Landesregierung gemäß § 3 Abs. 2 Tiroler Straßengesetz 1989 die bescheidmäßige Feststellung,

"dass die nördlich und nordöstlich der Bordsteinkante auf Gst 11 KG S gelegene Fläche dieses Gst 11 KG S bis zur Eigentumsgrenze einerseits mit Gst. 5609/1, KG S ("D-W-Strasse"), andererseits Gst 5641/1 KG S ("B") Bestandteil der öffentlichen Interessentenstrasse "B" ist".

Ihren Antrag begründete sie im wesentlichen damit, daß mit Bescheid der Marktgemeinde S vom 11. März 1974 die öffentlich-rechtliche Weggemeinschaft "B" im Sinne der Bestimmung des Tiroler Straßengesetzes geschaffen worden sei. Der öffentliche Interessentenweg verlaufe von der sogenannten D-W-Straße - das sei in diesem Bereich die H-Bundesstraße Gst. 5609/1, KG S - linksseitig der P-Ache im wesentlichen auf deren Dammkrone. Die Grundflächen, auf welchen der öffentliche Interessentenweg verlaufe, stünden im strittigen Teil im Eigentum: a) Gst. 5641/1, KG S - öffentliches Gut - und b) Gst. 11, KG S - im Eigentum des Beschwerdeführers. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde S vom 18. November 1975 sei dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung eines Parkplatzes für sechs PKW auf Gst. 11, KG S, erteilt worden. Dabei sei angeordnet worden, daß die Parkfläche mit einer 6 cm vorstehenden Bordsteinabgrenzung an der nordostseitigen Grundgrenze gemäß Einreichplan auszuführen sei. Aus dem entsprechenden Einreichplan ergebe sich, daß das Gst. 5641/1 - öffentliches Gut - im Einmündungsbereich an die H-Bundesstraße Gst. 5609/1 eine Breite von 3,08 m aufweise. Durch einen nicht dem Gesetz entsprechenden Vorgang sei von der Gst. 5641/1, KG S - öffentliches Gut - eine keilförmige Teilfläche derart abgetrennt und in das Grundeigentum des Beschwerdeführers als Bestandteil von dessen Gst. 11, KG S, übergeführt worden, daß das Gst. 5641/1, KG S - öffentliches Gut und Bestandteil der öffentlichen Interessentenstraße "B" - nun im Einmündungsbereich in die H-Bundesstraße nur mehr eine Breite von 1,91 m aufweise. Der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers habe den damaligen Bürgermeister veranlaßt, ein sogenanntes Grenzbegehungsprotokoll zu unterfertigen, auf welcher Grundlage nach den Bestimmungen des Liegenschaftsteilungsgesetzes die erwähnte Teilfläche aus dem öffentlichen Gut ab- und dem Privateigentum des Rechtsvorgängers des Beschwerdeführers unter Vereinigung mit seiner Gst. 11, KG. S, zugeschrieben worden sei. Im Frühjahr 1989 habe der Beschwerdeführer gegen ein Bauvorhaben von Anrainern mit der Begründung Einspruch erhoben, der Zufahrtsweg, das sei der B, weise nicht die erforderliche Breite auf; der Beschwerdeführer habe sich dabei auf das Ergebnis des vorbeschriebenen ungesetzlichen Eigentumsübertragungsvorganges berufen. Tatsächlich sei aber jene Fläche, die zwischen der Bordsteinkante, die der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers in Befolgung des Bescheides der Marktgemeinde S vom 18. November 1975 errichtet habe, und der nunmehrigen, wenn auch unrechtmäßig zustande gekommenen Eigentumsgrenze zwischen den Gst. 5641/1 und Gst. 11, je KG S, liege, immer Bestandteil der öffentlichen Interessentenstraße "B" gewesen und bleibe es weiterhin.

2. In seiner Stellungnahme vom 29. März 1991 zu diesem Antrag wurde vom Beschwerdeführer u.a. die Auffassung vertreten, daß tatsächlich im Jahre 1973 Grundstücksbereinigungen grundbücherlich durchgeführt worden seien. Aus dem diesen Grundbuchseintragungen zugrunde liegenden Lageplan ergebe sich, daß das Grundstück 5641/1 im Bereich der Einmündung in die H-Bundesstraße Gst. 5609/1 insgesamt 3,08 m breit sei. Es bedürfe keiner Diskussion und werde auch vom Beschwerdeführer anerkannt, daß diese Straßenbreite von 3,08 m tatsächlich der Straßeninteressentschaft B zur Verfügung stünde; dies gelte selbst dann, wenn ein bei der Einmündung in die H-Bundesstraße 1,16 m breiter Grundstreifen bücherliches Eigentum des Beschwerdeführers sein sollte. Die Wegbreite von 3,08 m sei daher allseits unbestritten; in diesem Umfang und für diese Breite bestünde auch eine Widmung für die öffentliche Benützung als Straße. Darüber hinausgehende Grundstücksflächen aus Gst.Nr. 11 im Eigentum des Beschwerdeführers würden jedoch nicht zur Straßeninteressentschaft B gehören.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. Februar 1992 stellte die belangte Behörde gemäß § 3 Abs. 2 Tiroler Straßengesetz 1989 fest, "daß die o.a. Grundstücksteile Bestandteil des öffentl. Interessentschaftsweges B sind." Diese Grundstücksteile sind im Einleitungstext des angefochtenen Bescheides wie folgt umschrieben:

"... nördlich und nordöstlich der Bordsteinkante auf Gst. Nr. 11, KG S gelegene Fläche dieses Gst. 11, KG S bis zur Eigentumsgrenze einerseits mit Gst. 5609/1 KG S ("D-W-Straße"), andererseits Gst.Nr. 5641/1, KG S ("B")..."

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid folgendermaßen:

"Der Feststellungsbescheid wird damit begründet, daß ehemalige Teile des Interessentschaftsweges nach den Bestimmungen des Liegenschaftsteilungsgesetzes unrechtmäßig vom öffentlichen Gut abgetrennt und grundbücherlich zugunsten des Antraggegners H.H. einverleibt wurden. Wenn auch das Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 nicht geeignet ist, Eigentumsverhältnisse konstitutiv zu gestalten, so ist festzustellen, ob die Qualifikation der abgetrennten Teile als öffentlicher Weg durch den zivilrechtlichen bzw. tatsächlichen Erwerb aufgehoben wurde. Gemäß § 19 Abs. 2 TStG. 1989 bedarf die Auflassung von Teilen einer Interessentenstraße zur Rechtswirksamkeit eines Bescheides. Zur Zeit der Übereignung dieser Teile hätte die Auflassung gemäß § 48 TStG 1951 einer Verordnung des Gemeinderates bedurft, um die öffentl.rechtl. Natur dieser Grundstücksteile aufzulassen.

Da aber eine dem Gesetz entsprechende Auflassung nicht vorliegt, war die im Spruch angeführte Feststellung zu treffen."

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Aufs wesentlichste zusammengefaßt bringt der

Beschwerdeführer vor, daß selbst nach dem Vorbringen der

Straßeninteressentschaft lediglich eine Wegbreite von 3,08 m im

Einmündungsbereich zur H-Bundesstraße Gst. 5609/1 als Breite

der Interessentenstraße nachweisbar sei. Das sei vom

Beschwerdeführer auch in der Eingabe vom 29. März 1991 der

Straßeninteressentschaft zugestanden worden. Die im

angefochtenen Bescheid erhaltene, darüber hinausgehende

Feststellung, daß nämlich ohne Rücksicht auf die Beschränkung

auf eine Wegbreite von 3,08 m auch "die nördlich und

nordöstlich der Bordsteinkante auf Gst.Nr. 11 ... gelegene

Fläche ... bis zur Eigentumsgrenze einerseits mit

Gst.Nr. 5609/1 ... andererseits mit Gst.Nr. 5641/1 ...

Bestandteil der öffentlichen Interessentenstraße B ist", erfolge im krassen Widerspruch zu den vorliegenden Urkunden. Die belangte Behörde habe sich jedoch im abgeführten Verfahren mit dieser Frage überhaupt nicht auseinandergesetzt. Es fehle daher jede Feststellung über das Ausmaß und den Umfang der festgestellten Straßenfläche.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird nämlich - wie sich aus den im Verwaltungsakt befindlichen Plänen eindeutig ergibt - nicht nur jener bei der Einmündung zur "D-W-Straße" gelegene - nach Auffassung der mitbeteiligten Partei im Jahre 1973 rechtswidrigerweise aus dem Grundstück Nr. 5609/1 ausgeschiedene und mit dem Grundstück Nr. 11 des Beschwerdeführers vereinigte - Teil als Bestandteil des öffentlichen Interessentenweges "B" festgestellt, sondern auch weitere Teile des Grundstückes Nr. 11 des Beschwerdeführers bis zur "Bordsteinkante". Hingegen wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf diese weiteren Grundstücksteile, und zwar bis zur Bordsteinkante auf Grundstück Nr. 11 des Beschwerdeführers, überhaupt nicht Bezug genommen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird nämlich lediglich zu jenem Teil des Spruches Stellung genommen, der den (allenfalls) vom öffentlichen Gut des Grundstückes mit der Nr. 5641/1 in das Grundeigentum des Beschwerdeführers übertragenen Teil des öffentlichen Weges betrifft, der im Einmündungsbereich 1,16 m breit ist und gemeinsam mit dem auf dem Gst. 5641/1 befindlichen Teil des Interessentenweges eine Wegbreite von 3,07 bis 3,08 m garantiert. Für die im Spruch ebenfalls umfaßten übrigen Teile des Grundstückes Nr. 11 "bis zur Bordsteinkante" enthält der angefochtene Bescheid keine Begründung. Der begründete Teil des angefochtenen Bescheides wird vom Beschwerdeführer nicht bekämpft.

Soweit daher der angefochtene Bescheid von der Beschwerde bekämpft wird, ist er mangels Begründung nicht nachprüfbar. Wenn nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Begründungslücke die Nachprüfung des Bescheides auf Gesetzmäßigkeit des Inhaltes hindert, dann hat die Behörde durch die unzulängliche Begründung Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band, S. 533, unter E 7 zitierte hg. Judikatur).

Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

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