VwGH 94/18/0794

VwGH94/18/079415.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. September 1994, Zl. Fr 1528/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 1991;
AVG §46;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
AsylG 1997 1991;
AVG §46;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Guinea gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 13. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist. Am 14. Jänner 1992 habe er einen Asylantrag gestellt. Hiebei habe er ausgeführt, daß er seine Religion frei ausüben habe können. Seit 1986 sei er Mitglied der Alpha Conde-Partei und würde diese in Opposition zu der diktatorischen Regierung in Guinea stehen. Die Partei fordere mehr Demokratie. Im August 1991 seien Protestdemonstrationen durchgeführt worden, an welchen auch der Beschwerdeführer teilgenommen habe. Viele Demonstranten seien festgenommen und in der Folge verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei aus Angst geflüchtet und hätte sich bei seiner Großmutter bis Dezember 1991 versteckt. Im Dezember 1991 sei er legal nach Senegal eingereist und von dort mit dem Flugzeug nach Ungarn gekommen. Der Antrag auf Asylgewährung sei in erster Instanz rechtskräftig abgewiesen worden.

In seinem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Guinea habe der Beschwerdeführer im wesentlichen ausgeführt, daß er Gegner der Diktatur sei und eine Unterstützungserklärung für den damaligen Oppositionschef unterschrieben habe. Der Präsident Guineas sei weiter im Amt und habe sich das Regime in den letzten Jahren schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Amnesty International habe im Jahresbericht 1993 von "gewaltlosen" politischen Gefangenen gesprochen, die in einem Zeitraum von sechs Wochen aufgrund ihres friedlichen politischen Engagements inhaftiert worden seien. Für die betreffenden Beamten hätte es keinerlei Konsequenzen gehabt. Die oppositionelle Haltung des Beschwerdeführers müsse den Behörden hinlänglich bekannt sein. Aus diesen Gründen habe er die Befürchtung, im Falle einer Rückschiebung Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein. Aufgrund von Mißhandlungen von Häftlingen sei anzunehmen, daß er tatsächlich einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen würde.

An der Spitze der Präsidialrepublik Guinea stehe seit 1984 der Brigadegeneral Lansana Conte. Mit seiner Machtübernahme sei keine oppositionelle Partei offiziell zugelassen worden. Seit April 1992 seien Parteien wieder zugelassen und aufgrund der Verfassung von 1991 sei der provisorische Rat für den nationalen Wiederaufbau als Exekutivorgan eingesetzt.

Der Beschwerdeführer habe während seiner politischen Tätigkeit keinen direkten Kontakt mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt, der in eine gegen ihn gerichteten Bedrohung, Verfolgung oder unmenschlichen Behandlung gemündet wäre. Die Teilnahme an einer verbotenen Demonstration bzw. an einer Veranstaltung einer verbotenen Partei lasse für sich allein noch nicht die Annahme einer Bedrohung nach § 37 Abs. 1 oder 2 FrG als gerechtfertigt erscheinen. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach die Behörden seines Heimatlandes von seiner Unterstützung einer oppositionellen Partei Kenntnis hätten, sei eine Vermutung. Dazu sei ergänzend zu bemerken, daß nunmehr Oppositionsparteien zugelassen seien und der Beschwerdeführer sohin keine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur Alpha Conde-Partei zu gewärtigen habe. In Konakry sei dem Beschwerdeführer am 18. Juni 1992 ein Reisedokument ausgestellt worden. Dieser Umstand lasse die belangte Behörde im Zusammenhang mit seinem Vorbringen zum Ergebnis kommen, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Guinea einer Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß sich die belangte Behörde lediglich auf die Ergebnisse des Asylverfahrens gestützt habe. Es hätten jedoch zwei voneinander völlig unabhängige Behörden zu ermitteln. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, den Beschwerdeführer zu seinen Gründen niederschriftlich einzuvernehmen. Wäre er einvernommen worden und hätte sich die belangte Behörde mit der tatsächlichen politischen Situation in Guinea ausreichend auseinandergesetzt, dann hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, daß seine Abschiebung aus den Gründen des § 37 Abs. 1 und 2 FrG unzulässig sei.

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Es ist zwar richtig, daß die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 54 FrG selbständig zu prüfen hat; es war ihr jedoch aufgrund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/18/0607). Im Hinblick darauf, daß im Asylverfahren die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zu prüfen war und auch § 37 Abs. 2 FrG auf die Bedrohung von Leben und Freiheit des Fremden aus diesen Gründen abstellt, war die Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens naheliegend (siehe auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 17. November 1994). Im übrigen hat der Beschwerdeführer bei seiner Antragstellung über sein im Asylverfahren erstattetes Vorbringen hinaus nichts Konkretes vorgebracht, weshalb es für die belangte Behörde keinen Grund gab, weitere Ermittlungen durchzuführen. Die belangte Behörde erörterte das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers; welche Umstände keine Berücksichtigung gefunden hätten, weil die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht nochmals einvernommen habe, werden in der Beschwerde nicht aufgezeigt.

Der Beschwerdeführer meint, er müsse im Falle der Rückschiebung damit rechnen, daß aufgrund seiner oppositionellen Haltung, welche den Behörden hinlänglich bekannt sei, Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein. Selbst der Amnesty International Jahresbericht 1993 spreche davon, daß es in Guinea nach wie vor gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Sicherheitskräften gebe; im Verlaufe dieser Auseinandersetzung seien mindestens zwei Studenten gestorben. Im Februar 1992 seien während einer Razzia der Sicherheitskräfte auf dem Gelände der Universität in Konakry ein Student getötet, mindestens fünfzig weitere verhaftet und mißhandelt worden. Am 27. August 1992 seien über zweihundert Frauen während einer friedlichen Demonstration aus Anlaß des 15. Jahrestages einer Protestaktion von Marktfrauen im Jahre 1977 verhaftet worden. Es sei zu Verletzungen und Mißhandlungen durch die Sicherheitskräfte gekommen. Immer seien die inhaftierten bzw. verletzten und mißhandelten Personen Anhänger der Alpha Conde-Partei gewesen, welcher Partei auch er angehöre.

Der Beschwerdeführer ist darauf zu verweisen, daß es dem Fremden, der eine Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 in Verbindung mit § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG begehrt, obliegt, zumindest glaubhaft zu machen, daß ihm aktuell, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfaßten Staat, dort die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 genannten Gefahren drohten (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das bereits erwähnte Erkenntnis vom 17. November 1994). Die Auffassung der belangten Behörde, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Umstände keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in seiner Heimat im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG darstellten, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer spricht lediglich unter Verweis auf einige Vorfälle, in die er nicht involviert gewesen war, eine Vermutung aus, deren Eintritt nicht ohne weiteres anzunehmen ist. Konkrete Hinweise darauf aber, daß er in Guinea tatsächlich einer aktuellen, von staatlichen Stellen ausgehenden, individuell gegen ihn gerichteten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG ausgesetzt sei, können seinem Vorbringen nicht entnommen werden. Es ist auch nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde zur Begründung ihres Ausspruches, daß eine im Grunde des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG relevante Gefährdung bzw. Bedrohung des Beschwerdeführers nicht vorliege, auch auf die Ausstellung eines Reisepasses durch die Behörden seines Heimatstaates hingewiesen hat. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer von den Behörden seines Heimatstaates einen Paß ausgestellt erhielt, schließt zwar grundsätzlich eine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 nicht aus, macht eine derartige Bedrohung aber auch nicht wahrscheinlich (vgl. auch hiezu das erwähnte Erkenntnis vom 17. November 1994).

Das Vorbringen in der Beschwerde ist daher nicht geeignet, eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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