VwGH 94/03/0105

VwGH94/03/010519.10.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der H in X, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Y, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. März 1994, Zl. Agrar11-219/1/94, betreffend Vorschreibung von Waldschutzmaßnahmen, zu Recht erkannt:

Normen

JagdG Krnt 1978 §71;
JagdG Krnt 1978 §71;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Punkt I.2. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. März 1994 wurden der Beschwerdeführerin als Jagdausübungsberechtiger der Eigenjagd "M" auf Grund der bestandsgefährdenden Wildschäden im Bereich des Eigenjagdgebietes "M" gemäß § 71 des Kärntner Jagdgesetzes 1978, LGBl. Nr. 76 (im folgenden kurz: JG), folgende Auflagen erteilt:

"I.2. Auf der gesamten Parzelle Nr. 344, KG S, sind mindestens

400 Stämme pro ha in entsprechender Verteilung mit Schälschutzwickeln zu schützen."

"III.1. Die Rotwildfütterungen, insbesondere die Rotwildfütterungen 5 und 6 (Eigenjagd 'M'), dürfen ab sofort nur noch ausschließlich mit Rauhfutter beschickt werden.

  1. 2. Die Rehwildfütterungen sind rotwildsicher einzuzäunen".

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen die Verpflichtung zur Anbringung von Schälschutzwickeln, richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 2 JG hat, wenn eine Gefährdung des Waldes durch Wild (Abs. 3) vorliegt, die Bezirksverwaltungsbehörde den Jagdausübungsberechtigten von Jagdgebieten, die zum Einzugsbereich des den Wildschaden hauptsächlich verursachenden Wildes gehören, die erforderlichen Maßnahmen (Abs. 4) vorzuschreiben. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der anzuwendenden Mittel zu wahren, insbesondere das jeweils gelindeste zielführende Mittel zu wählen und darauf Bedacht zu nehmen, daß die widmungsgemäße Bewirtschaftung und Benützung der Grundstücke nicht unmöglich gemacht wird.

Der Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat folgenden Wortlaut:

"Eine Gefährdung des Waldes im Sinne des Abs. 2 liegt vor, wenn die Einwirkungen des Wildes durch Verbiß, Verfegen oder Schälen

a) in den Beständen ausgedehnte Blößen verursachen oder auf größerer Fläche die gesunde Bestandesentwicklung unmöglich machen oder wesentlich verschlechtern oder eine standortgemäße Baumartenmischung (Abs. 3a) gefährden;

b) die Aufforstung oder Naturverjüngung auf aufforstungsbedürftigen Flächen innerhalb der aus den forstrechtlichen Bestimmungen sich ergebenden Fristen oder die Aufforstung bei Neubewaldungen innerhalb einer nach den standortlichen Gegebenenheiten angemessenen Frist gefährden;

c) Naturverjüngungen in Naturverjüngungsbeständen nicht aufkommen lassen."

Abs. 4 leg. cit. lautet:

"Als Schutzmaßnahmen im Sinne des Abs. 2 kommen in Betracht:

a) die Austreibung des zu Schaden gehenden Wildes aus dem Schadensgebiet;

  1. b) die Maßnahmen nach § 72 und § 68 Abs. 2;
  2. c) Maßnahmen der Äsungsverbesserung und Reviergestaltung

    nach § 3 Abs. 3, Maßnahmen nach § 61 Abs. 1, 2, 4a und 7;

    d) technische Maßnahmen zum Schutz von Waldflächen oder Einzelpflanzungen vor Wildeinwirkungen, wie die Anbringung eines geeigneten Verbiß- oder Schälschutzes oder die Errichtung von Wildzäunen u.ä."

Die belangte Behörde stützte die in Rede stehende Vorschreibung der Anbringung von Schälschutzwickeln auf das Gutachten eines forstlichen Sachverständigen, welcher zur Schälschadenssituation ausgeführt habe, es sei zur aktuellen Schälschadenssituation im Eigenjagdgebiet M (133 ha) eine Schälschadensfläche erhoben und mit den Ergebnissen der Schälschadenserhebung derselben Fläche in den Jahren 1992 und 1990 verglichen worden. Die Probefläche sei für einen Bestand von ca. 0,5 ha repräsentativ. Bei einer Überprüfung im Jahr 1993 seien keine neuen Schälschäden festgestellt worden. Zur Beurteilung der Schälschadensbelastung im gegenständlichen Gebiet seien auch die im Jahre 1992 und 1990 festgestellten Schäden zu berücksichtigen. Dabei habe sich ergeben, daß in den Jahren 1993 und 1992 auf der Probefläche keine Schälschäden festgestellt worden seien, während im Jahr 1990 87 % der Stämme auf dieser Probefläche geschält worden seien. 1992 seien allerdings vereinzelt neue Schälschäden im gesamten Bestand festgestellt worden, jedoch nicht auf der Probefläche (dort seien von den 21 vorhandenen Stämmen bereits 18 geschält gewesen). Der Sachverständige habe weiter ausgeführt, auf Grund der starken Vorschädigung des Bestandes durch Schälung auf der Parzelle Nr. 344, KG S, und der vereinzelt auftretenden neuen Schälschäden in den übrigen vorgeschädigten Beständen auf dieser Parzelle, insbesondere nördlich der Probefläche, seien weniger als 6/10 der Grundfläche mit gesunden Bäumen überschirmt. Damit sei der Tatbestand der flächenhaften Gefährdung des Bewuchses für den 0,5 ha großen Bestand auf Parzelle Nr. 344, KG S, durch Schälung jedenfalls gegeben. Um wenigstens einen gesunden Restbestand in das hiebsreife Alter zu überführen, sei es daher erforderlich, auf der gesamten Parzelle Nr. 344, KG S, mindestens 400 Stämme pro ha in entsprechender Verteilung mit Schälschutzwickeln zu schützen.

Auf Grund dieser Sachlage folgerte die belangte Behörde, es liege eine flächenhafte Gefährdung des Bewuchses durch starke Schälung im verfahrensgegenständlichen Bereich vor, sodaß gemäß § 71 Abs. 4 lit. b JG entsprechende Schutzmaßnahmen notwendig seien. Die vorgeschriebenen Maßnahmen seien zum Schutz des Waldes bzw. zur Beseitigung der Gefährdung des Waldes durch Wild durchaus zielführend und sie entsprächen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie führe den in Rede stehenden Betrieb als Frau, könne an der Notwendigkeit der vorgeschriebenen Maßnahmen nichts ändern. Das Anbringen von Schälschutzwickeln sei das gelindeste zielführende Mittel gemäß § 71 Abs. 2 JG, da nur damit das Erreichen eines gesunden Endbestandes von zumindest 400 Stämmen gewährleistet werden könne. Andere Schutzmaßnahmen, wie ein Austreiben des Wildes oder andere im Jagdgesetz angeführte Maßnahmen, könnten einen effizienten Schutz der Bäume nicht permanent sicherstellen und trügen die Gefahr weiterer Schälschäden in sich, die sich im Laufe der Jahre summieren und schließlich dazu führen könnten, daß die für eine gesunde Bestandesentwicklung erforderliche Mindeststammzahl an ungeschälten Bäumen nicht mehr vorhanden sei.

Mit Recht bekämpft die Beschwerdeführerin die auf das Gutachten des forstlichen Sachverständigen gestützte Annahme, die in Rede stehende Vorschreibung sei zum Schutz des Waldes vor weiteren Schälschäden erforderlich, als unschlüssig. Aus dem vom Sachverständigen erhobenen Befund ergibt sich nämlich, daß sich seit dem Jahr 1990 die Schälschadenssituation im fraglichen Waldbereich so weit verändert hat, daß nunmehr, im Jahr 1993, nicht nur auf der Probefläche, sondern auf der gesamten in Rede stehenden Parzelle keine Schälschäden mehr festgestellt wurden. Bei diesem Befund ist für den Verwaltungsgerichtshof - ohne nähere Begründung durch den Sachverständigen - nicht schlüssig nachvollziehbar, warum es dennoch zur Vermeidung weiterer Schälschäden der im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Vorkehrungen bedarf. Dadurch, daß die belangte Behörde dieses Sachverständigengutachten ihrer Entscheidung zugrunde legte, ohne für eine Aufklärung dieser dem Gutachten anhaftenden Unschlüssigkeit zu sorgen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat es aber auch unterlassen, in der Begründung des angefochtenen Bescheides jene Erwägungen darzulegen und insbesondere die hiefür erforderlichen Sachverhaltsgrundlagen darzustellen, auf Grund derer sie zu dem Ergebnis kam, die in Rede stehenden Maßnahmen entsprächen "durchaus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit".

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren für Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes abzuweisen. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war und es einer Vorlage von Abschriften aus den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht bedurfte.

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