VwGH 94/06/0056

VwGH94/06/005614.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des V und der W in X, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 25. Jänner 1994, Zl. I-5/3/Nü/94, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. L, 2. D, beide in T, 3. Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §2 lith;
BauG Vlbg 1972 §2 liti idF 1983/047;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litc idF 1983/047;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litc;
BauG Vlbg 1972 §5;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs3;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs8;
BauG Vlbg 1972 §9 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §2 lith;
BauG Vlbg 1972 §2 liti idF 1983/047;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litc idF 1983/047;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litc;
BauG Vlbg 1972 §5;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs3;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs8;
BauG Vlbg 1972 §9 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Beschwerdevorbringen in Verbindung mit dem in Ablichtung vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Eingaben vom 22. Juni 1992 und 6. Oktober 1992 (Planabweichungsantrag) haben die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses und zur Errichtung einer Einfriedungs- bzw. Stützmauer u.a. entlang der südlichen Grundstücksgrenze in einer Länge von 20 m und einer Höhe von 1,20 m beantragt. Die Beschwerdeführer haben dagegen eingewendet, daß die geplante Stützmauer im vorgesehenen Ausmaß nicht bewilligungsfähig sei. Das Grundstück der Beschwerdeführer falle nämlich unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Bauwerber über eine Strecke von 2,80 m relativ steil ab und liege im Bereich des Hauses der Beschwerdeführer ca. 1,50 m unterhalb der Grenzlinie bzw. dem Fußpunkt der beantragten Stützmauer. Aus der Perspektive der Beschwerdeführer beschränke sich die Höhe der Stützmauer deshalb nicht auf die angegebenen 1,20 m, sondern stelle sich als zusätzliche Erhöhung der Böschung im Ausmaß von nahezu 3 m dar.

Mit Bescheid vom 20. April 1993 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Erst- und Zweitmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung, die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der Beschwerdeführer hat die Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 4. Oktober 1993 abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 25. Jänner 1994 keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Zusammengefaßt bringen die Beschwerdeführer vor, die bewilligte Stützmauer sei keine "sonstige Wand" im Sinne des § 6 Abs. 8 des Vorarlberger Baugesetzes; überdies sei die Höhe der Stützmauer unrichtig bemessen, da die Höhe der Mauer nicht nur anhand des unmittelbar anstoßenden Geländes, sondern - hier stellen die Beschwerdeführer vier aus ihrer Sicht gegebene rechtliche Möglichkeiten dar - entweder vom verglichenen Niveau des Nachbargrundstückes aus, oder von einer bestimmten Tiefe des Nachbargrundstückes aus gesehen, oder unter Berücksichtigung eines bestimmten Böschungswinkels ausgehend vom Nachbargrundstück oder ausgehend vom verglichenen Niveau in einer Entfernung von 3 m dies- und jenseits der Grundgrenze zu ermitteln sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Einhaltung von Abstandsflächen im Sinne des § 6 des Vorarlberger Baugesetzes, der richtigen Berechnung der Höhe der Mauer und in ihrem Recht auf Versagung der Bewilligung des Bauvorhabens verletzt.

Gemäß § 2 lit. i des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der Fassung LGBl. Nr. 47/1983, ist Nachbar der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, daß mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes oder dessen vorgesehener Benützung, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes einen Schutz gewähren, zu rechnen ist. Die subjektiv-öffentlichen Rechte, die das Baugesetz den Nachbarn einräumt, sind im § 30 des Baugesetzes taxativ aufgezählt. Im Beschwerdefall kommen hier folgende Bestimmungen in Betracht:

"§ 30

Einwendungen der Parteien, Übereinkommen

(1) Über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, ist in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:

...

b) § 6, insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft, Lärm, betrifft;

c) § 9 Abs. 1 hinsichtlich von Einfriedungen an der Grenze eines Nachbargrundstückes;

..."

Aus den im § 30 Abs. 1 BauG eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechten kommen sachverhaltsbezogen nur die Bestimmungen des § 30 Abs. 1 lit. b hinsichtlich der Belichtung sowie lit. c in Betracht. Gemäß § 6 Abs. 8 BauG hat bei oberirdischen Bauwerken, ausgenommen Gebäude und Einfriedungen oder sonstige Wände bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück, der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m zu betragen, falls nicht der Nachbar einem geringeren Abstand zustimmt.

Zunächst wenden sich die Beschwerdeführer dagegen, die Stützmauer als "sonstige Wände" im Sinne des § 6 Abs. 8 BauG zu qualifizieren. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 92/06/0081, ausgeführt, daß unter dem Begriff "sonstige Wände" auch Stützmauern zu verstehen seien. Der Argumentation der Beschwerdeführer, vom Begriff "sonstige Wände" im § 6 Abs. 8 könnten Stützmauern nicht umfaßt sein, weil sie gesondert im § 6 Abs. 3 genannt seien und der Gesetzgeber im § 6 Abs. 3 letzter Satz BauG die Stützmauern nicht durch ausdrückliche Benennung hervorgehoben hätte, sondern auch alle übrigen Einfriedungen zu nennen bzw. einen Verweis auf die "sonstigen Wände" vorzunehmen gehabt hätte, ist entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber ja gerade durch die Anführung von "u.dgl." im letzten Satz des § 6 Abs. 3 BauG einen Verweis auch auf andere bauliche Anlagen, die geeignet sind, den Lichteinfall zu beeinträchtigen, vorgenommen hat. Überdies verkennen die Beschwerdeführer, daß mit § 6 Abs. 3 BauG eine GEBÄUDE betreffende Abstandsbestimmung getroffen wurde, die lediglich zum Ausdruck bringt, was innerhalb der Abstandsflächen (von Gebäuden) nicht errichtet werden darf. Das Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, die im Erkenntnis vom 21. Mai 1992 geäußerte Rechtsansicht des Gerichtshofes, wonach Stützmauern unter dem Begriff der "sonstigen Wände" des § 6 Abs. 8 des Baugesetzes zu subsumieren seien, zu erschüttern.

Aus der Zusammenschau der § 30 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 9 Abs. 1 und § 2 lit. i des Baugesetzes ist zu folgern, daß hinsichtlich einer Einfriedung an der Grenze des Nachbargrundstückes dem Anrainer nur insoweit ein Mitspracherecht zusteht, als die Einfriedung das Nachbargrundstück um mehr als 1,80 m überragt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Zl. 88/06/0232, BauSlg. Nr. 1.074). Es ist den Beschwerdeführern darin zu folgen, daß sowohl § 6 Abs. 8 als auch § 9 Abs. 1 BauG bei der Bemessung der Höhe auf das Nachbargrundstück abstellen, was sich schon aus der Formulierung "über dem Nachbargrundstück" im § 6 Abs. 8 sowie "Einfriedungen an der Grenze des Nachbargrundstückes dürfen dieses .... nicht um mehr als 1,80 m überragen (§ 9 Abs. 1) ergibt. Die Ansicht der Beschwerdeführer, es sei dabei nicht das unmittelbar anschließende Gebäude als Ausgangsbasis heranzuziehen, findet aber in der anzuwendenden Rechtslage keine Deckung. Die Ansicht der Beschwerdeführer würde überdies dazu führen, daß ein aus der Sicht eines Anrainers jeweils weiter oben gelegenes Grundstück praktisch gar nicht bebaut werden könnte. Aus der Formulierung im § 9 Abs. 1 BauG ist lediglich zu schließen, daß das Nachbargrundstück AN SEINER GRENZE nicht um mehr als 1,80 m überragt werden darf. Hätte der Gesetzgeber eine anderslautende Regelung treffen wollen, hätte er Formulierungen wie "verglichenes Gelände" oder "arithmetisches Mittel" des umliegenden Geländes verwenden müssen. Dies hat er nicht getan, sodaß für die von den Beschwerdeführern gewünschte Auslegung jede Rechtsgrundlage fehlt.

Einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in diesem Sinne würde es schon deshalb bedürfen, weil die Auffassung der Beschwerdeführer darauf hinausliefe, daß die besondere Beschaffenheit IHRES Grundstückes (nämlich: von der Grundgrenze abfallend) zu einer Beschränkung der Bebaubarkeit des Grundstückes der erst- und zweitmitbeteiligten Partei führen würde, die sonst nicht bestünde. Die Behörde könnte eine solche gesetzliche Beschränkung nur durch Festlegung der Höhenlage (d.i. gemäß § 2 lit. h BauG die auf einen Höhenpunkt der Landesvermessung oder einen sonst geeigneten Fixpunkt bezogene Höhe eines Punktes der Gebäudeoberfläche oder eines Bauwerkes) bewirken, (vgl. § 5 BauG), worauf aber ein Rechtsanspruch des Nachbarn nicht besteht.

Die an der Nachbargrundgrenze zu errichtende Stützmauer mit einer Höhe von 1,20 m verletzt daher weder die Abstands- noch die Höhenbestimmung. Im Ergebnis ist daher die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführer durch die Bewilligung der Stützmauer in ihren Rechten nicht verletzt wurden.

Da somit schon die Beschwerde im Zusammenhalt mit dem angefochtenen Bescheid erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

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