Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Am 18. Dezember 1991 wurde beim Mitbeteiligten eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Der Hausdurchsuchungsbefehl wurde mit dem Verdacht begründet, daß der Mitbeteiligte seit geraumer Zeit Brillanten in das Zollgebiet geschmuggelt habe.
Nach einem von Organen der Finanzstrafbehörde erster Instanz aufgenommenen Aktenvermerk vom 18. Dezember 1991 erklärte der Mitbeteiligte vor der Hausdurchsuchung, keine Brillanten zu haben. Nach dem Aktenvermerk wurden bei der Hausdurchsuchung fünf blaue Luftpostbriefe gefüllt mit "Edelsteinbriefchen" vorgefunden. Anhand von Aufzeichnungen des Mitbeteiligten und Gegenscheinen habe festgestellt werden können, daß der Mitbeteiligte mehr Brillanten verkauft habe als verzollt worden seien.
Im Anschluß an die Hausdurchsuchung wurde der Mitbeteiligte im Beisein des ihn vertretenden Rechtsanwaltes nach einer ihm zugebilligten, in Abwesenheit von Behördenorgangen durchgeführten Besprechung mit diesem Vertreter schließlich als Beschuldigter vernommen. Dabei gab der Mitbeteiligte an, er betreibe in Wien einen Handelsbetrieb mit Edelsteinen. Abgesehen von den dafür notwendigen Aufenthalten in Wien halte sich der Mitbeteiligte, ein belgischer Staatsbürger, an seinem Wohnsitz in Antwerpen auf. Er beziehe die Edelsteine von einem Unternehmen in Amsterdam. Die Edelsteine würden im Luftpostweg nach Österreich versandt und über eine Spedition verzollt. Es entspreche jedoch den Tatsachen - der Mitbeteiligte sage dies in vollem Bewußtsein in Gegenwart seines Rechtsbeistandes -, daß er die bei der Hausdurchsuchung vorgefundenen Brillanten, die in fünf Luftpostbriefen aufbewahrt gewesen seien, ohne Verzollung nach Österreich gebracht habe. Diese Brillanten habe er per Bahn beim Zollamt Passau eingebracht. Sein Bruder sei nämlich vor kurzem gestorben und er sei in Trauer und ein wenig verwirrt. Es sei ihm jedoch bekannt, daß eingeführte Brillanten dem Zollamt gestellt werden müssen. Da er das erste Mal Brillanten ohne Verzollung nach Österreich gebracht habe, bitte er aufgrund seines reumütigen Geständnisses um eine milde Beurteilung.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde der Mitbeteiligte mit Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz des Finanzvergehens des Schmuggels hinsichtlich Brillanten und Diamanten von insgesamt 241,12 Karat mit einem strafbestimmenden Wertbetrag von S 472.068,-- schuldig erkannt. Über den Mitbeteiligten wurde eine Geldstrafe von S 200.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen, verhängt. Außerdem wurde auf Verfall der Edelsteine erkannt. Die Finanzstrafbehörde ging dabei davon aus, daß der Mitbeteiligte die ihn treffende Stellungs- und Erklärungspflicht bewußt und gewollt verletzt hat. Die Behörde erster Instanz räumte ein, die vom Mitbeteiligten herausgestrichene Trauer um den etwa eine Woche vor der Bahnreise nach Österreich verstorbenen älteren Bruder möge durchaus vorgelegen sein. Für die Annahme einer Zurechnungsunfähigkeit bilde dieser Zustand jedoch ebensowenig Raum wie für ein bloß fahrlässiges Verhalten. Denn in Kenntnis des Todes seines Bruders habe der Mitbeteiligte ganz gezielt die Reise angetreten und dabei Brillanten gleich mitgenommen, die er ansonsten im Luftpostweg nach Wien schicke. Er habe daher die Reise auch zum Transport der Brillanten genützt.
In der Berufung gegen dieses Straferkenntnis wurde ausgeführt, der Mitbeteiligte sei Geschäftsführer der Z-GmbH, die in Wien einen Großhandel mit Uhren und Juwelen betreibe. Zur Auffüllung des Warenbestandes für das Weihnachtsgeschäft habe der Mitbeteiligte Ende November in Antwerpen Edelsteine in der Menge von S 82,9 ct übernommen und bedingt durch die Trauer um den Tod des Bruders vergessen, diese Ware zu deklarieren. Die anläßlich der Hausdurchsuchung gemachte Aussage, alle beschlagnahmten Edelsteine seien erst Ende November nach Österreich eingeführt (und nicht dem Zoll gestellt) worden, sei im Schockzustand der ausgesprochenen Verhaftung erfolgt. Der Mitbeteiligte beantragte, ihn (nur) des fahrlässigen Finanzvergehens im Sinne des § 36 FinStrG schuldig zu erkennen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Mitbeteiligten teilweise Folge gegeben. Er wurde schuldig erkannt, Ende November 1981 fahrlässig Brillanten und Diamanten mit einem strafbestimmenden Wertbetrag von S 472.068,-- unter Verletzung einer Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen und hiedurch das Finanzvergehen der Verzollungsumgehung nach § 36 Abs. 1 FinStrG begangen zu haben. Es wurde über ihn eine Geldstrafe von S 150.000,-- verhängt. In der Begründung wurde von der belangten Behörde ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Mitbeteiligte die Edelsteine vorerst noch ohne eine entsprechende "steuerschädliche" Absicht anläßlich der unverhofft notwendig gewordenen Bahnfahrt nach Wien entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten persönlich mitgeführt habe und andererseits auf der Fahrt derart von der Trauer um seinen Bruder übermannt gewesen sei, daß er während der Grenzkontrolle nicht an die mitgeführten Edelsteine gedacht habe. Während des intensiven Trauermonats nach dem Tod des nahen Angehörigen sei eine gewisse Entrückung nicht unglaubwürdig.
In der vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 35 Abs. 1 FinStrG macht sich des Schmuggels schuldig, wer eingangs- oder ausgangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzieht. Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (§ 8 Abs. 1 FinStrG).
Nach § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.
In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangte, obliegt es dem Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß der Mitbeteiligte Geschäftsführer der Z-GmbH in Wien ist - Firmenname der GmbH ist der Name des Mitbeteiligten -, die einen Großhandel mit Uhren und Juwelen in Wien betreibt. Nach den Angaben des Mitbeteiligten werden Edelsteine regelmäßig aus Amsterdam bezogen, wobei die Ware auf dem Luftweg von Holland nach Wien transportiert werde. In der vom steuerlichen Vertreter des Mitbeteiligten verfaßten Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis wird ausgeführt, der Mitbeteiligte habe Ende November 1991 in Antwerpen Edelsteine "zur Auffüllung des Warenbestandes (für das Weihnachtsgeschäft)" übernommen. Bei seiner Vernehmung am 18. Dezember 1991 - die nach einer dem Mitbeteiligten zugebilligten Besprechung mit seinem Rechtsvertreter ohne Anwesenheit von Behördenorganen erfolgt ist - gab der Mitbeteiligte unter Bekräftigung durch die Beifügung "in vollem Bewußtsein in Gegenwart seines Rechtsbeistandes" an, er habe sämtliche bei der Hausdurchsuchung vorgefundenen Edelsteine "ohne Verzollung" nach Österreich gebracht. Es sei ihm bekannt gewesen, daß eingeführte Brillanten dem Zollamt gestellt werden müssen.
Wenn die belangte Behörde bei diesem Verfahrensergebnis zu der Feststellung gelangte, der Mitbeteiligte habe "während der Grenzkontrolle nicht an die mitgeführten Edelsteine gedacht", so steht dieses Ergebnis der Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht im Einklang. Ein Vergessen, wie dies in der Berufung geltend gemacht worden ist, kann durch verschiedene Umstände (pathologisch, durch psychischen Schock) verursacht sein (vgl. das Erkenntnis vom 4. März 1986, Zl. 84/14/0064). Ein solcher psychischer Zustand - der, wie von der Finanzstrafbehörde erster Instanz zutreffend erkannt worden ist, unter dem Gesichtspunkt der Frage nach der Zurechnungsfähigkeit eines Beschuldigten zu würdigen gewesen wäre (vgl. § 7 FinStrG) - wurde vom Mitbeteiligten nicht behauptet. Ein Ausnahmezustand muß, um Zurechnungsunfähigkeit zu begründen, so intensiv und so ausgeprägt sein, daß das Persönlichkeitsbild des Betroffenen zerstört ist (vgl. das Erkenntnis vom 15. März 1988, 87/14/0193). Demgegenüber hat der Mitbeteiligte Edelsteine zur Vorbereitung des Weihnachtsgeschäftes angeschafft. Die Edelsteine hat der Mitbeteiligte nach den Angaben in der Berufungsschrift nicht bei seinem Lieferanten in Amsterdam beschafft, sondern er hat diese an seinem Hauptwohnsitz in Antwerpen übernommen. Die Annahme der belangten Behörde, der Mitbeteiligte - dem die Eingangsabgabepflicht der Edelsteine nach seinem ausdrücklichen Zugeständnis bekannt gewesen ist - habe sodann die Edelsteine bei der Bahnfahrt noch nicht in der Absicht mitgeführt, sie dem Zollverfahren zu entziehen, ist schon deswegen durch das Verfahrensergebnis in keiner Weise gedeckt, weil es sich bei den Tatgegenständen nicht um Waren handelt, für die eine mündliche Anmeldung der Waren gestattet ist (vgl. § 61 Abs. 5 ZollG). Hätte der Mitbeteiligte, wie dies die belangte Behörde offenkundig unterstellt hat, vielmehr die Absicht gehabt, die Edelsteine einem Zollverfahren zu unterziehen, hätte er somit entsprechende Vorkehrungen für dessen Durchführung zu treffen gehabt. Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, der Mitbeteiligte habe bloß im Augenblick der Grenzkontrolle während der Bahnfahrt - anläßlich welcher eine Abfertigung der Edelsteine im geschätzten Wert von S 4,650.000,-- zum freien Verkehr nicht durchführbar gewesen wäre - "an die mitgeführten Edelsteine nicht gedacht", widerspricht den Denkgesetzen. Soweit dabei die belangte Behörde zur Motivation auf einen "intensiven Trauermonat" verweist, ist dabei noch festzustellen, daß von den Finanzstrafbehörden keine Erhebungen über Ort und Dauer der Trauerfeierlichkeiten anläßlich des Todes des Bruders des Mitbeteiligten geführt worden sind.
Mit der unschlüssigen Beweiswürdigung hat die belangte Behörde aber Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c aufzuheben.
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