VwGH 94/18/0218

VwGH94/18/021819.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des E in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 7. März 1994, Zl. St 54/94, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §36;
FrG 1993 §37;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §36;
FrG 1993 §37;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 7. März 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein bis zum 21. Jänner 1999 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei über Einladung seines seit nunmehr 21 Jahren in Österreich wohnhaften Vaters im März 1985 in das Bundesgebiet eingereist. In der Folge seien ihm Sichtvermerke erteilt worden, zuletzt bis 5. Oktober 1993. Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 9. Jänner 1990 sei er wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Oberndorf vom 1. April 1993 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt worden. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Salzburg vom 21. Juli 1993 sei er wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei zweimal wegen des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB), sohin mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei demnach erfüllt. Schon nach der ersten Verurteilung sei der Beschwerdeführer anläßlich einer niederschriftlichen Vernehmung ausdrücklich ermahnt und darauf aufmerksam gemacht worden, daß er bei einer weiteren Verurteilung mit der Ungültigerklärung des Sichtvermerkes rechnen und Österreich verlassen müsse. Neben den drei gerichtlichen Verurteilungen sei der Beschwerdeführer seit 1991 dreizehnmal wegen Übertretungen der StVO, viermal wegen Übertretungen des KFG und einmal wegen einer Übertretung des FrG rechtskräftig bestraft worden. Auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers sei die Annahme gerechtfertigt, daß sein Aufenthalt eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.

Der Beschwerdeführer sei seit 1989 verheiratet. Seine Ehefrau halte sich mit dem zweieinhalbjährigen Sohn in der Türkei auf. In Österreich sei nur der Vater des Beschwerdeführers wohnhaft. Seine Mutter sei verstorben. Das Aufenthaltsverbot greife zwar nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein, wohl aber - im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich - in sein Privatleben. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei jedoch zur Verhinderung strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen schwerer als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, und zwar auch dann, wenn man berücksichtige, daß der Beschwerdeführer in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stehe und somit im Erwerbsleben integriert sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei somit auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer bringt gegen die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nichts vor.

2. Er hält die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG für unzulässig und meint, ein Aufenthaltsverbot sei nach dieser Gesetzesstelle nur dann zulässig, wenn die "strafbaren Tatbestände erheblich über die einzelnen Merkmale des § 18/2 Fremdengesetz hinausgehen". Er stützt seine Argumentation darauf, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG bei Verhängung einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verwirklicht sei und daß eine Geldstrafe milder als eine Freiheitsstrafe sei. Das Gesamtausmaß der gegen ihn verhängten Ersatzfreiheitsstrafen sei geringer als sechs Monate, sodaß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nicht dringend geboten sei.

Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß schon die im § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, nämlich daß es bei mehr als einmal erfolgter Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen nicht auf das Ausmaß der verhängten Strafen ankommt, gegen die in der Beschwerde gezogenen Schlußfolgerungen spricht. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß bei der gemäß § 19 FrG gebotenen Beurteilung in jedem einzelnen Fall auf Grund der jeweils gegebenen Umstände - ohne daß ein Vergleich einzelner Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG vorzunehmen ist - zu prüfen ist, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde im Hinblick auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit 1985 zu Recht von einem erheblichen Eingriff in sein Privatleben ausgegangen. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde liegt auch ein relevanter Eingriff in sein Familienleben vor, dies im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt seines Vaters im Bundesgebiet. Die Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers dringend geboten und demnach gemäß § 19 FrG zulässig, begegnet keinen Bedenken.

3.1. Der Beschwerdeführer meint, die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung hätte zu seinen Gunsten ausgehen müssen. Er führt in diesem Zusammenhang seinen langjährigen Aufenthalt, die Absicht, seine Ehefrau und seinen Sohn nach Österreich nachkommen zu lassen, den Aufenthalt seines Vaters und anderer Verwandter im Bundesgebiet und seine "berufliche Weiterentwicklung" in Österreich ins Treffen. Er vermag damit aus folgenden Erwägungen keine Rechtswidrigkeit des angefochenen Bescheides darzutun:

Den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 1985 hat die belangte Behörde ohnedies berücksichtigt. Der vom Beschwerdeführer bekundeten Absicht, seine Frau und seinen Sohn nach Österreich nachkommen zu lassen, kommt im gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung zu. Das Gewicht der Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinem Vater ist gering. Die Geschwister und Cousins des Beschwerdeführers - die nach den Beschwerdeausführungen nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihm leben - sind vom Schutzbereich des § 20 Abs. 1 FrG nicht erfaßt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0516 mwN). Auf die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens ist im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht Bedacht zu nehmen (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0103 und Zl. 93/18/0142).

3.2. Der Beschwerdeführer macht als Verfahrensmangel geltend, daß die belangte Behörde nicht den Geschäftsführer seiner Dienstgeberin zum Beweis für seine Behauptung vernommen habe, er erhalte vom Dienstgeber Unterkunft und Verpflegung, sodaß ihm S 6.000,-- verblieben. Der Beschwerdeführer meint, daraus hätte sich eine besondere Bindung zu seinem Dienstgeber ergeben, die im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG zu berücksichtigen gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer vermag damit keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil er mit seiner Behauptung, zu deren Beweis er die Vernehmung des Zeugen beantragt hat, nicht das Bestehen sonstiger Bindungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 1 FrG dargetan hat. Aus seiner Behauptung ergibt sich lediglich, daß ihm aus dem bestehenden Dienstverhältnis neben dem in Geld bezahlten Arbeitslohn auch Sachbezüge zukommen. Da diese Umstände für die gemäß § 20 Abs. 1 FrG gebotene Interessenabwägung ohne Bedeutung sind, liegt im Unterbleiben diesbezüglicher Ermittlungen kein Verfahrensmangel.

3.3. Soweit der Beschwerdeführer schließlich ohne konkrete Ausführungen auf die "amtsbekannten Probleme von Türken kurdischer Abstammung" verweist, vermag er keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil im Rahmen der ein Aufenthaltsverbot erlassenden Entscheidung die Frage, in welches Land der Fremde ausreisen, allenfalls abgeschoben werden wird, ohne rechtliche Relevanz ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1993, Zl. 93/18/0324).

3.4. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten ist die Auffassung der belangten Behörde, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, nicht rechtswidrig. Dabei war auch zu berücksichtigen, daß dem Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde bereits im Jahr 1990 für den Fall weiterer Straftaten die Beendigung seines Aufenthaltes in Österreich angedroht worden war.

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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