VwGH 93/18/0513

VwGH93/18/051313.1.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Juni 1993, Zl. SD 298/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Juni 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen liberianischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer nach seiner Landung auf dem Flughafen Wien-Schwechat am 5. November 1992 bei der Grenzkontrollstelle einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes mit einer Gültigkeitsdauer bis 20. November 1992 gestellt und dazu angegeben habe, zu einem (namentlich genannten) Unternehmen in Stockerau zum Zweck geschäftlicher Besprechungen zu reisen. Zum Beleg hiefür habe er die Kopie eines Telex eines nigerianischen Unternehmens vorgelegt, wonach er anstelle des erkrankten technischen Direktors die Geschäftsreise zu machen gehabt habe. Nach Erteilung des beantragten Sichtvermerkes habe er in Wien Unterkunft genommen; er habe sich aber nicht zu dem besagten österreichischen Unternehmen begeben und mit diesem auch in der Folge nicht Kontakt aufgenommen. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes, am 2. Dezember 1992, habe er sodann unter Vorlage eines Sparbuches und einer Kursbestätigung der Sprachschule Berlitz neuerlich die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt.

Die belangte Behörde sei gleich der Erstbehörde zu der Überzeugung gelangt, daß der Beschwerdeführer bereits bei Stellung des (ersten) Sichtvermerksantrages nicht die Absicht gehabt habe, geschäftliche Verhandlungen mit dem genannten Unternehmen zu führen - in einem solchen Fall hätte er wohl am nächsten Arbeitstag nach der Einreise Kontakt mit dem Unternehmen aufgenommen - und innerhalb von zwei Wochen Österreich wieder zu verlassen. Bei der späteren Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei aufgrund der Geschäftseinladung nach Österreich gekommen und habe es sich dann anders überlegt und einen Deutschkurs belegt, handle es sich um eine reine Schutzbehauptung; dieser Vorwurf sei im übrigen in der Berufung unbestritten geblieben. Bei dieser Beweislage habe es sich erübrigt, auf die Frage einzugehen, ob der Beschwerdeführer auch anläßlich der Stellung seines Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes am 2. Dezember 1992 unrichtige Angaben gemacht habe. Es stehe jedenfalls fest, daß der Beschwerdeführer bei der Grenzkontrollstelle am Flughafen Wien-Schwechat unrichtige Angaben über den Zweck der Reise und die Dauer des Aufenthaltes gemacht habe, um sich die Einreise zu verschaffen. Es seien daher die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG und auch des § 18 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Daß eine der Voraussetzungen des § 19 oder des § 20 Abs. 1 FrG vorläge, sei vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden. Ein Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers liege auch tatsächlich nicht vor. Abgesehen davon sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers hätten gegenüber den öffentlichen Interessen jedenfalls zurückzutreten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 18 Abs. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache i.S. des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 6) gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 zu verschaffen.

2. Soweit der Beschwerdeführer - unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit - behauptet, die belangte Behörde habe "beweiswürdigend" dem Umstand nicht entgegenzutreten vermocht, daß er bei Stellung seines Sichtvermerksantrages am 2. Dezember 1992 bereits einen Deutschkurs "inskribiert" und beabsichtigt gehabt habe, diesen zur Erlernung der deutschen Sprache zwecks Aufnahme eines Informatik-Studiums in Österreich zu besuchen, also die seinen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes stützenden Angaben zutreffend gewesen seien, ist er darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde - daran läßt die Bescheidbegründung keinen Zweifel aufkommen - nicht die anläßlich seiner Antragstellung am 2. Dezember 1992, sondern ausschließlich die von ihm am 5. November 1992 vor der Grenzkontrollstelle am Flughafen Wien-Schwechat zur Begründung seines ersten Sichtvermerksantrages gemachten Angaben dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG unterstellt hat.

3.1. Die dieser Subsumtion zugrunde liegende Beweiswürdigung wird in der Beschwerde als unschlüssig angesehen, weil die belangte Behörde "damit von einer ex post-Betrachtung" ausgehe, bei welcher sie die aktenkundigen Angaben des Beschwerdeführers außer Betracht lasse.

3.2. Der Gerichtshof vermag diesem Einwand nicht beizupflichten. Daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung - entgegen der in der Beschwerde an anderer Stelle aufgestellten Behauptung, es sei "keinerlei Beweiswürdigung" zu erkennen, wurde eine solche vorgenommen - eine "ex post-Betrachtung" angestellt hat, ist nicht rechtswidrig. Denn es kann in der Regel erst im nachhinein, aufgrund des den Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer des Aufenthaltes folgenden Verhaltens des Fremden auf dessen tatsächliche Absichten in dieser Hinsicht bei der Abgabe der diesbezüglichen Erklärung der Behörde gegenüber geschlossen werden. Von daher gesehen kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer ungeachtet des Vorliegens der in Rede stehenden Geschäftseinladung weder unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet noch auch zu irgend einem späteren Zeitpunkt Kontakt zu dem betreffenden Unternehmen aufnahm, vielmehr stattdessen bereits kurz nach der Einreise einen Sprachkurs zur Erlernung der deutschen Sprache zwecks Aufnahme eines Studiums in Österreich belegte, zu der Überzeugung gelangte, der Beschwerdeführer habe schon bei seiner Antragstellung am 5. November 1992 nicht die Absicht gehabt, lediglich bis 20. November 1992 in Österreich und dies zum Zweck der Pflege von Geschäftskontakten zu bleiben. Diese maßgebliche Sachverhaltsannahme (§ 45 Abs. 2 AVG) steht mit den allgemeinen Lebenserfahrungen durchaus in Einklang und hat jedenfalls im Verhältnis zur gegenläufigen Darstellung des Beschwerdeführers, wonach er seinen Entschluß, einen Deutschkurs zu besuchen und in der Folge ein Studium aufzunehmen, erst nach seiner Einreise gefaßt habe, ein sehr hohes Maß an Wahrscheinlichkeit für sich (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 307, zitierten Entscheidungen), zumal auch die vom Beschwerdeführer angesprochenen, behauptetermaßen für ihn sprechenden "aktenkundigen Angaben", nämlich eine Bestätigung der Entwicklungshilfe der Erzdiözese Wien vom 24. März 1993 über den Besuch eines Deutschkurses bis Ende Juni 1993, eine Bestätigung der Sprachschule Berlitz über das Nichtzustandekommen des vom Beschwerdeführer belegten Kurses und das Telex über eine Geschäftseinladung, die von ihm ins Treffen geführte Geschehensvariante nicht zu stützen geeignet sind.

4. Die zur Frage der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG im angefochtenen Bescheid enthaltenen Erwägungen ließ die Beschwerde unbekämpft. Nach Lage des Falles hegt der Gerichtshof gegen die Beurteilung durch die belangte Behörde, es liege kein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers i.S. des § 19 FrG vor, keine Bedenken - womit sich die Frage, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten ist, ebenso wie Überlegungen zu § 20 Abs. 1 leg. cit. erübrigen.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (damit auch ohne Durchführung einer Verhandlung) als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis ist ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entbehrlich.

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