Normen
EStG 1988 §22 Z1 litb;
ZivTG §5 Abs1;
EStG 1988 §22 Z1 litb;
ZivTG §5 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Absolvent einer Höheren Technischen Lehranstalt für Maschinenbau. Er führt die Standesbezeichnung "Ingenieur". In der Einkommensteuererklärung für 1990 bezeichnete er seine berufliche Tätigkeit mit "Planung und Beratung von Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitäranlagen".
Das Finanzamt schrieb für das Streitjahr 1990 Gewerbesteuer vor.
In der Berufung gegen den Gewerbesteuerbescheid 1990 wurde die Auffassung vertreten, bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers handle es sich um eine einem Ziviltechniker ähnliche Tätigkeit. In einer die Berufung ergänzenden Eingabe wurde die Tätigkeit des Beschwerdeführers von ihm folgendermaßen beschrieben:
- "1.
Planungstätigkeit
Die Planungstätigkeit umfaßt die Beratung, Berechnung, Erstellung von Übersichtszeichnungen und Projektplänen (nicht Ausführungspläne), die Erstellung von Bauangaben, Projektentwürfen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen, sowie das Verfassen von Leistungsverzeichnissen (nicht jedoch die Teilnahme an Ausschreibungen und somit Angebotsstellung), die Prüfung von Angeboten, im gesamten Bereich der Heizungs-, Lüftungs-, Klima-, Sanitär- und Regeltechnik für Anlagen aller Schwierigkeitsstufen.
Das heißt, die von mir angegebene Tätigkeit entspricht nicht den Arbeiten eines Installationsbetriebes, da ich mich weder an Ausschreibungen noch Angebotsstellungen beteilige, auch keine Ausführung von Heizungsanlagen durchführe und Ausführungs- bzw. Montagepläne nicht erstellt werden.
- 2.
Ausführungsüberwachung
Für den Bereich der Ausführungsüberwachungen werden von mir örtliche oder allgemeine Herstellungsüberwachungen getätigt, sowie Abnahmen, Aufmaßprüfungen und Rechnungsprüfungen über ausführende Firmen durchgeführt.
- 3.
Sonderleistungen
Sonderleistungen, wie zum Beispiel Begutachtung und Prüfung von Anlagen, Vertragsberatung, Abnahme und Leistungsmessungen, Modellversuche, labormäßige Untersuchungen, Vorbereitung und Vornahme von EDV-Studien werden von mir durchgeführt, welche von Installationsbetrieben aufgrund einer notwendigen höheren Schulausbildung, des Fachwissens und der notwendigen Gerätschaften nicht erstellt werden können."
Im Berufungsverfahren wurde vom Beschwerdeführer ferner ein "Ingenieurvertrag" zwischen Dipl.Ing. Peter F. als Auftraggeber und dem Beschwerdeführer als Auftragnehmer vorgelegt. Dieser Vertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"1. GEGENSTAND UND LEISTUNGSUMFANG
1.1 Gegenstand des Vertrages
Der Auftraggeber beauftragt Herrn Ing. M
(= Beschwerdeführer) als selbständig tätigen, freiberuflichen, beratenden Ingenieur mit der Beratung und Planung auf dem Fachgebiet der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärtechnik
beim Projekt LCS II (siehe Deckblatt)
Im einzelnen sind die unter Punkt 1.2 angeführten
Leistungen zu erbringen.
1.2 Leistungen des Ingenieurs
1.2.1 Planungsphase
1.2.1.1 Vorentwurf
d.h. die skizzierte Lösung der wesentlichen Teile der Anlagen, überschlägige Kostenschätzung, Erläuterungsbericht, Untersuchungen über Versorgungsverhältnisse.
1.2.1.2 Entwurf
d.h. die Lösung der Aufgaben in einer solchen Durcharbeitung, daß danach die Ausschreibungs- bzw. die Fertigungs- und Ausführungsunterlagen ohne grundsätzliche Änderung erstellt werden können.
1.2.1.3 Einreichunterlagen
Erstellung der erforderlichen Planunterlagen und technischen Beschreibung für die Voreinreichung der technischen Anlagen bei den Genehmigungsbehörden (exkl. Kosten für Vervielfältigung, Stempel- und Kommissionsgebühren).
1.2.1.4 Übersichtszeichnungen
d.h. Darstellung der Anlage im Maßstab M 1:100 in einer solchen Durcharbeitung, daß die einzelnen Teile und die Hauptleitungsführung in funktionsrichtiger Anordnung gezeigt werden, einschließlich aller Anlagen- und Schaltschemata.
1.2.1.5 Bauangaben
Erstellen von Schlitz-, Aussparungs- und Durchbruchsplänen und Prüfung einschlägiger Pläne.
1.2.1.6 Projektpläne
Erstellen von Projektplänen Maßstab M 1:50 oder M 1:100 mit Angaben der Leitungsführung und Dimensionierung als Folgeleistung zu den Übersichtszeichnungen, einschließlich aller Anlagen- und Schaltschemata, bzw. notwendiger Details, etc.
1.2.1.7 Ausschreibungsunterlagen Massenermittlungen und Materialbestimmung; Aufstellung von Leistungsverzeichnissen und Leistungsbeschreibungen für die Ausschreibung, jedoch ohne Vervielfältigung, Einholung von Angeboten.
1.2.1.8 Prüfung der Angebote
aufgrund der Ausschreibungsunterlagen in technischer und rechnerischer Hinsicht und auf Preiswürdigkeit. Anfertigen eines Prüfberichtes zu den eingeholten Angeboten.
1.2.2 Ausführungsphase
1.2.2.1 Allgemeine Herstellungsüberwachung
Die allgemeine Herstellungsüberwachung umfaßt Beratung und Unterstützung der Bauleitung, des Architekten oder des Auftraggebers; Einweisung der ausführenden Unternehmen, Überwachung der Ausführung in größeren Zeitabständen (Bauphasen); Stellungnahme zu Fragen und Änderungwünschen während der Ausführung; Verhandlung und Schriftwechsel mit Behörden und Dritten in technischen Fragen.
Die allgemeine Herstellungsüberwachung umfaßt nicht die örtliche Herstellungsüberwachung. Sie ist auch kein Teil der örtlichen Herstellungsüberwachung.
1.2.2.2 Abnahme
Abnahme der betriebsfertigen Anlage auf Vertragsmäßigkeit ohne Leistungsmessung; Niederschrift des Ergebnisses der Abnahme und ggf. Erteilung von Mängelrügen; Festlegung von Nachfristen für die Mängelbeseitigung, Prüfung der Bestandspläne auf Vollzähligkeit.
Honorare für Werksabnahme werden gesondert vereinbart.
1.2.2.3 Ausmaßprüfung
Überprüfung der von den Lieferfirmen erstellten Ausmaße.
..."
In der vor dem Berufungssenat durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers an, dieser mache nicht etwa die Planung von Klimaanlagen und Heizungen, sondern übe eine übergeordnete Tätigkeit aus: Er bestimme die Art der zu installierenden Anlagen. Es handle sich dabei nicht um Anlagen für einzelne Wohnungen, sondern für größere Siedlungen wie z.B. die P.A.H.-Siedlung-West. Der Beschwerdeführer überprüfe und kontrolliere die von den Teilnehmern am Ausschreibungsverfahren vorgelegten Pläne, übe die Bauaufsicht aus und nehme die Anlage ab. Nach einer dem Berufungssenat vorgelegten "Bestätigung" des Ziviltechnikers Dipl.Ing. Peter F. führe der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit als Haustechnikkonsulent für sein Unternehmen Planungs- und Bauaufsichtstätigkeiten durch, welche dem Niveau eines Ziviltechnikers entsprechen.
In dem in Beschwerde gezogenen Bescheid, mit dem der Berufung teilweise stattgegeben wurde, wurden die Einkünfte des Beschwerdeführers als solche aus Gewerbebetrieb eingestuft. Die belangte Behörde führte dazu aus, die Planungstätigkeit des Beschwerdeführers bei der Errichtung von Hochbauten hätte nicht alle technischen Einrichtungen umfaßt, sondern sich auf den Einbau von Lüftungs-, Heizungs-, Klima- und Sanitäranlagen beschränkt. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei daher nicht der eines Ziviltechnikers ähnlich.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 22 Z. 1 lit. b EStG 1988 zählen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Einkünfte aus der Berufstätigkeit der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker oder aus einer unmittelbar ähnlichen Tätigkeit.
Für die Feststellung der Ähnlichkeit einer Tätigkeit mit der eines Ziviltechnikers ist es nicht erforderlich, daß die Tätigkeit dem gesamten Tätigkeitsbereich des Ziviltechnikers entspricht; wohl aber muß die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, abgesehen von einer durch gehobene Vorbildung gekennzeichneten fachlichen Qualifikation, den wesentlichen und typischen Teil der Tätigkeit umfassen, zu dem die einschlägigen Vorschriften über den Beruf eines Ziviltechnikers berechtigen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1984, 3746/80, 82/14/0334). Es ist also entscheidend, ob das Tätigkeitsbild in seiner Gesamtheit mit jenem Tätigkeitsbild vergleichbar ist, das ÜBLICHERWEISE die Tätigkeit entsprechend spezialisierter Ziviltechniker kennzeichnet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Mai 1992, 87/13/0205).
Nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde umfaßte die Tätigkeit des Beschwerdeführers zunächst eine planende Tätigkeit hinsichtlich Lüftungs-, Heizungs-, Klima- und Sanitäranlagen. Eine solche Planungstätigkeit ist dem Kernbereich einer üblichen Ziviltechnikertätigkeit zuzuordnen (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tage, 92/13/0117, mit weiteren Hinweisen). Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist es dabei unbeachtlich, daß sich die Tätigkeit nicht auf die gesamte technische Einrichtung der in Rede stehenden Großwohnbauanlagen, sondern nur auf die angeführten Einrichtungen bezog, weil eine solche Spezialisierung auf den vom Beschwerdeführer beschriebenen Bereich durchaus einer üblichen Spezialisierung von Ziviltechnikern entspricht. Überdies hat der Beschwerdeführer auch weitere Tätigkeiten erbracht, die im § 5 Abs. 1 Ziviltechnikergesetz, BGBl. Nr. 146/1957 angeführt sind; so hat seine Tätigkeit insbesondere auch die Überwachung der Herstellung technischer Anlagen und Einrichtungen - ausgenommen die örtliche Herstellungsüberwachung - sowie deren Abrechnung und Abnahme (§ 5 Abs. 1 lit. b ZTG) umfaßt. Daraus folgt aber, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers dem Berufsbild eines - entsprechend spezialisierten - Ziviltechnikers entspricht.
Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, daß der Gesetzgeber des EStG 1988 im Verhältnis zur Rechtslage nach dem EStG 1967 und dem EStG 1972 - wozu die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist - das Wort "unmittelbar" eingefügt hat. Wollte man nämlich voraussetzen, daß der Steuerpflichtige zur Ausübung des gesamten Berufsbildes eines Ziviltechnikers berechtigt sein müsse, so wäre für die Anwendung der Bestimmung über die unmittelbare Ähnlichkeit des Berufes kein Raum mehr. Auch den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des EStG 1988 kann entnommen werden, daß ein "planender Baumeister" nach Auffassung des Gesetzgebers dem Berufsbild eines Ziviltechnikers UNMITTELBAR ähnlich ist (vgl. 621 Blg. Nr. XVII. GP). Eine Auseinandersetzung mit dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, 3746/80, 82/14/0334, konnte schon deswegen unterbleiben, weil das Erkenntnis zum EStG 1972 ergangen ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich damit als inhaltlich rechtswidrig, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Dabei konnte von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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