VwGH 90/10/0124

VwGH90/10/012427.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des F in Z, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Tirol 1.) vom 28. Juni 1989, Zl. IIIa2-1225/11 und 2.) vom 26. Juli 1989, Zl. IIIa2-1242/7, betreffend Übertretungen des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §13 Abs8;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z15;
ForstG 1975 §37 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs3;
ForstG 1975 §13 Abs8;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z15;
ForstG 1975 §37 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs3;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juni 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 7. Oktober 1987 den ganzen Tag über mit 11 Stück Vieh auf den Grundparzellen 701/1, 704, 701/5 und 701/10 der KG Ramsberg auf den Schonungsflächen im Bereich der "Kotahornalpe" die Waldweide ausgeübt; er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 in Verbindung mit § 37 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) begangen. Es wurde eine Primärarreststrafe in der Dauer von vier Wochen verhängt.

In der Begründung wird unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer bestreite die Qualifizierung der betroffenen Flächen als Schonungsflächen. Hiezu werde im vorgelegten Privatsachverständigengutachten ausgeführt, daß die betroffenen Kulturen als gesichert zu betrachten seien und es sich somit um keine Schonungsflächen mehr handeln könne. Hiezu sei festzuhalten, daß die dem Gutachten zugrundeliegende Begehung der betroffenen Fläche am 14. März 1989, also in den Wintermonaten, erfolgt sei und diese Flächen auf

ca. 1700 m Seehöhe lägen. In diesem Punkt sei daher der Stellungnahme der Bezirksforstinspektion Zillertal, deren Aussage sich auf mehrmalige Begehungen der betroffenen Flächen stütze, eine größere Aussagekraft beizumessen und es finde sich auch kein Anhaltspunkt dafür, daß dieser Aussage persönliche Motive zugrunde lägen. Da somit eine erkennbare Gefährdung der weiteren Entwicklung der betroffenen Flächen vorliege und bereits jetzt weitere Aufforstungsmaßnahmen erforderlich seien, könne von einer gesicherten Verjüngung nicht ausgegangen werden. Somit sei der Tatbestand einer Übertretung des § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG in objektiver Hinsicht erfüllt.

In subjektiver Hinsicht sei Vorsatz anzunehmen gewesen; dies deswegen, da der Beschwerdeführer bereits mehrfach wegen gleicher Verwaltungsübertretungen im Bereich der Kotahornalpe bestraft worden sei und daher gewußt habe, daß er sich mit seinem Verhalten über forstgesetzliche Bestimmungen hinwegsetze.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe 1.) am 2. August 1988 gegen 6.30 Uhr mit 16 Stück Rindern, 2.) am 12. August 1988 gegen 9.15 Uhr mit 15 Stück Galtvieh und 3.) am 24. August 1988 gegen 7.30 Uhr mit 12 Stück Kälbern jeweils auf der Gp 701/1 der KG Ramsberg auf den Schonungsflächen im Bereich der "Kotahornalpe" die Waldweide ausgeübt; er habe hiedurch drei Verwaltungsübertretungen nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 in Verbindung mit § 37 Abs. 3 ForstG begangen. Es wurden drei Primärarreststrafen in der Dauer von je drei Wochen verhängt.

Die Begründung dieses Bescheides entspricht in den hier wesentlichen Passagen jener des Bescheides vom 28. Juni 1989.

Gegen diese beiden Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 11. Juni 1990, B 962, 963/89-16, ihre Behandlung ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Flächen, auf denen die Beweidung stattgefunden habe, seien, wie sich aus dem von ihm vorgelegten Privatgutachten ergebe, keine Schonungsflächen. Die Verjüngung sei gesichert; somit seien die Voraussetzungen des § 13 Abs. 8 ForstG erfüllt und es sei schon im Juli 1987 keine Schonungsfläche mehr vorgelegen. Die Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem Privatgutachten sei ungenügend; dem Gutachten werde mit der Begründung die Beweiskraft abgesprochen, daß die Besichtigung der Schonungsflächen durch den Privatsachverständigen bei Schneelage erfolgt sei. Auch sei auf den mit Gründen versehenen Einwand des Beschwerdeführers, der Leiter der Bezirksforstinspektion Zillertal, der als Amtssachverständiger aufgetreten sei, sei befangen gewesen, überhaupt nicht eingegangen worden.

Bei den Parzellen 701/1 und 701/10 handle es sich nicht um Wald im Sinne des Forstgesetzes. Die belangte Behörde habe es unterlassen, zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 ForstG vorlägen. Eine Kennzeichnung der Schonungsflächen im Sinne des § 37 Abs. 3 ForstG sei nie erfolgt. Der Beschwerdeführer sei daher berechtigt gewesen, die Rinder in die Aufforstungsflächen einzulassen.

Das bei der Agrarbehörde anhängig gewesene Verfahren zur Servitutsregelung sei nach wie vor nicht abgeschlossen. Dieses Verfahren habe zweifellos Einfluß auf die Qualifizierung der Gp. 701/1 als Schonungsfläche.

Auf der Gp. 701/1 bestehe ein Schneefluchtrecht, welches durch die Aufforstung beeinträchtigt worden sei.

Die auf der Gp. 704 behauptete Beweidung sei, wenn sie überhaupt erfolgt sei, ausschließlich deshalb erfolgt, weil der Beschwerdeführer ein Weiderecht auf dieser Gp. ausübe und der dort errichtete Zaun wegen der Wildbachverbauung bzw. wegen Entwässerungsarbeiten entfernt und seitdem nicht mehr vollständig wiedererrichtet worden sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 37 Abs. 3 ForstG darf in zur Verjüngung bestimmten Waldteilen, in denen das Weidevieh die bereits bestehende oder erst heranzuziehende Verjüngung schädigen könnte (Schonungsflächen), die Waldweide nicht ausgeübt werden. Die Weidetiere sind von den Schonungsflächen fernzuhalten. Auf Antrag des Waldeigentümers oder des Weideberechtigten hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die im § 12 festgelegten Grundsätze den Umfang, die Dauer und die Kennzeichnung der Schonungsflächen durch Bescheid festzulegen.

Eine bescheidmäßige Festlegung von Schonungsflächen ist nicht erforderlich, um ein absolutes Weideverbot zu bewirken.

§ 37 Abs. 3 letzter Satz ForstG sollte dem Waldeigentümer bzw. Weideberechtigten nur die Möglichkeit einräumen, allenfalls bestehende Zweifel oder Unklarheiten über das Vorliegen bzw. das Ausmaß seiner Schonungsfläche zu beseitigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 87/10/0205). Die Auffassung des Beschwerdeführers, mangels einer solchen bescheidmäßigen Festlegung der Schonungsflächen sei er zu deren Beweidung berechtigt gewesen, trifft daher nicht zu.

Inwiefern ein Verfahren zur Servitutsregulierung auf die Qualifizierung der Gp. 701/1 als Schonungsfläche von Einfluß sein sollte, ist mangels näherer Erläuterung durch den Beschwerdeführer nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Ausführungen zum Schneefluchtrecht.

Hingegen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht, wenn er die Feststellungen der belangten Behörde zum Vorliegen einer Schonungsfläche bemängelt.

Schutzobjekt des § 37 Abs. 3 ForstG sind - im Gegensatz zu § 37 Abs. 1 leg. cit. - zur Verjüngung bestimmte Waldteile bzw. Verjüngungen. § 37 Abs. 3 ForstG enthält keine Definition der Verjüngung und läßt insbesondere auch nicht erkennen, wie lange eine wiederbewaldete Fläche als Verjüngung anzusehen ist. Ein Anhaltspunkt dafür ist aber aus § 13 Abs. 8 ForstG zu gewinnen. Danach gilt eine Verjüngung als gesichert, wenn sie durch mindestens drei Wachstumsperioden angewachsen ist, eine nach forstwirtschaftlichen Erfordernissen ausreichende Pflanzenzahl aufweist und keine erkennbare Gefährdung der weiteren Entwicklung vorliegt. Hat eine durch Aufforstung oder Naturverjüngung wiederbewaldete Fläche den Zustand des Gesichertseins erreicht, so kann davon ausgegangen werden, daß die Verjüngung beendet ist. Unter diesem Aspekt kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers, ein von ihm beigezogener Sachverständiger habe festgestellt, daß die Verjüngung auf den in Rede stehenden Parzellen bereits im Juli 1987 gesichert gewesen sei, Bedeutung zu. Träfe dies zu, dann wäre ab diesem Zeitpunkt kein absolutes Weideverbot nach § 37 Abs. 3 ForstG mehr vorgelegen. Daran würde es auch nichts ändern, wenn bei einer später erfolgten Beweidung Schäden an den Kulturen entstanden wären. Diese wären nach § 37 Abs. 1 ForstG zu beurteilen. Die Waldweide kann Schäden auch an solchen Forstkulturen verursachen, die längst über das Stadium der Verjüngung hinaus sind. Dies schließt es aus, § 37 Abs. 3 ForstG so auszulegen, daß eine Verjüngung solange vorliegt, als durch das Weidevieh Schäden an der Forstkultur hervorgerufen werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1993, Zl. 91/10/0084). Waren daher - wie der Beschwerdeführer behauptet - im Jahre 1987 die Voraussetzungen des § 13 Abs. 8 leg. cit. gegeben, lag insbesondere auch keine erkennbare Gefährdung der weiteren Entwicklung - sei es bei der Ausübung der Waldweide, sei es aus sonstigen Gründen - vor, so verloren die Waldflächen nach diesem Zeitpunkt den Status einer Verjüngung im Sinne des § 37 Abs. 3 ForstG.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren ein Gutachten eines von ihm beigezogenen Privatsachverständigen vorgelegt, in dem behauptet wird, die Aufforstung auf den in Rede stehenden Flächen sei bereits im Juli 1987 gesichert gewesen. Zur Untermauerung seiner Auffassung hat der Privatgutachter auf ein Schreiben der Bezirksforstinspektion Zillertal vom 16. Dezember 1987 hingewiesen, in dem ebenfalls davon die Rede ist, daß die Aufforstung auch im Bereich der verfahrensgegenständlichen Grundparzellen flächenhaft sehr gut angekommen sei und als gesichert bezeichnet werden könne. Dieses Privatgutachten hat die belangte Behörde mit dem Hinweis darauf abgetan, die Besichtigung der Aufforstungsflächen durch den Privatgutachter sei in den Wintermonaten erfolgt. Dieser Hinweis allein genügt nicht, die mangelnde Beweiskraft des Gutachtens darzutun, zumal der Privatsachverständige bereits in seinem Gutachten ausgeführt hat, daß bei der Besichtigung auf Grund der geringen Schneelage die Bestockung einwandfrei erkennbar gewesen sei. Vor allem aber ist die belangte Behörde auch mit keinem Wort auf die im Privatgutachten aufgestellte Behauptung eingegangen, bereits in einem Schreiben der Bezirksforstinspektion Zillertal vom 16. Dezember 1987 sei die Aufforstung als gesichert bezeichnet worden. Der angefochtene Bescheid enthält daher keine ausreichende Begründung dafür, daß die in Rede stehenden Flächen als Schonungsflächen anzusehen seien.

Nicht ausreichend geklärt wurde von der belangten Behörde auch die Frage, ob es sich bei Parzelle 701/1 überhaupt um Wald handelt.

Nach § 4 Abs. 1 ForstG unterliegen Grundflächen, die bisher nicht Wald waren, im Falle der Aufforstung (Saat oder Pflanzung) nach Ablauf von zehn Jahren ab deren Durchführung, im Falle der Naturverjüngung nach Erreichen einer Überschirmung von fünf Zehntel ihrer Fläche, den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren behauptet, die Aufforstung auf Parzelle 701/1 sei erst vor kurzem erfolgt und die Parzelle sei daher noch nicht Wald im Sinne des Forstgesetzes. Mit diesem Einwand hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Unzureichend ist auch die Auseinandersetzung der belangten Behörde mit der Behauptung des Beschwerdeführers, der Amtssachverständige der Bezirksforstinspektion Zillertal sei befangen gewesen, da auf die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gründe nicht eingegangen wurde.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Entfernung des Zaunes auf Parzelle 701/1 könnte den Beschwerdeführer nur dann entlasten, wenn sie in einem solchen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der ihm angelasteten Beweidung der Parzelle 704 stünde, daß sie es dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht hätte, das Weidevieh von dieser Parzelle abzuhalten. Ob dies der Fall war, kann aber anhand des vorliegenden Sachverhaltes nicht beurteilt werden. Auch diesbezüglich ist das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben.

Aus den dargestellten Erwägungen erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben waren.

Aus verwaltungsökonomischen Gründen wird noch darauf hingewiesen, daß sich die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren auch mit der Frage auseinandersetzen wird müssen, ob es sich bei den dem Beschwerdeführer im Bescheid vom 26. Juli 1989 vorgeworfenen Beweidungen am 2. August 1988, am 12. August 1988 und am 24. August 1988 (sowie bei den dem Beschwerdeführer im ebenfalls vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 16. August 1989 angelasteten Beweidungen vom 2. August 1988, 25. August 1988,

2. September 1988, 7. September 1988, 9. September 1988 und 14. September 1988) um fortgesetzte Delikte handelt, die nicht mit mehreren, sondern nur mit einer einzigen Strafe zu ahnden wären.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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