VwGH 91/17/0007

VwGH91/17/000711.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark in Graz, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 28. März 1990, Zl. A 8-K-309/1989-3, betreffend Befreiung von der Ankündigungsabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

AnkündigungsabgabeV Graz 1985 §3 Abs1;
AnkündigungsabgabeV Graz 1985 §3 Abs2;
AnkündigungsabgabeV Graz 1985 §3 Abs1;
AnkündigungsabgabeV Graz 1985 §3 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 7.580,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 8. Mai 1989 stellte die Beschwerdeführerin folgendes Ansuchen:

"Erlaß von der Ankündigungsabgabe

Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark leistet für den ORF, im Rahmen einer Sendereihe im Rundfunk, einen Produktionskostenzuschuß, dem ein Patronanzwerbespot vorausgeht.

Für diesen Werbespot verrechnet der ORF der Arbeiterkammer 15 % von 175.68,--, das sind S 26.352,--.

Da damit kein kommerzielles Interesse verfolgt wird, sondern Information im Sinne des Arbeiterkammergesetzes für kammerzugehörige Dienstnehmer über wirtschaftspolitische, berufliche, gesetzliche und kulturelle Bereiche vermittelt wird, ersucht die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark um Erlassung der 15%igen Ankündigungsabgabe."

Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz gab mit Bescheid vom 16. November 1989 diesem Ansuchen "um Nachsicht der Ankündigungsabgabe ... gemäß § 183 der LAO 1963 in der geltenden Fassung" keine Folge. In der Begründung heißt es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen eine Unbilligkeit der Einhebung nicht vorliege.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin wird u.a. ausgeführt, "an und für sich" hätte es eines Hinweises auf § 183 LAO nicht bedurft, da die Behörde primär nach § 3 Abs. 2 der Grazer Ankündigungsabgabeverordnung vorgehen hätte sollen. Gemäß § 3 Abs. 2 dieser Verordnung könnten Ankündigungen, die ausschließlich oder vorwiegend und ohne Erwerbsabsichten wissenschaftlichen, gemeinnützigen oder Bildungszwecken dienten, über Ansuchen von der Abgabe durch Beschluß des Stadtsenates ganz oder zum Teil befreit werden.

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag, den bekämpften Bescheid aufzuheben und auszusprechen, daß die Beschwerdeführerin "nach § 3 Abs. 1 Ankündigungsabgabeverordnung von der Abgabe befreit ist, in eventu, daß sie nach § 3 Abs. 2 Ankündigungsabgabeverordnung befreit werde, in eventu gemäß § 183 Landesabgabenordnung die Abgabe durch Abschreibung nachgesehen werde".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, Gegenstand des Verfahrens sei die Berufung gegen den Bescheid vom 16. November 1989 betreffend die Nichtgewährung der Nachsicht für die Ankündigungsabgabe. Im gegenständlichen Verfahren sei daher nur die Frage zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Ankündigungsabgabe vorlägen. Die Frage des Vorliegens eines Befreiungstatbestandes sei in einem eigenen Verfahren zu prüfen und für die Beurteilung des Vorliegens der Bedingungen für eine Nachsicht unbeachtlich. Unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird sodann ausgeführt, daß eine Unbilligkeit als Voraussetzung für die Gewährung der Nachsicht im Beschwerdefall nicht vorliege.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 27. November 1990, B 607/90-6, ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Befreiung von der Ankündigungsabgabe verletzt. Sie beantragt den angefochtenen Bescheid aufzuheben, und zwar erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, die in Frage stehenden Aussendungen seien keine Ankündigungen im Sinne der Grazer Ankündigungsabgabeverordnung. Die belangte Behörde sei in dem angefochtenen Bescheid auf das eigentliche Begehren der Beschwerdeführerin überhaupt nicht eingegangen, sondern nur auf die Frage, ob Unbilligkeit im Sinne des § 183 LAO vorliege oder nicht. Für das Anliegen der Beschwerdeführerin wären die Bestimmungen "der erwähnten Landes-Verordnung" schon deshalb nicht heranzuziehen gewesen, weil die Grazer Ankündigungsabgabe-Verordnung im § 3 Abs. 2 die "fakultative" Befreiung von der Abgabe bei Vorliegen bestimmter Gründe ausdrücklich vorsehe. Dem ursprünglichen Ansuchen sei bereits eindeutig zu entnehmen, daß damit eine Entscheidung im Sinne dieser Verordnungsstelle herbeigeführt werden sollte. Wenn daher die belangte Behörde ebenso wie die Behörde erster Instanz die einschlägigen Bestimmungen der Ankündigungsabgabeverordnung übergangen habe, liege bereits darin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, die eine Aufhebung nach sich ziehen müßte.

Nach § 183 Abs. 1 Stmk. Landesabgabenordnung - LAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Nach dem Abs. 2 dieses Paragraphen findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Die Grazer Ankündigungsabgabe-Verordnung vom 5. Dezember 1985, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1986, S. 9, lautet auszugsweise:

"Abgabepflicht

§ 1

Von allen öffentlichen Ankündigungen innerhalb des Gebietes

der Stadt Graz ist eine Abgabe an die Stadt Graz zu entrichten.

Gegenstand der Abgabepflicht

§ 2

(1) Als Ankündigungen im Sinne des § 1 sind alle Ankündigungen durch Druck, Schrift, Bild oder Ton anzusehen, die an öffentlichen Verkehrsanlagen (Verkehrs- oder Erholungsflächen, Eisenbahnen, Flußläufen u.dgl.) oder in öffentlichen Räumen angebracht, ausgestellt oder vorgenommen, insbesondere auch durch Licht- oder Schallwirkungen oder durch besondere Apparate hervorgebracht werden.

(2) ...

(3) ...

(4) ...

(5) Ankündigungen im Sinne des § 1 sind ferner alle fremden Ankündigungen durch Rundfunk (Hörrundfunk und Fernsehrundfunk), die von einem Studio im Gebiet der Stadt Graz ihren Ausgang nehmen sowie fremde Ankündigungen, die von Kabelfernsehunternehmen mit dem Sitz in der Stadt Graz durchgeführt werden.

Abgabenbefreiungen

§ 3

(1) Von der Abgabe sind befreit:

...

(2) Ankündigungen, die ausschließlich oder vorwiegend und ohne Erwerbsabsichten wissenschaftlichen, gemeinnützigen oder Bildungszwecken dienen, können über Ansuchen von der Abgabe durch Beschluß des Stadtsenates ganz oder zum Teil befreit werden."

Vorweg ist anzumerken, daß der Verordnungswortlaut eine gesonderte Antragstellung und einen gesonderten Abspruch über einen solchen Antrag auf Befreiung von der Abgabe nicht ausschließt. Diese Vorgangsweise wird sich insbesondere dann als zweckmäßig erweisen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Befreiung für einen bestimmten Zeitraum begehrt wird (vgl. zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage nach dem Wiener Ankündigungsabgabegesetz 1983 das hg. Erkenntnis vom 30. Juli 1992, Zl. 89/17/0088).

Aus dem nach objektiven Maßstäben zu beurteilenden Wortlaut des eingangs dargestellten Antrages ergibt sich nun, daß der Antrag erkennbar auf Befreiung nach § 3 Abs. 2 Grazer Ankündigungsabgabe-Verordnung 1985 gerichtet war. So wird mit der Formulierung "Information ... für ... Bereiche" das Tatbestandsmerkmal "Bildungszwecke" in der vorgenannten Verordnungsstelle angesprochen. Es war daher verfehlt, diesen Antrag als Nachsichtsantrag im Sinne des § 183 LAO zu werten.

Daran vermag auch nichts zu ändern, daß Abspruchsgegenstand des Bescheides der Behörde erster Instanz ein "Nachsichtsansuchen" war und die belangte Behörde als Berufungsbehörde daher im Anwendungsbereich des § 213 LAO im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit des Abspruchsgegenstandes nicht befugt war, ihren Bescheid auf den Befreiungstatbestand der Grazer Ankündigungsabgabeverordnung zu stützen, weil sie damit nicht mehr "in der Sache" entschieden hätte. Da ein Ansuchen um Nachsicht gar nicht vorlag, fehlte die Grundlage - und demnach überhaupt die Möglichkeit -, eine Sachentscheidung im Grunde des § 183 LAO zu fällen. In einem solchen Fall hat die Berufungsbehörde den auf Grund einer zulässigen und fristgerechten Berufung angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte