VwGH 94/08/0251

VwGH94/08/025122.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über den Antrag des K in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Oktober 1993, Zl. MA 15-II-K 10/93, betreffend Beitragsgrundlagen zur Pensionsversicherung nach dem GSVG, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wird stattgegeben.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 3. November 1994 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Begründet wurde dieser Antrag im wesentlichen damit, daß der Kanzleileiterin der Beschwerdevertreterin im Zuge eine Verbesserungsverfahrens der Auftrag erteilt worden sei, eine weitere (dritte) Ausfertigung der ursprünglichen (an den Verfassungsgerichtshof gerichteten) Beschwerde für den Bundesminister für Arbeit und Soziales herzustellen. Die Kanzleileiterin habe auch eine entsprechende Fotokopie hergestellt, bei der Abfertigung der Post sei jedoch versehentlich die Fotokopie der Beschwerde nicht beigelegt worden. Der Kanzleileiterin, die eine außerordentlich gewissenhafte Kraft sei, sei ein derartiges Versehen überhaupt noch nie passiert. Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers sei erst mit Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1994, Zl. 94/08/0102, der Irrtum der Kanzleileiterin bekannt geworden.

Als Beweis wurde eine "eidesstättige Erklärung" der Kanzleileiterin vorgelegt, in der diese im wesentlichen erklärte, aufgrund eines Irrtums die Fotokopie der ursprünglichen Beschwerde bei Abfertigung der Post nicht beigelegt zu haben.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 564/1985 ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Vertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr bevollmächtigter Vertreter der ihm zumutbaren Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist, dem Vertreter selbst an der Versäumung keinerlei Verschulden, insbesondere auch nicht in Form der "culpa in custodiendo", trifft. Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schrifststücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Im übrigen trifft ihn aber an Irrtümern seiner Angestellten bei Vernachlässigung der ihm zumutbaren Überwachungspflicht ein Verschulden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 1989, Zl. 89/04/0049).

Im gegenständlichen Fall ist es zur Versäumung der Mängelbehebungsfrist aufgrund des oben beschriebenen Versehens einer Angestellten gekommen. Von dieser wurde die dritte Ausfertigung der ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - weisungswidrig - dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt. Dieses Versehen ist im Zuge der Abfertigung unterlaufen. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen (vgl.z.B. den Beschluß vom 3. Juli 1990, Zl. 90/08/0075).

Da dem Antragsteller und seiner bevollmächtigten Vertreterin ein Verschulden an der Versäumung der Frist somit nicht vorgeworfen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

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