VwGH 92/15/0188

VwGH92/15/018830.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Dr. G in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 29. September 1992, Zl. 503-2/92, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §37 Abs2 Z3;
EStG 1988 §37 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens allein in Streit, ob der Begriff des "freiwilligen Wechsels" der Gewinnermittlungsart im Sinne des § 37 Abs. 2 Z. 3 EStG 1988 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, auf den eigentlichen Akt des Wechsels der Gewinnermittlungsart beschränkt ist oder ob ein Durchgriff auf eine vorgelagerte freiwillige Entscheidung - im Beschwerdefall auf die im Jahr 1989 vom Beschwerdeführer getroffene Entscheidung, die von ihm seit dem Jahr 1984 nach Übernahme von seinem Vater weitergeführte Arztpraxis aufzugeben, womit zwingend ein Wechsel von der ab dem Jahr 1985 erfolgten Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 bzw. 1988 auf die Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. verbunden war - zu erfolgen hatte. Die belangte Behörde hielt im angefochtenen Bescheid die Anwendung des gemäß § 37 EStG 1988 für außerordentliche Einkünfte ermäßigten Steuersatzes auf den vom Beschwerdeführer für das Jahr 1989 ermittelten Übergangsgewinn nicht für zulässig. Für ihre auch in einem Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen zum Ausdruck kommende Rechtsansicht spreche insbesondere der Umstand, daß andernfalls ein Steuerpflichtiger, der seinen Betrieb innerhalb von sieben Jahren aufgebe bzw. veräußere, allein durch die seinerzeitige Wahl einer bestimmten Gewinnermittlungsart in den Genuß einer steuerlichen Begünstigung gelangen könnte. Der steuerlichen Begünstigungsregelung liege aber die Überlegung zugrunde, daß erst bei einer erheblichen Zusammenballung von Einkünften - davon könne nach dem Gesetz erst nach Ablauf von sieben Jahren gesprochen werden - eine Minderung der Steuerprogression gerechtfertigt sei. Demgegenüber vertritt der Beschwerdeführer die Rechtsansicht, der freiwillige Entschluß zur Aufgabe eines Betriebes, mit dem zwingend der Wechsel der Gewinnermittlungsart verbunden sei, könne nicht als freiwilliger Wechsel der Gewinnermittlungsart im Sinne des § 37 Abs. 2. Z. 3 EStG 1988 gedeutet werden. Die Beschwerde beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 37 EStG 1988 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993

lauten auszugsweise wie folgt:

"Ermäßigte Steuersätze

§ 37. (1) Der Steuersatz ermäßigt sich

1. für außerordentliche Einkünfte (Abs. 2)

...

(2) Außerordentliche Einkünfte sind nur:

...

3. Gewinne, die infolge eines Wechsels der Gewinnermittlungsart entstehen, wenn der Steuerpflichtige überdies im Falle eines freiwilligen Wechsels die Gewinnermittlungsart mindestens sieben Jahre beibehalten hat."

QUANTSCHNIGG-SCHUCH, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 10.4 zu § 37, sprechen unter Hinweis auf einen Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen davon, daß ein freiwilliger Wechsel der Gewinnermittlungsart vorliege, wenn er auf eine freie Willensentscheidung zurückzuführen sei. Die Verwaltungspraxis stehe nach Ansicht der genannten Autoren zu Recht auf dem Standpunkt, daß bei Beurteilung der Freiwilligkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart nicht nur die "direkte" Freiwilligkeit, sondern auch die "indirekte" Freiwilligkeit eine Rolle spiele. Verkaufe jemand freiwillig seinen Betrieb oder gebe er freiwillig seinen Betrieb auf, so nehme er auch einen - dadurch gegebenenfalls erforderlich werdenden - Wechsel der Gewinnermittlungsart freiwillig in Kauf. Es müsse sich allerdings um einen Akt handeln, den der Steuerpflichtige unmittelbar selbst setzen könne, wovon im Gegensatz hiezu bei einem Überschreiten der Buchführungsgrenzen des § 125 BAO nicht die Rede sein könne.

HEIDINGER begründete seine gegenteilige Rechtsansicht schon vorher (ÖStZ 8/1989, 91) im wesentlichen damit, daß bei grammatikalischer Gesetzesinterpretation das Wort "freiwillig" unmittelbar der Wortfolge "Wechsel der Gewinnermittlungsart" zuzuordnen sei, weswegen es keinen Durchgriff auf die Frage geben könne, ob der Entschluß, der zum gesetzlich zwingenden Wechsel der Gewinnermittlungsart geführt habe, an und für sich selbst freiwillig gewesen sei; auch der Zweck der gesetzlichen Regelung spreche für diese Auslegung, weil die Sieben-Jahresfrist nicht die vom Gesetzgeber geförderte Strukturverbesserung erschweren solle. Eine andere rechtliche Beurteilung beim Überschreiten von Buchführungsgrenzen sei nicht konsequent, weil dieses Ereignis auf den Entschluß des Unternehmers, seinen Umsatz oder Gewinn zu steigern, zurückzuführen sei.

Auch LATTNER (ÖStZ 18/1990, s 212 f) hält es für unzulässig, jenen Vorgang, der zum Wechsel der Gewinnermittlungsart führt ("zwingt"), in die Betrachtung der Freiwilligkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart einzubeziehen.

HOFSTÄTTER-REICHEL, EStG 1988, III C, Tz 9 zu § 37, vertreten die Rechtsansicht, der Begriff der Freiwilligkeit sollte auf den eigentlichen Akt des Wechsels der Gewinnermittlungsart beschränkt bleiben, weil sonst vom Gesetzgeber wohl kaum beabsichtigte Einschränkungen der Begünstigung des § 37 Abs. 2 Z. 3 EStG 1988 die Folge wären.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich aus den von Heidinger, Lattner und Hofstätter-Reichel aufgezeigten Argumenten der Rechtsansicht des Beschwerdeführers an, daß von einem freiwilligen Wechsel der Gewinnermittlungsart im Sinne des § 37 Abs. 2 Z 3. EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung nicht die Rede sein kann, wenn der Wille eines Abgabepflichtigen nicht direkt auf die Änderung der Gewinnermittlungsart gerichtet ist, sondern sich diese als eine zwingende Rechtsfolge einer primär auf ein anderes Ziel gerichteten Maßnahme - im Beschwerdefall der Betriebsaufgabe - darstellt. Was die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift lediglich für den Fall des Wechsels der Gewinnermittlungsart infolge Überschreitens der Buchführungsgrenzen für richtig hält - nämlich, daß bei entsprechend weiter Zurückverfolgung der Kausalkette letztlich jeder Vorgang einem freien Wille entspringe und im Falle einer derartig überspitzten Interpretation des Begriffes der Freiwilligkeit eine dem Gesetzgeber nicht zuzusinnende Einschränkung des Anwendungsbereiches der Begünstigungsregelung einträte -, muß gleichermaßen auch für den Fall der Betriebsaufgabe gelten.

Aufgrund des Gesagten mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

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