VwGH 93/08/0269

VwGH93/08/026925.1.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 2. August 1993, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AHStG §10 Abs1;
AHStG §13;
AHStG §6;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs2;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs3;
AlVG 1977 §12 Abs4;
AlVG 1977 §12 Abs5;
AlVG 1977 §12 Abs6;
AlVG 1977 §7;
AlVG 1977 §9;
AHStG §10 Abs1;
AHStG §13;
AHStG §6;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs2;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs3;
AlVG 1977 §12 Abs4;
AlVG 1977 §12 Abs5;
AlVG 1977 §12 Abs6;
AlVG 1977 §7;
AlVG 1977 §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 23. November 1992 auf Gewährung von Notstandshilfe ab 25. November 1992 ab. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer seit dem Wintersemester 1990/91 an der medizinischen Fakultät der Universität Wien inskribiert sei und seither vier Teilprüfungen des ersten Abschnittes des genannten Studiums, und zwar am 21. März 1991, am 11. Dezember 1991, am 7. Februar 1992 und am 27. Jänner 1993, positiv abgelegt habe. Die belangte Behörde sei aufgrund dessen in freier Beweiswürdigung zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer auch ab Februar 1992 im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG als ordentlicher Hörer aktiv studiert habe. Es widerspreche nämlich der allgemeinen Erfahrung, daß er ohne Besuch von Lehrveranstaltungen und ohne Aufwand einer nachhaltigen Lernkapazität drei der vier Teilprüfungen in der Zeit vom Dezember 1991 bis Jänner 1993 hätte bestehen können. Er gelte daher nicht als arbeitslos. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 4 AlVG habe deshalb nicht erteilt werden können, weil kein berücksichtigungswürdiger Fall vorliege. Der Beschwerdeführer sei nämlich hinsichtlich der spruchrelevanten Zeit kein Werkstudent, weil er während seines letzten Dienstverhältnisses vom 1. Juli 1985 bis 4. Juli 1986 bei der Firma P noch nicht Medizin studiert habe. Eine Zusammenrechnung mit einem allfälligen früheren Besuch der Maturaschule komme nicht in Frage, weil das damalige Ausbildungsziel, nämlich die Ablegung der Externistenreifeprüfung vor der Aufnahme des Medizinstudiums erreicht gewesen sei und letzteres ein gänzlich neues persönliches Ausbildungsziel darstelle (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0066). Von seiner individuellen Situation her habe keine Notwendigkeit einer weiteren von der Arbeitsmarktverwaltung zu stützenden Ausbildung in Form des Medizinstudiums bestanden, weil die Vermittlungsqualifikation durch die Angestelltentätigkeit bis 4. Juli 1986 und die Externistenmatura ausreichend gegeben gewesen sei. Die regionale Situation auf dem Wiener Arbeitsmarkt sei nach wie vor so, daß in den nächsten Jahren mit einer erfolgreichen Unterbringung von Jungmedizinern nur begrenzt zu rechnen sei, sodaß auch vom regionalen Gesichtspunkt aus kein berücksichtungswürdiger Fall betreffend der vom Beschwerdeführer frei gewählten neuen Berufsausbildung gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, für den Zeitraum vom 25. November 1992 bis 31. Mai 1993 Notstandshilfe zu erhalten, verletzt erachtet. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, daß die belangte Behörde, ausgehend von der Inskription des Beschwerdeführers und den abgelegten Teilprüfungen, zu Unrecht angenommen habe, er habe im maßgeblichen Zeitraum "tatsächlich studiert" bzw. "aktiv studiert". Dies hätte vielmehr durch weitere Anfragen an die medizinische Fakultät der Universität Wien geklärt werden müssen. Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß der Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum studiert habe, sei der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Denn es habe sich beim Studium des Beschwerdeführers um eine Nach- und Umschulung im Sinne des § 12 Abs. 5 AlVG gehandelt, die nicht als Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 und 2 leg. cit. anzusehen sei. Zumindest aber liege ein berücksichtigungswürdiger Fall gemäß § 12 Abs. 4 AlVG vor, weil selbst dann, wenn man davon ausgehe, daß der Beschwerdeführer durch die Externistenmatura und seine praktische Angestelltentätigkeit ausreichend am Arbeitsmarkt vermittelbar gewesen sei, seine Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, durch ein Medizinstudium, unabhängig davon, ob er es abschließe, wesentlich erhöht würden. Der Verweis darauf, daß Jungmediziner derzeit und vermutlich auch in den nächsten Jahren schwer am Arbeitsmarkt unterzubringen seien, sei insofern nicht stichhältig, als zwar für spezifisch ärztliche Berufe die Situation am Arbeitsmarkt schwierig sein könnte, eine Berufstätigkeit z.B. in Unternehmen der Pharmaindustrie mit teilweiser Absolvierung oder gänzlichem Abschluß eines Medizinstudiums weiterhin möglich sei, sodaß durch die durch das Studium gegebene Ausbildung eine Verbesserung der Position am Arbeitsmarkt gegeben sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des gemäß § 38 AlVG auf einen Anspruch auf Notstandshilfe anwendbaren § 12 AlVG lauten:

"(1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

(2) Ein selbständiger Pecher gilt in der Zeit der saisonmäßigen Erwerbsmöglichkeit, das ist vom dritten Montag im März bis einschließlich dritten Sonntag im November eines jeden Jahres, nicht als arbeitslos. In der übrigen Zeit des Jahres gilt der selbständige Pecher als arbeitslos, wenn er keine andere Beschäftigung gefunden hat.

(3) Als arbeitslos im Sinne der Absätze 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

...

f) wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne daß ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.

(4) Von den Bestimmungen des Abs. 3 lit. f kann das Arbeitsamt in berücksichtigungswürdigen Fällen Ausnahmen zulassen, insbesondere, wenn der Arbeitslose dem Studium oder der praktischen Ausbildung bereits während des Dienstverhältnisses, das der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorangegangen ist, oblag.

(5) Nach- und Umschulung und der Besuch einzelner Lehrkurse zur Erweiterung der fachlichen oder Allgemeinbildung gelten nicht als Beschäftigung im Sinne der Abs. 1 und 2."

Unzutreffend ist zunächst die sowohl dem angefochtenen Bescheid als auch der darauf replizierenden Verfahrensrüge zugrundeliegende Rechtsauffassung, daß für die Erfüllung des Tatbestandes einer Ausbildung als ordentlicher Hörer einer Hochschule nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht die bloße Inskription genüge, sondern ein "tatsächliches" bzw. "aktives" Studium erforderlich sei. Denn, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Juni 1993, Zl. 92/08/0129, ausführlich dargelegt hat, bewirkt die "Ausbildung" in einer Schule oder einem (schulähnlichen) geregelten Lehrgang - im Gegensatz zur Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme nach § 12 Abs. 5 leg. cit. - kraft Gesetzes die unwiderlegliche Vermutung, daß der Betreffende so lange einer Vermittlung durch das Arbeitsamt nicht zur Verfügung steht, als er in der Schule oder dem geregelten Lehrgang ausgebildet wird bzw. sich der praktischen Ausbildung unterzieht. Seine allfällig bestehende Arbeitswilligkeit kann der Anspruchswerber daher nicht durch die bloße Erklärung, arbeitswillig zu sein (zu ergänzen: durch die bloße Erklärung, sich trotz formeller Teilnahme an der Schulungsmaßnahme ohnedies nicht ausbilden zu lassen), sondern nur durch die Beendigung der Ausbildung wirksam dokumentieren. Der Grund (und zugleich die Rechtfertigung) für diese unwiderlegliche Vermutung liegt darin, daß die übliche Arbeitszeit desjenigen, der sich - entsprechend dem Lehrplan (Studienplan) - einer solchen Ausbildung unterzieht, wegen der in Schulform organisierten Ausbildung vollständig oder doch überwiegend in Anspruch genommen und deshalb anzunehmen ist, daß er während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an der Erreichung eines bestimmten Ausbildungszieles interessiert ist. Vor diesem Hintergrund gilt aber ein Studierender, der nach § 10 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 6 und 13 des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes der Universität durch die Inskription nach seiner Aufnahme als ordentlicher Hörer in der Form der Immatrikulation meldet, daß er das gewählte ordentliche Studium im betreffenden Semester beginnen oder fortsetzen werde, so lange nicht als arbeitslos, als er nicht in der nach den studienrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Form die Beendigung seiner Ausbildung wirksam dokumentiert. Die bloße Erklärung des Beschwerdeführers, im relevanten Zeitraum vom 25. November 1992 bis 31. Mai 1993 trotz aufrechter Inskription nicht "aktiv" ("tatsächlich") studiert zu haben, ist daher unmaßgeblich. Die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers ist demnach unbegründet.

Aber auch seiner Rechtsrüge kommt keine Berechtigung zu. Da, wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis vom 8. Juni 1993, Zl. 92/08/0129, näher dargelegt hat, eine Schulungsmaßnahme nicht zugleich dem § 12 Abs. 3 lit. f AlVG und dem § 12 Abs. 5 leg. cit. zugeordnet werden kann, hat die belangte Behörde mit Recht nicht untersucht, ob es sich beim Studium des Beschwerdeführers um eine "Nach- oder Umschulung" im Sinne des § 12 Abs. 5 leg. cit. gehandelt hat. Unter Bedachtnahme auf das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0066, ist es aber auch nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde auch in diesem Beschwerdefall das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG im Hinblick darauf verneint hat, daß der Beschwerdeführer, was er auch in der Beschwerde nicht bestreitet, schon durch die Externistenmatura und durch seine frühere Angestelltentätigkeit ausreichend am Arbeitsmarkt vermittelbar gewesen sei, und demgegenüber seiner Behauptung, es würden seine Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, durch ein Medizinstudium, unabhängig davon, ob es abgeschlossen werde, wesentlich erhöht, keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 8. Mai 1990, Zl. 90/08/0066).

Da somit schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte