VwGH 91/14/0076

VwGH91/14/007617.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 31. Jänner 1991, Zl. 245-3/90, betreffend Einkommensteuer 1988 (mitbeteiligte Partei: A in F) zu Recht erkannt:

Normen

ErbStG §1;
EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §24 Abs5;
EStG 1972 §29 Z1;
ErbStG §1;
EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §24 Abs5;
EStG 1972 §29 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei, die seit 1. Jänner 1988 eine Pension der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bezieht, übergab mit dem am 29. Dezember 1987 unterzeichneten Vertrag einen Gastgewerbebetrieb mit allen Aktiven und Passiven sowie weitere Liegenschaften zum 31. Dezember 1987 an ihre Tochter. In diesem Vertrag wurde unter anderem als Gegenleistung eine monatlich im vorhinein bis spätestens

5. eines jeden Monates zu zahlende wertgesicherte Versorgungsrente von S 5.000,-- ab dem Monat Jänner 1985 vereinbart.

In dem am 10. Februar 1988 beim Finanzamt eingelangten Fragebogen anläßlich der Aufgabe einer gewerblichen Tätigkeit führte die mitbeteiligte Partei als Einkünfte lediglich ihre Pension an.

Das Finanzamt forderte die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 4. August 1989 zur Einreichung einer Einkommensteuererklärung für 1988 auf. Mit dem am 30. August 1989 verfaßten Schreiben teilte die mitbeteiligte Partei mit, daß sie im Jahre 1988 außer ihrer Pension keine weiteren Einkünfte bezogen habe.

Das Finanzamt erließ in der Folge einen mit 28. August 1990 datierten Einkommensteuerbescheid für 1988 und erfaßte dabei die Versorgungsrente von S 60.000,-- (S 5.000,-- x 12) als sonstige Einkünfte.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wird vorgebracht, die mitbeteiligte Partei habe auf die im Vertrag vom 27. Dezember 1986 vereinbarte Versorgungsrente verzichtet, diese sei ihr also nie zugeflossen. Für den Verzicht sei ihr aber vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Schenkungsteuer vorgeschrieben worden.

Die Verzichtserklärung, die beim Finanzamt am 13. November 1989 als Beilage zur Berufung gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 1989 eingereicht worden war, hat folgenden Inhalt:

"Ich, A. F. geb am 20.9.1925, erkläre mich bereit, auf die im Übergabevertrag vom 29.12.1987 unter Punkt IV. des Übergabevertrages Ziffer e) monatlich vereinbarte Versorgungsrente von S 5.000,-- zu verzichten

F., 12.11.1988

Die Zahlungsverpflichtete: Die Empfängerin:"

In diesem Verfahren betreffend Einkommensteuer-Vorauszahlungen hatte das Finanzamt der mitbeteiligten Partei vorgehalten, die Verzichtserklärung sei mit November 1988 datiert und im November 1989 dem Finanzamt vorgelegt worden. Für Zeiträume vor deren Bekanntgabe gegenüber dem Finanzamt könne eine Verzichtserklärung steuerliche Wirkung nicht entfalten. Da Umstände, aufgrund derer die Betriebsübernehmerin nicht in der Lage gewesen wäre, die Rente auszuzahlen, nicht aufgezeigt worden und auch nach der Aktenlage nicht feststellbar seien, sei davon auszugehen, daß die Einkünfte aus der Versorgungsrente bis zum Zeitpunkt der Verzichtsmitteilung, also bis einschließlich November 1989, zugeflossen seien. Auch sei ihm Frühjahr 1989 bei der mitbeteiligten Partei eine Betriebsprüfung durchgeführt worden. Bei dieser sei jedoch dem Prüfer keine Mitteilung über den Verzicht gemacht worden. Dem Finanzamt wurde daraufhin ein mit 20. Februar 1990 datiertes, von der mitbeteiligten Partei und der Betriebsübernehmerin unterfertigtes Schreiben vorgelegt. In diesem wird festgehalten, daß im Übergabsvertrag zwar eine Versorgungsrente vereinbart worden sei, daß es aber, da in den folgenden Jahren im Betrieb größere Investitionen zu erwarten gewesen seien, eine mündliche Absprache gegeben habe, nach der die mitbeteiligte Partei aufgrund der Investitionen bis auf Widerruf auf die Auszahlung der Rente verzichte, um den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes nicht zu beeinträchtigen. Im Jahre 1988 seien keine Rentenzahlungen an die mitbeteiligte Partei geflossen. Die vom Finanzamt angesprochene Betriebsprüfung habe die mitbeteiligte Partei betroffen, die Versorgungsrente sei nicht Prüfungsgegenstand gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Zur Begründung wurde ausgeführt, die mitbeteiligte Partei habe mit der Betriebsübernehmerin eine Vereinbarung geschlossen, wonach sie bei Auftreten bei Investitionen bis auf Widerruf auf die Rente verzichte, um den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes nicht zu beeinträchtigen. Diese abändernde Vereinbarung sei dem Finanzamt nicht erst durch die Vorlage der Verzichtserklärung am 13. November 1989, sondern bereits durch die Einreichung des Fragebogens anläßlich der Aufgabe einer gewerblichen Tätigkeit am 10. Februar 1988 mitgeteilt worden. Aus den Angaben im Fragebogen sei für das Finanzamt erkennbar gewesen, daß die Rentenzahlungen nicht ausbezahlt würden. Da die mitbeteiligte Partei diesen Fragebogen bereits kurze Zeit nach der Betriebsübergabe übermittelt habe, sei das Vorbringen, daß von Anbeginn eine Vereinbarung bestanden habe, nach der bei Vorliegen von Investitionen oder bei schlechtem Geschäftsgang auf die Auszahlung der Rente verzichtet werde, glaubwürdig. Es sei somit davon auszugehen, daß die Versorgungsrente ab Jänner 1988 nicht zur Auszahlung gelangt sei. Die Betriebsübernehmerin habe im Jahre 1988 tatsächlich hohe Investitionen getätigt. Die mitbeteiligte Partei habe schließlich auch noch schriftlich auf die Versorgungsrente verzichtet. Zudem würde sich aus der Vorschreibung von Einkommensteuer neben der bereits erfolgten Vorschreibung von Schenkungsteuer eine im Gesetz nicht vorgesehene Doppelbelastung ergeben.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion gemäß § 292 BA0 erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Weder sie noch die mitbeteiligte Partei erstatteten eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Z 1 EStG 1972 sind wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 6 gehören, sonstige Einkünfte.

Gemäß § 19 Abs. 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Die Beschwerde rügt als Rechtswidrigkeit des Inhaltes, durch die zwischen der mitbeteiligten Partei und der Betriebsübernehmerin geschlossene Vereinbarung, wonach die mitbeteiligte Partei wegen Investitionen im Betrieb bis auf Widerruf auf die Rente verzichte, komme zum Ausdruck, daß die mitbeteiligte Partei auf die Auszahlung der Rente verzichte und der Betriebsübernehmerin für Investitionen belasse. Eine derartige Absprache stelle jedoch eine Vorausverfügung dar, durch welche die Rentenbezüge als zugeflossen anzusehen seien. Die Geldbeträge seien nämlich der im voraus bestimmten Verwendung, nämlich den Investitionen zugeführt worden.

Der Erlaß einer nicht betrieblichen Forderung einer natürlichen Person gegenüber einer anderen natürlichen Person führt ebenso wie der Verzicht auf künftige Einnahmen zwischen diesen Personen nicht zu einem Einnahmezufluß beim Gläubiger, da Zufluß und Rückzahlung grundsätzlich nicht fingiert werden dürfen (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zu EStG und KStG, 20. Aufl., § 11 Anm 57, und § 8 Anm 18; Schmidt, EStG, § 8 Anm 7 f und § 11 Anm 5 Stichwort "Verzicht"). Trifft aber der Anspruchsberechtigte eine Verfügung (Vorausverfügung), was mit den verzichteten Einnahmen zu geschehen habe (z.B. Anordnung, das Geld einem gemeinnützigen Zweck zuzuführen), so liegt eine Maßnahme der Einkommensverwendung vor und die Einnahmen gelten als dem Anspruchsberechtigten zugeflossen (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zu EStG und KStG, § 8 Anm 18).

Die Vereinbarung eines Rentenberechtigten, im Falle von Investitionen auf die Rentenzahlung zu verzichten, stellt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keine Vorausverfügung im Sinne der obigen Ausführungen dar. Die Investitionen liegen im Interesse des Zahlungsverpflichteten, sie führen bei diesem zu einer Vermögensumschichtung. Eine Verfügung durch den Rentenberechtigten kann nur angenommen werden, wenn der verfügte Zweck nicht primär im Interesse des Zahlungsverpflichteten liegt. Die Beschwerde ist somit mit dieser Rechtsrüge nicht im Recht.

In der Beschwerde wird zu Recht vorgebracht, daß die schenkungssteuerliche Beurteilung eines Sachverhaltes nicht für dessen einkommensteuerliche Würdigung bindend ist. Die Doppelbelastung durch Schenkungs(Erbschafts)steuer und Einkommensteuer ist - wie auch § 24 Abs. 5 EStG erkennen läßt - nicht rechtswidrig. Zudem ist denkbar, daß Einnahmen zunächst im Sinn des § 19 EStG zufließen und sodann einer Schenkung zugeführt werden. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid betreffend die Schenkungssteuer stellen aber bloß eine unwesentliche Zusatzbegründung dar; deren Unrichtigkeit kann somit nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen.

In der Beschwerde wird weiters als Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt, die belangte Behörde habe in sachverhaltsmäßiger Hinsicht aufgrund mangelhafter Beweiswürdigung zu Unrecht angenommen, daß zwischen der mitbeteiligten Partei und der Betriebsübernehmerin der Verzicht auf Rentenzahlungen von Anbeginn an und nicht erst ab der Bekanntgabe des Verzichtes an das Finanzamt vereinbart gewesen wäre. Damit vermag die Beschwerde aber schon deshalb keinen wesentlichen Verfahrensfehler aufzuzeigen, weil - wie oben ausgeführt - auch der nachträgliche Verzicht auf bislang noch nicht zugeflossene Einnahmen, wenn der Verzichtende nicht über die Einnahmen verfügt, nicht zu einem Zufluß dieser Einnahmen führt.

Als weitere Verfahrensrüge wird in der Beschwerde vorgebracht, die belangte Behörde habe es unterlassen, anhand von Kontoauszügen und der Buchhaltung der Betriebsübernehmerin zu überprüfen, ob es nicht doch zu einem Geldfluß gekommen sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß für die belangte Behörde kein Anlaß zu derartigen Erhebungen bestand, weil weder das Finanzamt davon ausging, daß es einen Zahlungsfluß gegeben habe, noch aus dem Akteninhalt irgendein Hinweis in diese Richtung deutet.

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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