VwGH 93/14/0121

VwGH93/14/012118.1.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der N-Bank in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 22. Juni 1993, 821-2/93, betreffend Abweisung des Mehrbegehrens an Ersatz der Kosten für ein Devolutionsverfahren, zu Recht erkannt:

Normen

AbgEO §70 Abs3;
EO §74 Abs1;
RAT §22;
RAT TP1;
RAT TP2;
VwGG §22;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
ZPO §41 Abs1;
AbgEO §70 Abs3;
EO §74 Abs1;
RAT §22;
RAT TP1;
RAT TP2;
VwGG §22;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
ZPO §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 11.510 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg Erkenntnis vom 11. Mai 1993, 90/14/0140, (in der Folge: Vorerkenntnis) verwiesen. Im fortgesetzten Verfahren brachte die Beschwerdeführerin vor, das Finanzamt habe mit der Erlassung von sieben Pfändungsbescheiden nach zivilprozessualem Verständnis sieben unabhängige Exekutionsverfahren eingeleitet. In jedem dieser Bescheide sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, sich als Drittschuldnerin zu erklären. Es sei daher die Abgabe von sieben Drittschuldneräußerungen notwendig und zweckmäßig gewesen, was von der Abgabenbehörde auch dadurch anerkannt worden sei, daß der Beschwerdeführerin die Kosten von sieben Drittschuldneräußerungen zuerkannt worden seien. Wenn aber sieben unterschiedliche Verfahren anhängig seien, sei es auch notwendig und zweckmäßig, in jedem einzelnen Verfahren einen Devolutionsantrag zu stellen, wodurch der Beschwerdeführerin Kosten von siebenmal 1.372,80 S (insgesamt somit 9.609,60 S) entstanden seien.

Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid anerkannte die belangte Behörde für die Devolutionsanträge nur Kostenersätze von insgesamt 117 S (Summe aus 65 S + 60 % + 20 %). Die in der Exekutionsordnung, in der Zivilprozeßordnung und im Rechtsanwaltstarifgesetz begründete Pflicht zur Verbindung von Anträgen im Exekutionsverfahren gelte auch im Abgabenexekutionsverfahren, wenn dies ohne Beeinträchtigung der Rechtsverfolgung geschehen könne. Ein Verbindungshindernis nach Abgabenverfahrensrecht liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin habe auch keine Gründe angegeben, die einer Verbindung der Devolutionsanträge entgegengestanden wären oder die Einbringung von sieben Anträgen notwendig oder zweckmäßig hätten erscheinen lassen. Da im vorliegenden Fall somit Verbindungspflicht bestanden habe, seien nur die entsprechenden Verbindungsgebühren als notwendige Kosten anzusehen. Bei Anträgen nach Tarifpost 1 gebe es jedoch keine Verbindungsgebühr, sondern der Schriftsatz, der die verbundenen Anträge enthalte, sei lediglich einmal nach Tarifpost 1 zu entlohnen. Da gemäß Rechtsanwaltstarifgesetz Äußerungen des Drittschuldners über Bestand und Höhe des gepfändeten Anspruches unter Tarifpost 1 fielen, seien die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Devolutionsanträge wohl unter keine höhere Tarifpost einzuordnen, zumal auch Kostenbestimmungsanträge sowie Delegierungsanträge nach Tarifpost 1 zu entlohnen seien.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Es seien Kosten für sieben verschiedene Anträge zuzuerkennen, weil vom Drittschuldner nicht verlangt werden könne, Schriftsätze und Äußerungen für sieben verschiedene Verfahren zusammenzufassen. Doch selbst unter der Annahme der Verbindungspflicht sei die Höhe des Kostenzuspruches von der belangten Behörde unrichtig ermittelt worden. Zunächst sei die belangte Behörde von einer unrichtigen Bemessungsgrundlage ausgegangen, weil sie nicht die Gesamtsumme der betroffenen Kosten von rund 26.000 S, sondern lediglich die Kosten einer Drittschuldnererklärung herangezogen habe. Überdies sei ein Devolutionsantrag nicht nach Tarifpost 1, sondern nach Tarifpost 2 zu honorieren, weshalb auch eine Verbindungsgebühr zustehe. Selbst unter der Annahme der Verbindungspflicht müßte der Kostenzuspruch somit 1.632,96 S betragen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Ohne zu erklären, in das Verfahren gemäß § 22 VwGG einzutreten, gab der Bundesminister für Finanzen eine Stellungnahme ab, in der er die Richtigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis vertretenen Ansicht, für ein Devolutionsverfahren in Abgabenexekutionsangelegenheiten bestehe Kostenersatzpflicht, bezweifelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 22 VwGG kann in Angelegenheiten der Bundesverwaltung der zuständige Bundesminister an Stelle einer anderen belangten Behörde jederzeit in das Verfahren eintreten.

Der Bundesminister für Finanzen hat keine Erklärung abgegeben, daß er im Sinn der eben zitierten Bestimmung an Stelle der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg als belangte Behörde in das Verfahren eintrete. Er hat somit im gegenständlichen Verfahren nicht die Rechtsstellung der belangten Behörde, weswegen es sich erübrigt, auf die Ausführungen in der Stellungnahme einzugehen (vgl das hg Erkenntnis vom 15. Oktober 1986, 86/03/0080). Abgesehen davon ist der Verwaltungsgerichtshof auch selbst an seine im bereits erwähnten aufhebenden Erkenntnis vom 11. Mai 1993 geäußerte tragende Rechtsanschauung gebunden. Eine Auseinandersetzung mit dieser käme schon deshalb nicht in Frage.

Gemäß § 22 Rechtsanwaltstarifgesetz werden Schriftsätze im Zivilprozeß und in Exekutions(Sicherungs)verfahren nur dann abgesondert entlohnt, wenn sie mit anderen Schriftsätzen nicht verbunden werden können oder das Gericht ihre abgesonderte Anbringung als notwendig oder als zweckmäßig erkennt.

Für die Kostenersatzpflicht der unterliegenden Partei bzw des Verpflichteten ergibt sich aus § 41 Abs 1 ZPO sowie aus § 74 Abs 1 EO, daß die durch Unterlassung der Verbindung auflaufenden Mehrkosten als zur Rechtsverwirklichung nicht notwendig anzusehen sind. Die Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Verbindung ist - sofern sie nicht aktenkundig ist - zu behaupten und zu bescheinigen (vgl Feil, Kostenersatz im Exekutionsverfahren2, Seite 40).

Dieser normative Gehalt des § 41 Abs 1 ZPO sowie des § 74 Abs 1 EO ist auch im vorliegenden Fall zu beachten, weil - wie im bereits erwähnten aufhebenden Erkenntnis vom 11. Mai 1993 ausgeführt - die Grundsätze des zivilprozessualen Kostenverständnisses zur Interpretation des § 70 Abs 3 AbgEO (alte Fassung) herangezogen werden können.

Die Beschwerdeführerin meint, da sieben Aufträge zur Drittschuldneräußerung erteilt und in der Folge die Abgabe von sieben Drittschuldneräußerungen als notwendig und zweckmäßig angesehen worden seien, seien in zivilprozessualer Betrachtungsweise sieben verschiedene Verfahren anhängig. Vom Drittschuldner habe daher nicht verlangt werden können, Schriftsätze und Äußerungen für sieben verschiedene Verfahren zusammenzufassen.

Die Unmöglichkeit der Verbindung der sieben Anträge behauptet somit selbst die Beschwerdeführerin nicht. Die Untunlichkeit der Verbindung wird durch die Ausführungen der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht dargetan. Die Beschwerdeführerin meint lediglich, es hätte von ihr nicht verlangt werden können, "Schriftsätze und Äußerungen für sieben verschiedene Verfahren zusammenzufassen". Eine Begründung dafür bleibt sie jedoch schuldig, zumal ein der Beschwerdeführerin aus der Verbindung erwachsender Nachteil nicht ersichtlich ist. Der von der Beschwerdeführerin genannte Fall der Einbringung von Anträgen durch verschiedene betreibende Parteien ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Der belangten Behörde ist somit zuzustimmen, wenn sie meint, die Devolutionsanträge wären zu verbinden gewesen. Ob der Abgabenschuldner die Kosten letztlich selbst tragen muß oder einen Amtshaftungsanspruch geltend machen kann, ist für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten nicht relevant.

Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Kosten der zu verbindenden Anträge ist jedoch - wie die Beschwerdeführerin zu Recht ausführt - die Gesamtsumme der Kosten der sieben Drittschuldneräußerungen, somit ein Betrag von rund 26.000 S. Da die belangte Behörde laut Begründung ihres Bescheides "Kosten für einen Devolutionsantrag nach TP 1 (65 S + 60 % + 20 % = 117 S)" von einer Bemessungsgrundlage zwischen 2.500 S und 5.000 S ausgegangen ist, hat sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Äußerungen des Drittschuldners über Bestand und Höhe des gepfändeten Anspruches sind nach Tarifpost 1 des Rechtsanwaltstarifgesetzes zu entlohnen. Devolutionsanträge sind im Rechtsanwaltstarifgesetz zwar nicht ausdrücklich genannt, doch bestimmt dessen Tarifpost 2 I 2, daß alle Schriftsätze im Exekutionsverfahren, die nicht in Tarifpost 1 oder 3 genannt sind, unter Tarifpost 2 fallen. Dies muß somit auch für Devolutionsanträge (im Exekutionsverfahren) gelten, unabhängig davon, mit welchen anderen Anträgen sie in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Durch Heranziehung der Tarifpost 1 anstelle der Tarifpost 2 hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid somit ebenfalls mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde haben ihren Kostenberechnungen die erst ab 1. August 1990 geltende Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 11. Juli 1990, BGBl Nr 491/1990, zugrunde gelegt. Da die Leistungen der Rechtsanwälte im vorliegenden Fall aber bereits im März bzw April 1990 erbracht worden sind, wären die in der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 25. Februar 1985, BGBl Nr 102/1985, ausgewiesenen Sätze heranzuziehen gewesen. Der Beschwerdeführerin wäre für die Stellung der Devolutionsanträge somit ein Kostenersatz von 1.098 S (572 S + 60 % Einheitssatz + 20 % Umsatzsteuer) zuzusprechen gewesen. Eine Verbindungsgebühr im Sinn der Anmerkung 1 zur Tarifpost 2 wäre nicht zuzusprechen, weil diese nur bei Verbindung mehrerer Exekutionsanträge im engeren Sinn, nicht jedoch für Kostenbestimmungsanträge zu gewähren ist (vgl Angst-Jakusch-Pimmer, EO12 (1989), § 74, E 257 f).

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.

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