VwGH 94/01/0256

VwGH94/01/025630.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des S in E, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Februar 1994, Zl. 4.337.193/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §25 Abs1;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AsylG 1991 §27;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §25 Abs1;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AsylG 1991 §27;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde, der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und der Berufung ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "jugoslawischen Föderation" und Angehöriger der albanischen Volksgruppe im Kosovo, ist am 15. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist und beantragte am 16. April 1992, ihm Asyl zu gewähren. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland hat mit Bescheid vom 18. Mai 1992 festgestellt, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vorliegen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen; Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Aus den Beschwerdeausführungen ergibt sich, daß sich der Beschwerdeführer im Recht auf Gewährung von Asyl verletzt erachtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei. Ihrer dafür gegebenen Begründung, daß das gegenständliche Asylverfahren "an bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war", kann zwar aufgrund der Auslegung des § 25 Abs. 1 und Abs. 2, jeweils erster Satz, Asylgesetz 1991 nicht beigepflichtet werden; doch kommt im vorliegenden Beschwerdefall, in dem der erstinstanzliche Bescheid - wie sich aus der Berufung ergibt - am 21. Mai 1992 zugestellt wurde und die Berufung am 2. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres eingelangt ist, weshalb das Verfahren am 1. Juni 1992 nicht mehr in der ersten Instanz, aber auch noch nicht beim Bundesminister für Inneres anhängig war, die allgemeine Schlußbestimmung des § 27 Asylgesetz 1991 zum Tragen, wonach dieses Bundesgesetz mit 1. Juni 1992 in Kraft tritt und gleichzeitig das Asylgesetz (1968) außer Kraft tritt (vgl. hg. das Erkenntnis vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0474).

Die belangte Behörde ist zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. herangezogen hat. Nach dieser Gesetzesstelle wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war.

Die belangte Behörde ging auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 22. April 1992 davon aus, daß er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Kroatien und Slowenien aufgehalten habe, dort keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und nicht habe befürchten müssen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in sein Heimatland abgeschoben zu werden. Kroatien und Slowenien seien seit dem 8. Oktober 1991 bzw. dem 27. September 1991 Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention und es spreche nichts dafür, daß diese Staaten die aus dieser Mitgliedschaft sich ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot vernachlässigen würden. Biete ein Zufluchtsstaat von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz (wie dies im Falle Kroatiens und Sloweniens der Fall sei), so sei Sicherheit im Augenblick des Betretens dieses Staates als gegeben anzunehmen und könne die einmal erlangte Verfolgungssicherheit durch Verstreichen von Zeit nicht wachsen. Es sei vielmehr durchaus legitim, davon auszugehen, daß in einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv sei, größere Teilbereich dieses Rechtsbestandes, so auch das Nonrefoulmentrecht ebenfalls effektiv in Geltung stehe. Der Beschwerdeführer habe nicht darzutun vermocht, daß er keinen Rückschiebeschutz genossen habe.

Der Beschwerdeführer vermag dieser Argumentation weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Entscheidendes entgegenzusetzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Verfolgungssicherheit" gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256 und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) kommt es nicht darauf an, wie lange sich der Asylwerber in einem sicheren Drittstaat aufgehalten, welche Absichten er dabei verfolgt hat und ob der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von diesen geduldet wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob der Asylwerber unter Bedachtnahme auf das dem § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 zugrundeliegende Sicherheitsbedürfnis seinen "Fluchtweg" schon vor seiner Einreise hätte abbrechen können, was auch dann der Fall ist, wenn die "Verweildauer" im Drittland nur kurz bemessen war. Auch die in den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung (vgl. RV 270 BlgNR 18.GP) angeführten Ziele, es sollen unerwünschtes Zweitasyl und nomadisierende Flüchtlingsströme verhindert werden, haben im Asylgesetz 1991 keinen Niederschlag gefunden und führen zu keiner anderen Auslegung (vgl. das näher dazu das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 93/01/0357). Sofern der Beschwerdeführer einwendet, daß einem bloßen Transit keine Aufenthaltsqualifikation beigemessen werden könne, auch das Fremdengesetz zwischen Aufenthalt und Transit unterscheide und nur so "ein auch von Steiner (Asylrecht1 17) kritisierter Widerspruch zwischen dem AsylG 1991 und der Flüchtlingskonvention weitgehend vermieden" werden könne, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0402, verwiesen. Verfolgungssicherheit ist daher auch nicht erst anzunehmen, wenn dem Asylwerber bereits Asyl in dem anderen Drittstaat gewährt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/1177). Von Bedeutung ist vielmehr, ob in dem in Frage stehenden Drittstaat die Einleitung eines Verfahrens möglich ist, in dem die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Konvention geprüft wird. Für die Annahme der Verfolgungssicherheit genügt es, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte.

Daß Slowenien, das mit Wirkung vom 25. Juni 1991 ohne jede Einschränkung erklärt hat (BGBl. Nr. 806 und 807/1993), sich auch weiterhin an die Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, gebunden zu erachten, die sich daraus ergebenden Verpflichtungen nicht einhalte und der Beschwerdeführer in Slowenien der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und keinen wirksamen Schutz vor Abschiebung in seinem Heimatstaat gehabt hätte, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Es kann daher der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie für den Beschwerdeführer in Slowenien Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. April 1994, Zlen. 94/01/0333, 0334) angenommen hat.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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