VwGH 94/14/0094

VwGH94/14/009429.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der K-GmbH in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 8. Juni 1994, Zl 388/2-10/Zi-1994, betreffend Säumniszuschlag, Verspätungszuschlag und Nachsicht, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §135 Abs1;
BAO §211 Abs1 litg;
BAO §214 Abs4;
BAO §214;
BAO §215 Abs4;
BAO §215;
BAO §217 Abs1;
BAO §221a Abs3;
UStG 1972 §21 Abs1;
BAO §135 Abs1;
BAO §211 Abs1 litg;
BAO §214 Abs4;
BAO §214;
BAO §215 Abs4;
BAO §215;
BAO §217 Abs1;
BAO §221a Abs3;
UStG 1972 §21 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin rechnete mit Schlußrechnung vom 25. November 1993 gegenüber einer Gemeinde verschiedene, der Gemeinde gegenüber erbrachte Leistungen ab. Hinsichtlich der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer in Höhe von rund S 4,5 Mio wurde vereinbart, daß diese im Wege der Überrechnung vom Abgabenkonto der Gemeinde beim Finanzamt A an das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin beim Finanzamt B beglichen werde. Die Gemeinde beantragte die Überrechnung jedoch vereinbarungswidrig nicht in der für November 1993 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung, sondern erst in der beim Finanzamt A am 31. Jänner 1993 einlangenden Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1993. Im Vertrauen auf die getroffene Vereinbarung entrichtete die Beschwerdeführerin für den Voranmeldungszeitraum November 1993 an das Finanzamt nur einen um die oben erwähnte Umsatzsteuer verminderten Betrag.

In der Folge setzte das Finanzamt mangels Entrichtung fälliger Abgaben einen Säumniszuschlag (2 %) sowie mangels Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung einen Verspätungszuschlag im Ausmaß von 0,01 % der für den Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum 11/1993 fälligen Umsatzsteuer fest.

In der dagegen eingebrachten Berufung vertrat die Beschwerdeführerin, gestützt auf § 221 a Abs 3 und § 214 Abs 4 lit a und b BAO die Ansicht, daß bei einer irrtümlich nicht erteilten Verrechnungsweisung von Säumnisfolgen abzusehen sei. Der Verspätungszuschlag sei rechtswidrig, weil verspätete Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung im Hinblick auf die gegebenen Umstände entschuldbar sei. Gleichzeitig wurde um Nachsicht des festgesetzten Säumniszuschlages angesucht, weil dessen Einhebung sachlich unbillig sei. Bei gesetzmäßiger Vorgangsweise wäre ein Verspätungszuschlag nicht vorzuschreiben gewesen, die Beschwerdeführerin habe jedoch keine Möglichkeit gehabt, von sich aus den gesetzmäßigen Zustand herzustellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde sowohl die Berufung gegen den Säumniszuschlag und den Verspätungszuschlag als auch eine gegen die Abweisung des Nachsichtsansuchens eingebrachte Berufung ab. Hinsichtlich der Säumniszuschläge führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, von einer Verrechnungsweisung im Sinne des § 214 Abs 4 BAO sei ein Antrag auf Überrechnung im Sinne des § 211 Abs 1 lit g BAO durch einen Abgabepflichtigen zu unterscheiden. Eine Verrechnungsweisung könne nur die Beschwerdeführerin erteilen, nicht aber die Gemeinde, letztere könne nur einen Überrechnungsantrag stellen. Da somit keine (irrtümlich nicht erteilte) Verrechnungsweisung im Sinne des § 214 Abs 4 BAO vorliege, könne § 221 a Abs 3 BAO nicht zur Anwendung gelangen. Hinsichtlich des Verspätungszuschlages ging die belangte Behörde von einer Fahrlässigkeit der Beschwerdeführerin insofern aus, als sie sich nicht allein darauf hätte verlassen dürfen, daß die Gemeinde zeitgerecht einen Überrechnungsantrag stellen werde. Zur beantragten Nachsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO nicht vorliege.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihren Rechten, nicht zur Entrichtung eines Säumniszuschlages verpflichtet zu werden, nicht einen Verspätungszuschlag auferlegt zu bekommen und auf Anerkennung der gänzlichen bzw teilweisen Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Säumniszuschlag:

Die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde gehe davon aus, daß § 214 Abs 4 BAO nur auf Verrechnungsweisungen eines Abgabepflichtigen, nicht jedoch auf Überrechnungsanträge "im Sinn des § 211 Abs 1 lit g BAO" anwendbar sei. Damit setze sich die belangte Behörde über den klaren Wortlaut des § 214 Abs 4 BAO hinweg, der bei sonstigen Gutschriften auf deren Verwendung abstelle und daher - nach Ansicht der Beschwerdeführerin - sowohl die Verrechnung als auch die Überrechnung erfasse.

Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, daß eine Überrechnung (Übertragung eines Betrages von einem bei einem Finanzamt geführten Abgabenkonto auf ein Abgabenkonto eines anderen Finanzamtes) oder auch eine Umbuchung (Übertragung eines Betrages von einem bei einem Finanzamt geführten Abgabenkonto auf ein anderes Abgabenkonto desselben Finanzamtes) zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen nur unter der Voraussetzung des § 215 Abs 4 BAO beantragt werden kann. Diese Voraussetzung ist das Vorhandensein eines nicht nach § 215 Abs 1 bis 3 BAO zu verwendenden GutHABENS. Demgegenüber bezieht sich § 214 Abs 4 BAO lediglich auf GutSCHRIFTEN (Zahlungen und sonstige Gutschriften), wobei zwischen Guthaben und Gutschriften insofern zu unterscheiden ist, als ein Guthaben dann entsteht, wenn die Summe aller Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteigt. Schon daraus wird deutlich, daß ein Überrechnungs- (oder Umbuchungs-)antrag nicht als Verrechnungsweisung im Sinne des § 214 Abs 4 BAO verstanden werden kann und in weiterer Folge ein "irrtümlich nicht (oder irrtümlich verspätet) erteilter" Überrechnungsantrag einer Vorgangsweise nach § 221 a Abs 3 BAO nicht zugänglich ist. Im übrigen enthält § 214 BAO in seiner Gesamtheit ausschließlich Regeln betreffend die zusammengefaßte Verbuchung von Abgabenschuldigkeiten und Gutschriften (Zahlungen und sonstige Gutschriften) EINES Abgabepflichtigen auf EINEM Abgabenkonto. Es bezieht sich dementsprechend § 214 Abs 4 BAO auch nur auf Verrechnungsweisungen ein und desselben Abgabepflichtigen hinsichtlich eines bestimmten (für ihn eröffneten) Abgabenkontos. Verfügungen über Beträge, die antragsgemäß auf andere Abgabenkonten zu übertragen sind (sei es ein Konto desselben Abgabepflichtigen, sei es ein solches eines anderen Abgabepflichtigen), bezeichnet das Gesetz als Umbuchung (beim selben Finanzamt) oder Überrechnung (bei einem anderen Finanzamt).

Verfehlt ist aber auch die Ansicht der Beschwerdeführerin, wenn sie meint, daß § 211 Abs 1 lit g BAO die "Verrechnung" (richtig die Umbuchung) und Überrechnung von Guthaben gleichstelle, je nach dem, ob sie Abgabenschuldigkeiten desselben Abgabepflichtigen oder eines anderen Abgabepflichtigen betreffen. Gelten danach doch Abgaben bei Umbuchungen oder Überrechnungen von Guthaben eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten desselben Abgabepflichtigen am Tag der Entstehung der Guthaben, auf Abgabenschuldigkeiten eines anderen Abgabepflichtigen aber (erst) am Tag der nachweislichen Antragstellung, frühestens jedoch am Tag der Entstehung des Guthabens als entrichtet.

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Ansicht vertreten hat, daß bei der gegebenen Sachlage ein Anwendungsfall des § 221 a Abs 3 BAO nicht vorliegt.

2) Verspätungszuschlag:

Die Beschwerdeführerin vertritt hiezu die Ansicht, daß sie infolge Vereinbarung eines entsprechenden Überrechnungsantrages mit der Gemeinde alle "Voraussetzungen getroffen" habe, die nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen berechnete Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten (und dementsprechend gemäß § 21 Abs 1 UStG keine Abgabenerklärung abgeben zu müssen). Der Umstand, daß ein Teil der Abgabenschuldigkeiten auf Grund der - vereinbarungswidrig - nicht (rechtzeitig) beantragten Überrechnung durch die Gemeinde nicht entrichtet wurde, liege nicht in ihrem Einflußbereich.

Nun ist entschuldbar im Sinne des § 135 Abs 1 BAO eine Verspätung dann, wenn dem Abgabepflichtigen ein Verschulden nicht zugerechnet werden kann, dh, wenn er die Versäumung der Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Unter Fahrlässigkeit ist hier auch leichte Fahrlässigkeit zu verstehen (vgl das hg Erkenntnis vom 5. November 1981, 2974/80).

Die Verspätung der Umsatzsteuervoranmeldung war schon auf Grund folgender Überlegungen im Sinn des § 135 BAO nicht entschuldbar: Die Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldung entfällt gemäß § 21 Abs 1 UStG nur im Fall einer fristgerechten Entrichtung der sich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen errechnenden Vorauszahlung. Um von einer solchen Entrichtung sprechen zu können, muß dem Finanzamt die entsprechende Widmung der Zahlung im Sinn des § 214 Abs 4 BAO spätestens bis zum Fälligkeitstag mitgeteilt werden. Dies deshalb, weil dem Finanzamt sonst nicht bekannt sein kann, daß die betreffende Vorauszahlung entrichtet wurde. Gleiches gilt für den Fall der Überrechnung gemäß § 211 Abs 1 lit g BAO. Die Beschwerdeführerin hat nicht behauptet, Vorsorge getroffen zu haben, daß sie selbst oder die von ihr beauftragte Gemeinde eine solche Widmung der Überrechnung dem Finanzamt wie erwähnt mitteilt. Schon aus diesem Grund ist die Unterlassung der Umsatzsteuervoranmeldung vorwerfbar und verschuldet.

3) Nachsicht:

Hiezu führt die Beschwerdeführerin zunächst aus, die Gemeinde hätte die entsprechende Vorsteuer aus der von der Beschwerdeführerin gelegten Rechnung vom 25. November 1993 in die Voranmeldung 11/93 aufnehmen müssen. Da nun die Gemeinde die betreffende Vorsteuer erst im Voranmeldungszeitraum 12/93 geltend machte, hätte das für die Gemeinde zuständige Finanzamt sowohl die Umsatzsteuervoranmeldung 12/93 als auch korrespondierend die Umsatzsteuervoranmeldung 11/93 korrigieren müssen. Die sonstige Gutschrift hätte - bei gesetzmäßiger Vorgangsweise - also am Tag der Voranmeldung für den Zeitraum 11/93 bestehen müssen. Damit keine Säumnis in den Abgabenangelegenheiten der Beschwerdeführerin eintritt, hätte die Gemeinde nur den Überrechnungsantrag stellen müssen, was sie aber irrtümlich unterlassen habe.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung des Säumniszuschlages nicht aufzuzeigen. Feststeht, daß die sich für den Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum 11/93 ergebenden Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführerin am Tag ihrer Fälligkeit nicht entrichtet wurden bzw mangels rechtzeitigen Überrechnungsantrages auch nicht im Sinne des § 212 Abs 1 lit g BAO als entrichtet galten. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug führen, erachtet der Gesetzgeber im Anwendungsbereich des § 217 Abs 1 erster Satz BAO als unmaßgeblich (vgl etwa das eine ebenfalls nicht gewährte Nachsicht von Säumniszuschlägen betreffende hg Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, 91/15/0017). Daß - bei gesetzmäßiger Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldungen der Gemeinde durch das für diese zuständige Finanzamt - auf dem Abgabenkonto der Gemeinde am Fälligkeitstag der Umsatzsteuervorauszahlung der Beschwerdeführerin für 11/93 eine Gutschrift oder auch ein Guthaben im Sinne des § 215 Abs 4 BAO entstanden wäre, hat aber nichts damit zu tun, ob die Einhebung des gegenüber der Beschwerdeführerin festgesetzten Säumniszuschlages für diese billig oder unbillig ist, weil es sich jedenfalls um ein anderes Abgabenkonto (eines anderen Abgabepflichtigen) handelt (vgl das hg Erkenntnis vom 12. April 1983, 82/14/0238).

Der Gerichtshof teilt die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß der gegenständliche Fall den § 221 a Abs 3 BAO unterliegenden Fällen vergleichbar sei, wegen der erheblichen Unterschiede zwischen Verrechnungsweisung und Überrechnungsantrag, zumal zwischen verschiedenen Abgabepflichtigen, nicht. Hinzu kommt, daß im Beschwerdefall eine eine sachliche Unbilligkeit begründende Härte deswegen nicht vorliegt, weil das vereinbarungswidrige Verhalten der Gemeinde, auf welches die Beschwerdeführerin die sachliche Unbilligkeit gründet, dann, wenn es zutrifft, für die Beschwerdeführerin einen Schadenersatzanspruch gegenüber ihrem Vertragspartner begründet.

Da sich die Beschwerde daher insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

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