Normen
AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
StGB §127;
AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
StGB §127;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ungarischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 1 FrG ein bis zum 1. Dezember 2003 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. In der Begründung wurde im wesentlichen festgestellt, daß der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Oberwart am 9. Februar 1990 zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je S 30,-- und vom Bezirksgericht Schwechat am 13. August 1993 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je S 50,--, jeweils "wegen § 127 StGB", rechtskräftig verurteilt worden sei. Ferner ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 28. November 1987 legal nach Österreich eingereist sei. Dort hielten sich auch seine Gattin und seine drei Kinder auf. Der Beschwerdeführer habe nunmehr seinen Wohnsitz nach Budapest verlegt und in Ungarn eine Beschäftigung angenommen. Hinsichtlich der von der Erstbehörde mit zehn Jahren befristeten Dauer des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde aus, daß das den Verurteilungen zugrundeliegende Fehlverhalten nicht nur auf zwei Einzelhandlungen beschränkt sei; vielmehr habe der Beschwerdeführer im Zeitraum von Mitte November 1992 bis April 1993 wiederholt Geldbeträge von seinem "Chef" gestohlen. Es habe sich hiebei um insgesamt 11 Angriffe gegen fremdes Vermögen gehandelt. Wenn die Erstbehörde davon ausgegangen sei, daß nach Ablauf von zehn Jahren keine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen mehr gegeben sein werde, sei hierin keine Rechtswidrigkeit erkennbar. Auch sei bereits auf das deliktische Verhalten des Beschwerdeführers, die Aufenthaltsdauer, seine persönlichen und familiären Verhältnisse eingegangen worden; seitens der belangten Behörde bestehe keine Veranlassung, eine Herabsetzung der Aufenthaltsverbotsdauer vorzunehmen. Für die Festlegung der Dauer des Aufenthaltsverbotes seien die Tilgungsfristen nach dem Tilgungsgesetz nicht zu berücksichtigen. Im übrigen sei erwähnt, daß bei gerichtlichen Verurteilungen ein Aufenthaltsverbot auch auf unbefristete Zeit erlassen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen von zwei rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen wegen Diebstahls. Der belangten Behörde hätte auffallen müssen, daß er in der Berufung nur eine Verurteilung erwähnt habe; die
"2. Verurteilung" (durch das Bezirksgericht Schwechat) sei nicht in Rechtskraft erwachsen, weil er im Zeitpunkt der Zustellung (der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Schwechat vom 18. August 1993) "nicht mehr in Österreich wohnhaft und aufhältig" gewesen sei. Die belangte Behörde gehe selbst von einer Rechtskraft dieser Strafverfügung "mit Datum 13.10.1993" aus, stelle jedoch gleichzeitig fest, daß er "- wie sich aus dem Zusammenhang ergibt spätestens für September 1993 auch urkundlich nachweisbar -" seinen Wohnsitz nach Ungarn verlegt habe. Eine Postzustellung im Oktober 1993 habe sohin nicht rechtswirksam erfolgt sein können, sodaß die belangte Behörde die Frage der Rechtskraft aus eigenem zu prüfen gehabt hätte. Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten. Selbst wenn der Beschwerdeführer bereits im September 1993 seinen Wohnsitz nach Ungarn verlegt haben sollte, ließe dies keineswegs zwingend auf eine Rechtsunwirksamkeit der Zustellung der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Schwechat schließen, könnte die Zustellung doch etwa bei einem der - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - wiederholten Besuche in Österreich erfolgt sein. Bei der Feststellung, daß die Strafverfügung seit dem 13. Oktober 1993 rechtskräftig sei, durfte sich die belangte Behörde auf die entsprechende, in den Verwaltungsakten erliegende Mitteilung des Bezirksgerichtes Schwechat vom 3. November 1993 stützen; zu weiteren diesbezüglichen Erhebungen hatte sie nach der Aktenlage keine Veranlassung, zumal der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 1. Dezember 1993 die ihm vorgehaltene rechtskräftige Bestrafung durch das Bezirksgericht Schwechat nicht bestritten hat.
Bei diesen Gegebenheiten begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde zufolge der beiden rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG ausging und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtete. Es ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn das einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers bewirkende Aufenthaltsverbot von der belangten Behörde im Grunde des § 19 FrG als zu Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, dringend geboten angesehen wurde.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde bei der nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung nicht nur seine "Privatinteressen", sondern auch die "Interessen des Familienlebens" berücksichtigt, nahm sie doch als erwiesen an, daß sich die Gattin des Beschwerdeführers und seine drei Kinder in Österreich aufhalten. Da der Beschwerdeführer allerdings - wie er selbst behauptet - ohnehin bereits "zur Gänze nach Ungarn übersiedelt" ist, können die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation und die seiner Familie nicht allzu gravierend eingestuft werden. Der vom Beschwerdeführer als notwendig empfundene "regelmäßige Besuchskontakt" kann durch Besuche seiner Gattin und der Kinder in Ungarn aufrecht erhalten werden. Daß dies "aus finanziellen, technischen und zeitlichen Gründen nicht möglich" sei, ist eine erstmals in der Beschwerde vorgebrachte und somit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung. Wenn die belangte Behörde daher bei der Interessenabwägung zum Ergebnis gelangte, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, besteht dagegen kein Einwand.
Was die Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes betrifft, so sieht § 21 Abs. 1 FrG vor, daß das Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 5 auch unbefristet, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden kann. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Nach der ständigen hg.
Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0031) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Bei der Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes wird das künftige Wohlverhalten des Fremden in die Überlegungen einbezogen und damit vorausgesetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 93/18/0630).
Für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes waren im Beschwerdefall zwei gerichtliche Verurteilungen zu relativ geringen Geldstrafen wegen Diebstahls maßgeblich. Wenn auch der zweiten Verurteilung zugrundegelegen ist, daß der Beschwerdeführer durch mehrere Monate hindurch in insgesamt 11 Angriffen seinen damaligen "Chef" bestohlen hat, handelte es sich doch auch hier um einen nicht qualifizierten (einfachen) Diebstahl, dem auch unter Berücksichtigung der einen einschlägigen Vorverurteilung kein die hier in Betracht kommenden öffentlichen Interessen nachhaltig beeinträchtigendes Gewicht zukommt. Bei dieser Sachlage vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, warum der Wegfall des Grundes für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes - unter der Voraussetzung künftigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers - erst mit dem 1. Dezember 2003 anzunehmen ist.
Die belangte Behörde verkannte somit bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes die Rechtslage. Dies hat - da es sich hiebei um einen vom übrigen Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht trennbaren Abspruch handelt - zur Folge, daß der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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