VwGH 91/14/0255

VwGH91/14/025528.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der E in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 5. November 1991, 582/9-10/F-1991, betreffend Haftung für Abgabenschulden zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1392;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG §78 Abs3;
GmbHG §18;
VwGG §41 Abs1;
ABGB §1392;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG §78 Abs3;
GmbHG §18;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war seit Dezember 1978 gemeinsam mit anderen Personen und seit Mai 1984 alleinige Geschäftsführerin einer GmbH. Mit Beschluß des zuständigen Landesgerichtes vom 5. August 1991 wurde diese GmbH infolge Abweisung der Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin für Abgabenschulden der GmbH von 1,874.103,88 S als Haftende in Anspruch genommen. Hiebei handelt es sich um Umsatzsteuer für das Jahr 1988, Umsatzsteuervorauszahlungen, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (Handelskammerumlage) für die Monate Jänner bis Mai 1991, einen Verspätungszuschlag in Ansehung der Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat März 1991 sowie Säumniszuschläge wegen Nichtentrichtung der eben genannten Abgaben.

Die belangte Behörde vertritt zunächst die Ansicht, es sei von der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der GmbH auszugehen, weil diese infolge Abweisung der Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst und von der Beschwerdeführerin nichts Gegenteiliges behauptet worden sei. Die Darstellung von Forderungsausfällen und die dadurch ab dem Jahr 1989 eingetretene wirtschaftliche Verschlechterung der GmbH könne die Beschwerdeführerin nicht einer Haftung wegen allfälliger Verletzungen von Geschäftsführerpflichten entheben.

Die Umsatzsteuer sei mit den Preisen für die erbrachten Lieferungen und Leistungen bezahlt worden und habe daher für die Abfuhr an das Finanzamt zur Verfügung gestanden. Die Beschwerdeführerin habe nicht in Abrede gestellt, daß die GmbH mit den entsprechenden Entgelten auch die Umsatzsteuer vereinnahmt habe. Über die vereinnahmten Entgelte samt Umsatzsteuer habe die GmbH jedoch auf Grund eines mit einer Bank im Jahr 1984 abgeschlossenen Mantelzessionsvertrages nicht verfügen können. Es sei der GmbH daher unmöglich gewesen, die Umsatzsteuer zu entrichten. Vielmehr seien die erhaltenen Beträge zur Gänze von der Bank zur Abdeckung von Schulden der GmbH verwendet worden. Die Beschwerdeführerin habe als Geschäftsführerin der GmbH bei Abschluß des Mantelzessionsvertrages keine Vorkehrungen für die Entrichtung der Umsatzsteuer getroffen. Dies stelle eine schuldhafte Verletzung der der Beschwerdeführerin obliegenden abgabenrechtlichen Geschäftsführerpflichten dar, was zur Uneinbringlichkeit der Umsatzsteuer geführt habe. Auf Grund des abgeschlossenen Mantelzessionsvertrages seien von der GmbH entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin auch nicht alle andrängenden Gläubiger aliquot, sondern vielmehr die Forderungen der Bank vorrangig befriedigt worden.

Die Nichteinbehaltung und Nichtabführung der Lohnsteuer sowie des Dienstgeberbeitrages samt Zuschlag könne nicht damit entschuldigt werden, die Mittel hätten hiefür nicht ausgereicht. Reichten die der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der Lohnabgaben aus und zahle sie trotzdem Arbeitslöhne in voller Höhe aus, stelle dies eine schuldhafte Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs 1 BAO dar. Nach § 78 Abs 3 EStG 1988, der sinngemäß auch auf den Dienstgeberbeitrag (§ 43 Abs 2 FLAG) und den Zuschlag (§ 57 Abs 4 HKG) anzuwenden sei, hätte die Beschwerdeführerin bei fehlenden Mitteln die Verpflichtung gehabt, einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung zu bringen, sodaß die davon einbehaltenen Lohnabgaben auch abgeführt hätten werden können. Zahlungsschwierigkeiten, die die Beschwerdeführerin nicht gehindert hätten, Arbeitslöhne auszuzahlen, dürften sie auch nicht hindern, die darauf entfallenden Lohnabgaben einzubehalten und abzuführen. Demnach hätte die Beschwerdeführerin jene Mittel, die aus dem Verkauf des Mobiliars der GmbH zur Verfügung gestanden und für die Auszahlung der Arbeitslöhne bestimmt gewesen seien, insoweit einbehalten müssen, als aus den Lohnzahlungen Lohnabgaben angefallen wären. Die Verletzung dieser Pflicht habe zur Uneinbringlichkeit dieser Lohnabgaben geführt.

Die Beschwerdeführerin hafte auch für die Nebenansprüche (Verspätungszuschlag, Säumniszuschläge), weil einerseits deren Entstehen durch eine schuldhafte Verletzung der ihr obliegenden Geschäftsführungspflichten verursacht wurde bzw deren Nichtentrichtung eine solche Pflichtverletzung darstelle, anderseits auch hier der Abgabengläubiger nicht aliquot befriedigt worden sei.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, sie habe auf ihre Löhne gegenüber der GmbH verzichtet sowie zur Abdeckung der Finanzamtsforderungen privat einen Kredit aufgenommen, stünden in keinem Zusammenhang mit den ihr vorzuwerfenden schuldhaften Verletzungen der ihr obliegenden Geschäftsführerpflichten, weswegen diese unbeachtlich seien. Die Aufnahme der von der Beschwerdeführerin angebotenen Beweise hätte unterbleiben können, weil ihr Tatsachenvorbringen im Sinn des § 167 Abs 1 BAO als offenkundig angesehen werde und daher keines Beweises bedürfe. Da der Beschwerdeführerin bereits ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei, habe ihre Einvernahme unterbleiben können.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, nicht zur Haftung für die erwähnten Abgabenschulden herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Unbestritten ist, daß die Abgaben, für die die Beschwerdeführerin als Haftende herangezogen worden ist, bei der GmbH nicht mehr eingebracht werden können sowie, daß die Beschwerdeführerin seit Dezember 1978 gemeinsam mit anderen Personen und seit Mai 1984 alleinige Geschäftsführerin der GmbH gewesen ist und damit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter zählt, die zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden können.

Unbestritten ist weiters, daß die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin im Jahr 1984 einen Mantelzessionsvertrag abgeschlossen hat. Hiebei hat sie keine Vorsorge getroffen, so über die erhaltenen Mittel verfügen zu können, um bei einer eintretenden Verschlechterung der Wirtschaftssituation der GmbH alle andrängenden Gläubiger - darunter auch den Bund als Abgabengläubiger - aliquot zu befriedigen. Damit ist aber das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen darzutun, sie habe die Abgabenschulden bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 22. Februar 1993, 93/15/0039, mwA). Dies hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht getan. Vielmehr hat sie mit ihren Ausführungen, sie sei auf Grund des Mantelzessionsvertrages nicht in der Lage gewesen, die in Rede stehenden Abgabenschulden zu entrichten, zweifelsfrei dargetan, daß sie die Bank bevorzugt, damit aber gleichzeitig andere Gläubiger benachteiligt hat. Bei der nunmehrigen Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe bei Abschluß des Mantelzessionsvertrages im Jahr 1984 nicht damit rechnen müssen, es würden dereinst Abgabenschulden der GmbH nicht entrichtet werden, handelt es sich um eine gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich daher mit der Frage, was diesfalls rechtens wäre, nicht auseinanderzusetzen. Im Abschluß eines (globalen) Mantelzessionsvertrages, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt, anderseits andere andrängende Gläubiger - insbesondere der Bund als Abgabengläubiger - benachteiligt werden, ist eine der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der GmbH vorzuwerfende Pflichtverletzung zu erblicken (vgl das hg Erkenntnis vom 22. April 1992, 91/14/0252, mwA), weswegen der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie die Beschwerdeführerin zur Haftung für die in Rede stehenden Abgabenschulden herangezogen hat.

Hinsichtlich der nicht abgeführten Lohnsteuer ist noch auf § 78 Abs 3 EStG 1988 zu verweisen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß die volle Zahlung vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine mit den Rechtsfolgen des § 9 BAO bedrohte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten darstellt. Es darf nur ein solcher Betrag zur Auszahlung gelangen, der die Abfuhr der Lohnsteuer erlaubt (vgl das hg Erkenntnis vom 12. August 1994, 92/14/0125, 0126, mwA). Die Auszahlung der Arbeitslöhne wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Daß die der GmbH für die Auszahlung der Arbeitslöhne im Mai 1991 zur Verfügung gestandenen Mittel durch den Verkauf ihres Mobiliars aufgebracht wurden, ist für die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin als Haftende irrelevant (vgl das hg Erkenntnis vom 13. März 1991, 90/13/0143).

Das Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe auf ihr zustehende Löhne sowie auf die Abfertigung vorerst verzichtet, ist im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin als Haftende ohne Bedeutung, weshalb die belangte Behörde auch insoweit nicht verpflichtet war, Feststellungen zu treffen (vgl das bereits erwähnte hg Erkenntnis vom 22. April 1992).

Da sich die persönliche Haftung gemäß § 7 Abs 2 BAO auch auf Nebenansprüche erstreckt (vgl das bereits erwähnte hg Erkenntnis vom 12. August 1994), ist die Beschwerdeführerin auch für die mit den haftungsgegenständlichen Abgaben im Zusammenhang stehenden Nebenansprüchen zu Recht zur Haftung herangezogen worden.

Mit der bloßen Behauptung, der angefochtene Bescheid leide an wesentlichen Begründungsmängeln, zeigt die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Zur Rüge, der angefochtene Bescheid gebe lediglich das Verwaltungsgeschehen wieder, ohne in zusammenhängender Weise die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens darzustellen, genügt es darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde den Sachverhalt - unter Berücksichtigung des Vorbringen der Beschwerdeführerin - umfangreich dargestellt und sodann ausreichend gewürdigt hat. Von einer allfälligen Rechtswidrigkeit im Sinn des § 42 Abs 2 Z 3 VwGG kann daher keine Rede sein.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl Nr 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte