VwGH 93/15/0243

VwGH93/15/024315.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des KB in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 22. November 1993, Zl. 64-GA6-DSchr/93, betreffend Pfändung von Geldforderungen, zu Recht erkannt:

Normen

AbgEO §71;
AbgEO §78 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §67;
BAO §226;
BAO §229;
BAO §232;
BAO §233 Abs1;
BAO §93 Abs2;
VwRallg;
AbgEO §71;
AbgEO §78 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §67;
BAO §226;
BAO §229;
BAO §232;
BAO §233 Abs1;
BAO §93 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit die gepfändeten Forderungen der Republik Österreich gemäß § 71 AbgEO bis zur Höhe der vollstreckbaren Abgabenforderung zur Einziehung überwiesen und die Drittschuldner aufgefordert werden, die gepfändete Forderung bis zur Höhe der Abgabenschuld von S 12,462.000,-- an das Finanzamt einzuzahlen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer wurde am 17. Februar 1993 zur Sicherung von Abgabenansprüchen in der Höhe von S 12,462.000,-- (Einkommensteuer 1981 bis 1988) ein Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO erlassen.

Mit Bescheiden des Finanzamtes je vom 5. März 1993 wurden die dem Beschwerdeführer angeblich gegenüber der A-GmbH und einer Pensionsversicherungsanstalt zustehenden Forderungen gepfändet. Urschrift und Ausfertigungen der Bescheide wurden unter Verwendung eines Vordruckes (EV 55) hergestellt, der neben dem Wort "Bescheid" die Überschriften "Pfändung einer Geldforderung" und "Pfändung und Überweisung einer Geldforderung" ausweist. Mit Schreibmaschine wurde jeweils das neben dem Titel "Pfändung einer Geldforderung" abgebildete Kästchen angekreuzt. Der (jeweils teilweise vorgedruckte) Spruch der Bescheide lautet:

"K.B. (der Beschwerdeführer) schuldet Abgaben einschließlich Nebengebühren in Höhe von S 12,462.000,--. Wegen dieses Gesamtbetrages wird die Forderung von unbekannter Höhe, die dem Abgabenschuldner aus dem nachfolgenden Grund gegen Sie angeblich zusteht, gepfändet. Schuldgrund:

Firmenpension/Pensionsanspruch. Sie dürfen, soweit diese Forderung gepfändet ist, nicht mehr an den Abgabenschuldner zahlen Die vorstehend gepfändete Forderung wird der Republik Österreich gemäß § 71 der Abgabenexekutionsordnung ohne Beeinträchtigung früher erworbener Rechte dritter Personen bis zur Höhe der vollstreckbaren Abgabenforderung zur Einziehung überwiesen. Sie werden aufgefordert, zwecks Vermeidung gerichtlicher Schritte die gepfändete Forderung bis zur Höhe des oben bezeichneten Gesamtbetrages mittels der (des) angeschlossenen Erlagscheine(s) an das Finanzamt/Zollamt einzuzahlen."

Die Bescheide wurden dem Beschwerdeführer und den Drittschuldnern zugestellt. Dem Beschwerdeführer wurde mit gesonderten Bescheiden vom selben Tag jede Verfügung über die gepfändeten Forderungen und insbesondere deren gänzliche oder teilweise Einziehung untersagt.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen die Pfändungsbescheide. In einer Ergänzung der Berufung machte er unter anderem geltend, die Aufforderung an die Drittschuldner, den der Pfändung unterliegenden Teil der Pensionsbezüge an das Finanzamt einzuzahlen, sei im Sicherstellungsverfahren vom Gesetz nicht gedeckt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Begründend legte die belangte Behörde dar, bei der Erlassung der Pfändungsbescheide sei der amtliche Vordruck "EV 55" verwendet worden, der für zwei Möglichkeiten, nämlich die Pfändung einer Geldforderung und die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung, ausgestaltet sei. Auf dem rechten oberen Formularrand befinde sich der Hinweis "Zutreffendes ist angekreuzt". Bei den angefochtenen Bescheiden sei richtigerweise das Kästchen "Pfändung einer Geldforderung" angekreuzt worden. Zwar treffe es zu, daß im weiteren Text auch Angaben zu finden seien, die nur zur Pfändung und Überweisung einer Geldforderung paßten, so insbesondere die Aufforderung, den Gesamtbetrag an das Finanzamt einzuzahlen. Es sei dem Beschwerdeführer auch beizupflichten, wenn er eine Pfändung und Überweisung im Sicherstellungsverfahren als rechtswidrig bezeichne. Tatsache sei aber, daß eben nur eine Pfändung verfügt und vom jeweiligen Drittschuldner auch als solche angesehen worden sei. Sicher wäre es günstig, zur Vermeidung von Mißverständnissen den betreffenden Absatz des Vordruckes zu streichen; da aber das Formular eine derartige Anordnung nicht enthalte, habe das Finanzamt dies unterlassen. Keinesfalls sei der Bescheid deswegen rechtswidrig, zumal in seinem Spruch eindeutig nur die Pfändung und nicht die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung angeordnet werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Grundlage des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens ist der gegen den Beschwerdeführer erlassene Sicherstellungsauftrag vom 17. Februar 1993. Nach § 78 Abs. 1 AbgEO kann auf Grund eines Sicherstellungsauftrages zur Sicherung von Abgaben und Abgabenstrafen schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist die Vornahme von Vollstreckungshandlungen angeordnet werden. Nach Abs. 2 leg. cit. kann zur Sicherung nur die Pfändung und Verwahrung beweglicher körperlicher Sachen und die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen und von Ansprüchen auf Herausgabe und Leistung beweglicher körperlicher Sachen vorgenommen werden.

Das Sicherungsverfahren durch Forderungsexekution findet daher mit der Pfändung der Geldforderung sein Ende; eine Verwertung durch Überweisung zur Einziehung im Sinne der §§ 71 ff AbgEO hat im Sicherungsverfahren nicht stattzufinden. Ein Fall, in dem nach Eintritt der Vollstreckbarkeit das Sicherungsverfahren - nach Ausstellung eines Rückstandsausweises - in das Verfahren zur Einbringung übergegangen wäre, liegt hier nach der Aktenlage - jedenfalls bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - nicht vor. Der angefochtene, die erstinstanzlichen Bescheide durch Abweisung der Berufung unverändert rezipierende Bescheid der belangten Behörde war somit rechtswidrig, sofern er einen normativen Ausspruch über die Überweisung und Einziehung der Forderung umfaßte. Ein solcher Ausspruch war auch geeignet, den Beschwerdeführer in seinen Rechten zu verletzen, da sein Schuldner diesfalls mit schuldbefreiender Wirkung an den Abgabengläubiger leisten durfte.

Die belangte Behörde vertritt im Ergebnis die Auffassung, daß die erstinstanzlichen Bescheide einen solchen Ausspruch gar nicht umfaßten. Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Es besteht kein Zweifel, daß die strittigen Textteile - die Überweisung der Forderung zur Einziehung gemäß § 71 AbgEO und die Aufforderung an den Drittschuldner, die gepfändete Forderung dem Finanzamt einzuzahlen - normative Anordnungen darstellen und daher inhaltlich dem Bescheidspruch zuzuordnen sind. Es kann somit nicht davon die Rede sein, daß der normative Abspruch der Bescheide über die Pfändung der Geldforderung nicht hinausgehe, weil die Rubrik "Pfändung einer Geldforderung" angekreuzt, die Rubrik "Pfändung und Überweisung einer Geldforderung" hingegen freigelassen worden sei. Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist maßgebend, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Behörde verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstand (vgl. hiezu Ritz, BAO, § 93 Rz 6, mwN). Davon ausgehend ist für den Standpunkt der belangten Behörde aus dem Umstand, daß die Überweisung zur Einziehung und die Zahlungsaufforderung im Sicherstellungsverfahren und damit ohne rechtliche Grundlage erlassen wurden, nichts zu gewinnen. Gerade dies macht den Abspruch rechtswidrig; es kann nicht davon die Rede sein, daß die Überweisung zur Einziehung und die Zahlungsanordnung bei objektivem Verständnis im Hinblick darauf, daß die Rubrik "Pfändung und Überweisung einer Geldforderung" nicht angekreuzt wurde, als nicht beigesetzt angesehen werden könnten.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, soweit damit die gepfändeten Forderungen zur Einziehung überwiesen und die Drittschuldner zur Zahlung aufgefordert wurden. Eine Rechtswidrigkeit des Bescheides, soweit er die Pfändung der Forderungen betrifft, zeigt die Beschwerde nicht auf; insoweit war sie daher als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte