VwGH 94/09/0114

VwGH94/09/011415.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des E in B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg (Kammer 3) vom 8. März 1994, Zl. 1-0065/94/K3, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
VStG §51b;
VStG §51c;
VwRallg;
AVG §1;
VStG §51b;
VStG §51c;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens erließ die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (BH) als Strafbehörder erster Instanz auf Grund einer Anzeige des Landesarbeitsamtes Vorarlberg und nach Anhörung des Beschwerdeführers ein mit 29. Oktober 1993 datiertes Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Gegen Sie, Herr E wird folgendes Straferkenntnis erlassen:

1. Sie haben als Arbeitgeber im Cafe N in B, die Ausländerin M am 13.07.1993 um 12.25 Uhr beschäftigt, obwohl hiefür weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt wurde.

2. Ferner haben Sie als Arbeitgeber im Cafe N in B, die Ausländerin A in der Zeit vom 25.1.1993 bis zum 13.7.1993 beschäftigt, obwohl hiefür weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt wurde.

Dadurch übertretene Verwaltungsvorschriften, verhängte Strafen und entstandene Verfahrenskosten:

1. Übertretung gemäß §§ 28/1 Z. 1 lit. a + 3 Ausländerbeschäftigungsges.

Geldstrafe gemäß

§ 28 Abs. 1 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz 3.500,00 S

Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage

Verfahrenskosten gemäß § 64(2) des Verwaltungs-

strafgesetzes (10 % der verhängten Strafe) 350,00 S

2. Übertretung gemäß

§§ 28/1 Z. 1 lit. a + 3 Ausländerbeschäftigungsges.

Geldstrafe gemäß

§ 28 Abs. 1 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz 3.500,00 S

Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage

Verfahrenskosten gemäß § 64(2) des Verwaltungs-

strafgesetzes (10 % der verhängten Strafe) 350,00 S

------------------

Gesamtbetrag 7.700,00 S

Sind diese Geldstrafen uneinbringlich, so treten an ihre Stelle die Ersatzfreiheitsstrafen."

Auf Grund der dagegen vom Landesarbeitsamt Vorarlberg erhobenen Berufung, die sich ausschließlich gegen die Höhe der verhängten Geldstrafen richtete, erließ die BH zunächst eine mit 11. Jänner 1994 datierte Berufungsvorentscheidung, mit welcher sie das Straferkenntnis vom 29. Oktober 1993 insofern gemäß § 51b VStG abänderte, als die verhängten Geldstrafen auf je S 35.000,-- heraufgesetzt und die Kostenbeiträge entsprechend erhöht wurden. In der Begründung dieses Bescheides wies die BH darauf hin, daß ihr bei Erlassung des Straferkenntnisses insofern ein Schreibfehler unterlaufen sei, als fälschlicherweise Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 3.500,-- anstatt richtigerweise S 35.000,-- ausgewiesen worden seien. Aus diesem Grund komme der Berufung des Landesarbeitsamtes Berechtigung zu.

Nachdem der Beschwerdeführer gegen diese Berufungsvorentscheidung innerhalb offener Frist eine "Berufung" (gemeint wohl: einen Vorlageantrag) eingebracht hatte, erließ die belangte Behörde den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. März 1994, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg hat durch seine Kammer 3 mit den Mitgliedern Dr. Röser, Dr. Böhler und Dr. Seyfried über die Berufung des Landesarbeitsamtes Vorarlberg gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 29.10.1993, Zl. X-19210-1993, zu Recht erkannt:

Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen hinsichtlich Spruchpunkt 1. auf 25.000 S, im Uneinbringlichkeitsfall 8 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und hinsichtlich Spruchpunkt 2. auf 35.000 S, im Uneinbringlichkeitsfall 10 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, festgesetzt werden."

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des bereits vorher wiedergegebenen Verfahrensablaufes im wesentlichen aus, die Berufungsvorentscheidung sei dadurch, daß der Beschwerdeführer dagegen "Berufung" eingebracht habe, außer Kraft getreten; die belangte Behörde habe somit im vorliegenden Fall ausschließlich über die Berufung des Landesarbeitsamtes Vorarlberg gegen das Straferkenntnis vom 29. Oktober 1993 zu entscheiden. In der Berufung des Landesarbeitsamtes Vorarlberg werde nur das Strafausmaß bekämpft. Die belangte Behörde habe daher von dem in erster Instanz zur Schuldfrage festgestellten Sachverhalt auszugehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1990, Zl. 89/09/0137); der Schuldspruch sei in Rechtskraft erwachsen.

Nach Wiedergabe des § 19 VStG und des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG führte die belangte Behörde weiters aus, durch die übertretene Strafnorm sollten arbeitsmarkpolitische Interessen geschützt werden; es solle insbesondere die Beschäftigung von Ausländern nur dann bewilligt werden, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung von Ausländern zulasse und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstünden. Diesem Schutzzweck habe der Beschwerdeführer durch sein Verhalten in nicht unerheblichem Maße zuwidergehandelt. Erschwerend sei, daß als Verschulden Vorsatz anzunehmen sei. Als weiterer Erschwerungsgrund seien vier einschlägige Vorstrafen zu werten gewesen. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse ergebe sich aus dem Akt, daß der Beschwerdeführer als Gastwirt ein monatlichen Nettoeinkommen in der Höhe von S 20.700,-- beziehe. Laut Schreiben der R Treuhand OHG vom 13. Oktober 1993 hafte der Beschwerdeführer (gemeinsam mit seinem Sohn) persönlich unbeschränkt für Betriebsverbindlichkeiten in der Höhe von ca. 64,5 Mio S. Diesen Verbindlichkeiten stünden Aktiva in der Höhe von ca. 37,5 Mio S gegenüber. Der Beschwerdeführer sei Eigentümer eines Eigenheimes, welches mit Hypotheken belastet sei. Die privaten Verbindlichkeiten hätten Ende 1992 ca. 3 bis 4 Mio S betragen. Die monatlichen Rückzahlungsraten für diese Kredite würden ca. S 23.000,-- betragen. Die Strafe zu Spruchpunkt 2. sei im Hinblick auf den längeren Tatzeitraum höher anzusetzen gewesen als die Strafe zu Spruchpunkt 1. Unter Würdigung des vorgetragenen Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers erachte die belangte Behörde die nunmehr festgesetzten Strafen schuld-, tat-, vermögens- und einkommensangemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen "Verfahrensmängel" erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf angemessene Bestrafung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51b VStG kann die Behörde, die die Strafe verhängt hat, auf Grund der Berufung und allfälliger weiterer Ermittlungen das von ihr erlassene Erkenntnis aufheben oder, jedoch nicht zum Nachteil des Bestraften, wenn nur dieser Berufung erhoben hat, abändern (Berufungsvorentscheidung). Wenn binnen zwei Monaten nach Einlangen der Berufung eine Berufungsvorentscheidung erlassen worden ist, dann ist die Berufung dem unabhängigen Verwaltungssenat nur vorzulegen, wenn eine Partei dies binnen zwei Wochen ab der Zustellung der Berufungsvorentscheidung verlangt; mit dem Einlangen dieses Begehrens bei der Behörde tritt die Berufungsvorentscheidung außer Kraft.

Gemäß § 51c VStG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Im Beschwerdefall sind im erstinstanzlichen Straferkenntnis über den Beschwerdeführer wegen zweier Verwaltungsübertretungen nach dem AuslBG zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 3.500,-- verhängt worden. Auf Grund der dagegen vom Landesarbeitsamt Vorarlberg erhobenen Berufung hat die BH zunächst gemäß § 51b VStG eine Berufungsvorentscheidung erlassen, mit welcher sie die Höhe der verhängten Geldstrafen auf je S 35.000,-- "berichtigte". Der Beschwerdeführer hat gegen diese Berufungsvorentscheidung rechtzeitig einen - von ihm als "Berufung" bezeichneten - Vorlageantrag eingebracht. Aus dem Wortlaut des § 51b VStG ergibt sich, daß der Vorlageantrag nicht eine selbständige Anfechtung der Berufungsvorentscheidung ermöglicht, sondern lediglich dazu führt, daß die ursprünglich eingebrachte Berufung nunmehr doch dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Erledigung zuzuleiten ist. Dieser hat sodann nicht etwa über den Vorlageantrag zu entscheiden, sondern die ursprünglich eingebrachte Berufung zu erledigen (vgl. THIENEL, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, S. 267).

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg als Verwaltungsstrafbehörde zweiter Instanz über die Berufung des Landesarbeitsamtes Vorarlberg gegen das STRAFERKENNTNIS DER BH VOM 29. OKTOBER 1993 zu entscheiden hatte. Da in diesem Straferkenntnis über den Beschwerdeführer - wegen zweier Verwaltungsübertretungen nach dem AuslBG - aber jeweils nur eine Geldstrafe von S 3.500,-- verhängt und somit die im § 51c VStG festgesetzte Grenze von S 10.000,-- nicht überschritten worden ist, wäre zur Entscheidung über die Berufung des Landesarbeitsamtes Vorarlberg ein Einzelmitglied und nicht die Kammer 3 des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg zuständig gewesen. Die dadurch gegebene Unzuständigkeit ist vom Verwaltungsgerichtshof auch dann, wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden ist, von Amts wegen aufzugreifen (vgl. dazu § 41 Abs. 1 VwGG sowie Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 581 und die dort zitierte Judikatur). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Aufwandersatz war wegen fehlender Antragstellung gemäß § 59 Abs. 1 VwGG nicht zuzuerkennen.

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