VwGH 93/02/0267

VwGH93/02/026725.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 1. September 1993, Zl. UVS 30.7-208/92-13, betreffend Übertretungen des KJGB, zu Recht erkannt:

Normen

KJBG 1987 §26;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
KJBG 1987 §26;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte 2. und 3. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen (somit hinsichtlich des Spruchpunktes 1.) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. September 1993 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A. GesmbH mit dem Sitz in G und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Arbeitgebers zu verantworten, daß, wie anläßlich einer am 2. Oktober 1990 durchgeführten Überprüfung eines örtlich umschriebenen Betriebes durch das Arbeitsinspektorat festgestellt worden sei,

1. das im Betrieb zu führende Verzeichnis der (namentlich genannten) Lehrlinge keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung enthielt, obwohl das Verzeichnis der Jugendlichen diese Angaben zu enthalten habe;

2. die Arbeitszeit des Lehrlings Claudia R am 21. August und am 22. August 1990 je (näher bezeichnete) 9,30 Stunden betragen habe, obwohl die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen acht Stunden nicht überschreiten dürfe und 3. die Wochenarbeitszeit dieses Lehrlings vom 20. August bis 25. August 1990 52 Stunden und 30 Minuten betragen habe, obwohl die Wochenarbeitszeit der Jugendlichen 40 Stunden nicht überschreiten dürfe. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1. nach § 26 Abs. 1 KJGB und zu 2. und 3. je nach § 11 Abs. 1 KJBG, jeweils in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, daß der Zeuge B hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG anzusehen und daher der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der in Rede stehenden Gesellschaft zur Verantwortung zu ziehen sei.

Diesem Vorbringen ist teilweise Erfolg beschieden:

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte "Erklärung" vom 6. März 1988, welche von ihm und dem Zeugen B gefertigt wurde, hat folgenden Wortlaut:

"Es wird hiemit ausdrücklich bestätigt, daß die Firma A... ihrem Mitarbeiter und Prokuristen, Herrn B..., nachstehenden Verantwortungsbereich übertragen hat:

1) Herr B... ist für das gesamte Personalwesen im

endgefertigten Unternehmen verantwortlich.

2) Herr B... hat dafür zu sorgen, daß sämtliche, für den

Betrieb einer Bäckerei gültigen Vorschriften erfüllt werden. Er hat dafür Sorge zu tragen, daß keine der Dienstnehmerinnen außerhalb der vorgesehenen und erlaubten Arbeitszeiten beschäftigt sind.

3) Herr B... wird diesbezüglich ständig kontrolliert und überprüft. Er hat für den Fall, als es Übertretungen geben sollte, diese verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten."

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter anderem unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1993, Zl. 92/11/0258, die Ansicht vertreten, die in Rede stehende "Erklärung" vom 6. März 1988 enthalte keine Anordnungsbefugnis für einen "klar abgegrenzten Bereich". Dazu ist zu bemerken:

In diesem soeben zitierten hg. Erkenntnis hat der Gerichtshof dargelegt, daß der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist; erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über die Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, daß Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt.

Dieser Rechtsanschauung trägt die erwähnte "Erklärung" vom 6. März 1988 in Hinsicht auf die dem Beschwerdeführer zu 2. und 3. des Schuldspruches angelasteten Verwaltungsübertretungen Rechnung, ergibt sich doch aus dem jeweils zweiten Satz der Punkte 2 und 3 der "Erklärung", daß dem B die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitszeit durch die Dienstnehmerinnen übertragen wurde. Bei den erwähnten, dem Beschwerdeführer zu den Spruchpunkten 2. und 3. zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen handelt es sich aber um solche, welche die Nichteinhaltung der Arbeitszeit betreffen. Einer zusätzlichen ausdrücklichen Anführung, daß damit auch jugendliche Dienstnehmerinnen (Lehrlinge) gemeint seien, bedurfte es trotz der oben dargestellten erforderlichen "klaren Abgrenzung" ebensowenig wie des Umstandes, daß B in Hinsicht auf die Arbeitszeit auch für die Einhaltung des KJGB verantwortlich sei.

Was die "nachweisliche Zustimmung" des B zu seiner Bestellung anlangt, so trägt die erwähnte "Erklärung" vom 6. März 1988 dem gleichfalls Rechnung, insbesondere ist diese von K. unterfertigt (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0054). Aber auch vom Vorliegen einer entsprechenden Anordnungsbefugnis des B in Hinsicht auf die Einhaltung der Arbeitszeiten durch die Dienstnehmerinnen war - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - auszugehen, was sich aus den Worten "Er hat dafür Sorge zu tragen ..." im erwähnten zweiten Satz des Punktes 2 der "Erklärung" vom 6. März 1988 ergibt, wozu im übrigen bemerkt wird, daß es bei einer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nicht erforderlich ist, jede einzelne Anordnungsbefugnis anzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 88/08/0212).

Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, als sie (auch) davon ausging, daß B nicht als verantwortlicher Beauftragter in Hinsicht auf die dem Beschwerdeführer zu den Spruchpunkten 2. und 3. angelasteten Verwaltungsübertretungen anzusehen sei und sohin den Beschwerdeführer die Verantwortung hiefür treffe. Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Anders verhält es sich jedoch zum Spruchpunkt 1.: Damit wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, gegen § 26 Abs. 1 KJGB insoweit verstoßen zu haben, als das im Betrieb zu führende Verzeichnis der Lehrlinge keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung enthalten habe. Im Hinblick auf die oben dargestellte hg. Rechtsprechung, betreffend das Erfordernis der "klaren Abgrenzung" kann nicht davon ausgegangen werden, daß die "Erklärung" vom 6. März 1988 eine wirksame Bestellung des B zum verantwortlichen Beauftragten auch in Hinsicht auf diese Verwaltungsübertretung erfolgte. Dies zunächst deshalb, weil es bei dieser Verwaltungsübertretung nicht um die Einhaltung der Arbeitszeit, sondern um die Führung eines Verzeichnisses geht. Die Umschreibung der Verantwortlichkeit des B für "das gesamte Personalwesen" (Punkt 1 der erwähnten Erklärung) ist zu allgemein gehalten, um im Sinne der geforderten "klaren Abgrenzung" dienlich zu sein. Schließlich ist für den Beschwerdeführer auch mit dem ersten Satz des Punktes 2 dieser Erklärung nichts gewonnen, da unter den "gültigen Vorschriften für den Betrieb einer Bäckerei" keineswegs mit der notwendigen Klarheit ausgedrückt wird, daß damit auch die Verantwortung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften übernommen wird. Zusammenfassend läßt sich daher sagen, daß sich der Beschwerdeführer in Hinsicht auf die Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 KJGB nicht rechtens auf die Bestellung des B zum verantwortlichen Beauftragten berufen konnte.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde (in Hinsicht auf diese Verwaltungsübertretung) auch davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer Verschulden anzulasten ist. Soweit der Beschwerdeführer zunächst dazu vorbringt, die in Rede stehende "Erklärung" sei unter "rechtsfreundlicher Anleitung" verfaßt worden, sodaß der Beschwerdeführer in der "subjektiven (gutgläubigen)" Überzeugung gewesen sei, die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG auf B übertragen zu haben, so vermag ihm der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. Dem Beschwerdeführer mußte nämlich bei gehöriger Aufmerksamkeit auffallen, daß diese "Erklärung" in Hinsicht auf den Arbeitnehmerschutz - abgesehen von der Einhaltung der Arbeitszeit durch die Dienstnehmerinnen - eine "klare Abgrenzung" vermissen läßt. Eine Verpflichtung der Behörde, den Beschwerdeführer auf die diesbezügliche Mangelhaftigkeit der erwähnten "Erklärung" aufmerksam zu machen, bestand nicht. "Stichproben" in Hinsicht auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften sind nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zl. 91/19/0379) nicht ausreichend, vielmehr hätte es diesbezüglich eines wirksamen Kontrollsystems bedurft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0247).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin in bezug auf Spruchpunkt 1. als unbegründet und war daher in diesem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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