VwGH 93/18/0368

VwGH93/18/036821.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des E in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 15. Juni 1993, Zl. St 48-7/93, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrPolG 1954;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrPolG 1954;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangte Behörde) vom 15. Juni 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und den §§ 19 bis 21 Fremdengesetz (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei in Linz geboren und habe sich bis 1983 in Österreich aufgehalten. Dann sei er bis August 1988 in der Türkei gewesen und anschließend nach Österreich zurückgekehrt. Er verfüge über kein Reisedokument. Der letzte dem Beschwerdeführer erteilte Sichtvermerk sei bis zum 30. Jänner 1992 gültig gewesen. Seither halte er sich ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf. Allein im Jahr 1992 sei der Beschwerdeführer dreiundzwanzigmal wegen Übertretungen des KFG, zehnmal wegen Übertretungen der StVO sowie weiters zweimal wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes und einmal wegen Übertretung des Paßgesetzes und auch wegen Ordnungsstörung bestraft worden. Auf Grund eines Verkehrsunfalles mit Personenschaden sei er wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden. Nach den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 3. März 1993 seien seine Beschäftigungsverhältnisse jeweils nur von kurzer Dauer gewesen. Im April 1989 habe er einen Monat lang bei einem Unternehmen in Perg gearbeitet, dann sei er gekündigt worden. In diesem Jahr habe er noch einen weiteren Monat gearbeitet und sei dann gleichfalls gekündigt worden. Im Jahr 1991 habe er bei einer Firma in Perg ca. sechs Monate lang gearbeitet. Anschließend habe er wieder Arbeit bis Jänner 1992 bei einem anderen Unternehmen gefunden. Seither gehe er keiner geregelten Beschäftigung nach. Sein Vater habe ihn "aus der Wohnung geschmissen", doch könne er seit Dezember 1992 wieder bei ihm wohnen. Der Beschwerdeführer lebe nach seinem Vorbringen von Zuwendungen.

Am 22. Jänner 1993 und am 20. Februar 1993 sei der Beschwerdeführer in Raufhändel verwickelt gewesen. Das Strafverfahren betreffend den Vorfall vom 20. Februar 1993 sei infolge der am 22. März 1993 erfolgten Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 452 Abs. 2 StPO abgebrochen worden.

Schon allein auf Grund einiger vom Beschwerdeführer begangener Verwaltungsübertretungen hätte nach der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Rechtslage ein Aufenthaltsverbot erlassen werden können, nämlich auf Grund der Übertretungen nach dem Fremdenpolizeigesetz und dem Paßgesetz 1969. § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG stelle allerdings auf Übertretungen dieses Bundesgesetzes und nicht des Fremdenpolizeigesetzes ab; das Paßgesetz 1969 werde nicht mehr genannt. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG sei nicht erfüllt. Die von der Erstbehörde angenommene Mittellosigkeit werde ebenfalls nicht herangezogen, dies auf Grund des Umstandes, daß dem Beschwerdeführer - wenn auch nicht näher bezeichnete - Zuwendungen den Unterhalt ermöglicht hätten.

Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, seit seiner Rückkehr aus der Türkei und insbesondere seit 1992 im Bundesgebiet Fuß zu fassen. Die zahlreichen Verwaltungsstrafen und die Vorfälle, die immer im Zusammenhang mit dem Besuch von Diskotheken gestanden seien, ließen erkennen, daß er sich in einer Art über Ordnungsvorschriften hinwegsetze, die seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet bereits als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung erscheinen ließe, sodaß die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten, insbesondere weil sich gerade in der letzten Zeit eine zum Schlechteren wendende Entwicklung abzeichne, wie sich aus den sich häufenden Bestrafungen und Vorfällen ergebe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte ab 15. März 1993 im Lokal seines Bruders Beschäfigung finden können, könne dies nicht ausgleichen.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu bedenken gewesen, daß das Aufenthaltsverbot zwar in die familiären Bindungen des Beschwerdeführers eingreife, doch sei er noch ledig und erst wieder seit fünf Jahren im Bundesgebiet aufhältig, wobei das Ausmaß seiner Integration eher abgenommen habe. Die Nachteile der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen in Anbetracht der erkennbar gewordenen negativen Entwicklung des Beschwerdeführers schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Bei den vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen rechtskräftigen Bestrafungen nach dem Fremdenpolizeigesetz handelt es sich der Aktenlage nach um Bestrafungen wegen unerlaubten Aufenthaltes, und zwar laut Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 17. September 1991 (wegen unerlaubten Aufenthaltes seit 10. August 1991) und vom 17. November 1992 (wegen unerlaubten Aufenthaltes seit 31. Jänner 1992). Bereits auf Grund dieser beiden Bestrafungen ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0318, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, und diesem folgend die Erkenntnisse vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0473, und vom 24. März 1994, Zl. 94/18/0077).

Daß die belangte Behörde dies nicht erkannt und das den genannten rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers zugrundeliegende Verhalten im Rahmen des Gesamt(fehl)verhaltens unmittelbar dem § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG subsumiert hat, bewirkt keine Verletzung eines subjektiven Rechtes des Beschwerdeführers, da sich am Ergebnis nichts ändert; die belangte Behörde durfte nämlich schon auf Grund der unbestrittenen rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers, darunter auch jener, die den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllen, die Annahme für gerechtfertigt halten, sein Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung.

2. Es ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, im Hinblick auf die in den zahlreichen Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen zum Ausdruck kommende negative Entwicklung des Beschwerdeführers sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zum Schutz der öffentlichen Ordnung, damit zur Erreichung eines der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf seine Integration in Österreich hinweist, ist ihm zu erwidern, daß auf Grund seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich ohnedies von einem Eingriff des Aufenthaltsverbotes in sein Privatleben auszugehen war. Deshalb war auch die Beurteilung erforderlich, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 19 FrG dringend geboten ist. Die Aussicht auf eine Beschäftigung im Lokal seines Bruders läßt das Ergebnis dieser Wertung ebensowenig als rechtswidrig erkennen wie die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Abschiebung in Schubhaft befunden hat.

3. Im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde ohnedies auf den in der Beschwerde ins Treffen geführten langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht genommen. Angesichts des beruflichen Werdeganges des Beschwerdeführers in den letzten Jahren vor der Erlassung des Aufenthaltsverbotes und der zahlreichen Verwaltungsübertretungen hat die belangte Behörde jedoch zu Recht das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers nicht als so groß angenommen, daß es bei der Interessenabwägung entscheidend zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht gefallen wäre. Auch die familiären Bindungen des Beschwerdeführers an seinen in Österreich lebenden Vater fallen nicht entscheidend ins Gewicht, dies im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer anläßlich seiner Vernehmung vom 3. März 1993 geschilderte getrübte Verhältnis zu seinem Vater. Die Beziehungen des großjährigen Beschwerdeführers zu seinen in Österreich lebenden Geschwistern, mit denen er nach der Aktenlage nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, fallen nicht in den Schutzbereich des § 20 Abs. 1 FrG. Soweit mit den Ausführungen in der Beschwerde, daß die gesamte Familie des Beschwerdeführers in Österreich lebe, zum Ausdruck gebracht werden soll, daß auch seine Mutter in Österreich lebe, handelt es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung. Nach den Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 3. März 1993, seinem Vorbringen in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid und dem Bericht der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 15. April 1993 lebt die Mutter des Beschwerdeführers in der Türkei.

Unter Berücksichtigung aller für die Interessenabwägung maßgebenden Umstände kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt ist, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als seine nachteiligen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

4. Soweit der Beschwerdeführer Feststellungsmängel behauptet, weil die belangte Behörde die Grundlagen für die Interessenabwägung nur unzureichend ermittelt habe, und Begründungsmängel darin erblickt, daß sich die belangte Behörde mit seinem Vorbringen nicht hinreichend auseinandergesetzt habe, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen, welche konkreten Feststellungen er vermißt und welches von ihm erstattete Vorbringen unberücksichtigt geblieben sein soll. Die von ihm erhobene Verfahrensrüge ist daher nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt.

5. Da sich somit nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr.416/1994.

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