VwGH 91/13/0138

VwGH91/13/013814.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des Ing. E in L und 2. des Dr. F, Rechtsanwalt in X, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Erstbeschwerdeführers, vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, dieser vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. April 1991, Zl. 6/4-4137/91-07, betreffend Zurückweisung einer Berufung (Einkommensteuer und Gewerbesteuermeßbetrag für die Jahre 1985 bis 1988 sowie Umsatzsteuer für die Jahre 1985 bis 1989),

Normen

AVG §9;
BAO §243;
BAO §275;
BAO §79;
KO §1 Abs1;
KO §3 Abs1;
KO §81;
KO §83;
VwGG §34 Abs1;
AVG §9;
BAO §243;
BAO §275;
BAO §79;
KO §1 Abs1;
KO §3 Abs1;
KO §81;
KO §83;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird zurückgewiesen. Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen;

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen des Erstbeschwerdeführers wurde mit Edikt vom 12. Oktober 1989 der Konkurs eröffnet. Zum Masseverwalter wurde der Zweitbeschwerdeführer (ein Rechtsanwalt) bestellt. An diesen wurden unter anderem folgende, den Erstbeschwerdeführer betreffende Bescheide zugestellt:

Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1985 bis 1989, Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1985 bis 1988

sowie Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens (Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1985 bis 1987).

Die vom Erstbeschwerdeführer gegen alle diese Bescheide fristgerecht erhobene Berufung wurde vom Finanzamt mit der Begründung zurückgewiesen, daß "sich die Beschränkungen der Handlungsfähigkeit des Gemeinschuldners nach § 3 Abs. 1 Konkursordnung auch auf die Einbringung von Rechtsmitteln gegen Abgabenbescheide beziehe, wenn die betreffenden Abgabenschulden zu den Konkursforderungen gehören". Auch dieser Bescheid erging an den Erstbeschwerdeführer z.Hd. des Zweitbeschwerdeführers und wurde vom Erstbeschwerdeführer mit Berufung bekämpft. Der Zweitbeschwerdeführer habe ihm "anheim gestellt, selbst gegen die Steuervorschreibungen zu berufen". Dies wurde in einem der Berufung in Kopie angeschlossenen Schreiben des Zweitbeschwerdeführers (gerichtet an den Rechtsanwalt des Erstbeschwerdeführers Dr. K) bestätigt.

Im Wege eines Mängelbehebungsauftrages (§ 275 BAO) wurde der Erstbeschwerdeführer aufgefordert, eine Vollmacht des Zweitbeschwerdeführers zur Einbringung der Berufung vorzulegen.

Daraufhin teilte der Zweitbeschwerdeführer dem Finanzamt in einem Schreiben vom 19. März 1991 mit, er habe in seiner Eigenschaft als Masseverwalter gegen die Bescheide deswegen keine Berufung erhoben, weil er für eine "sinnvolle Berufung keinerlei Informationen zur Verfügung hatte". Er vertrete aber die Auffassung, daß der Erstbeschwerdeführer eine rechtswirksame Berufung einbringen habe können; einer Bevollmächtigung hiezu bedürfe es nicht. Abgesehen davon halte er es nicht für zulässig, daß ein Masseverwalter dem Gemeinschuldner während des Konkursverfahrens Vollmacht erteile. Er betone nochmals, daß er "gegen die persönliche Bekämpfung der Steuerbescheide durch ... (den Erstbeschwerdeführer) nichts einzuwenden habe".

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Nach der Konkurseröffnung seien Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, welche die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Abgaben des Gemeinschuldners seien dem Masseverwalter gegenüber festzusetzen. Nur dieser - und nicht auch der Gemeinschuldner - sei zur Ergreifung von Rechtsmitteln berechtigt. Es treffe zwar zu, daß der Masseverwalter den Gemeinschuldner zur Prozeßführung beauftragen könne; ein derartiger Auftrag läge jedoch nicht vor. Vielmehr habe es der Zweitbeschwerdeführer dem Erstbeschwerdeführer lediglich "anheim gestellt", selbst gegen die Steuerbescheide zu berufen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Zweitbeschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Erstbeschwerdeführers diesen zu seiner Vertretung bevollmächtigt (eine entsprechende, auf die Erhebung der gegenständlichen Beschwerde eingeschränkte Vollmacht ist der Beschwerde angeschlossen). Der Zweitbeschwerdeführer selbst wiederum wird von einem anderen Rechtsanwalt vertreten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. April 1993, 93/14/0004, 0005, ausgeführt hat, verliert der Gemeinschuldner durch die Konkurseröffnung nicht die Prozeßfähigkeit und kann daher Bevollmächtigter in einem Verfahren sein. Die Vertretung des Zweitbeschwerdeführers durch den Erstbeschwerdeführer und damit eine zulässige, dem Zweitbeschwerdeführer zuzurechnende Beschwerde liegt somit vor. Im Hinblick auf die Einschränkung seiner Handlungsfähigkeit als Gemeinschuldner kann aber der Erstbeschwerdeführer nur als Vertreter des Zweitbeschwerdeführers, nicht jedoch selbst als Beschwerdeführer auftreten. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war daher - in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat - als unzulässig zurückzuweisen.

Zum Beschwerdevorbringen selbst ist folgendes zu sagen:

In dem oben zitierten Erkenntnis vom 20. April 1993 hat der Gerichtshof es ausdrücklich für zulässig erachtet, daß ein Gemeinschuldner "mit Zustimmung des Masseverwalters" im Abgabenverfahren Prozeßhandlungen vornimmt, wie z.B. Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens, Berufungen und Anträge auf Entscheidung über eine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die belangte Behörde vertritt nun die Rechtsansicht, daß als "Zustimmung" nur ein ausdrücklicher "Auftrag" des Masseverwalters anzusehen ist, und daß ein solcher Auftrag im Beschwerdefall nicht erteilt wurde.

Eine derartige Auslegung des Begriffes "Zustimmung" ist rechtlich verfehlt. Auch wenn die Initiative zu einer Prozeßhandlung nicht vom Masseverwalter ausgeht und die Prozeßhandlung daher nicht in seinem Auftrag erfolgt, kann ihr vom Masseverwalter zugestimmt werden. Zustimmung zu einem Handeln liegt jedenfalls vor, wenn sich der Zustimmende mit dem Handeln einverstanden erklärt. Eine solche Erklärung hat der Zweitbeschwerdeführer dem Finanzamt gegenüber in seinem Schreiben vom 19. März 1991 abgegeben, in dem er betont hat, daß er "gegen die persönliche Bekämpfung der Steuerbescheide durch ... (den Erstbeschwerdeführer) nichts einzuwenden habe". Hegte die belangte Behörde dennoch Zweifel daran, ob der Zweitbeschwerdeführer mit dieser Formulierung der vom Erstbeschwerdeführer erhobenen Berufung und deren Inhalt seine volle ausdrückliche Zustimmung erteilt hat, so wäre es an ihr gelegen gewesen, den Sachverhalt insoweit zweifelsfrei festzustellen, was durch eine nochmalige Anfrage beim Zweitbeschwerdeführer unschwer möglich gewesen wäre. Der bloße Hinweis des Zweitbeschwerdeführers, er halte es für unzulässig, daß ein Masseverwalter den Gemeinschuldner BEVOLLMÄCHTIGE sowie die Aussage, er habe selbst keine Berufung erhoben, weil er nicht über ausreichende Informationen verfügt habe, stehen mit dem Vorbringen, gegen die Berufung des Erstbeschwerdeführers nichts einzuwenden zu haben, nicht in einem solchen Widerspruch, daß sie diesem Vorbringen von vornherein die Eignung nehmen, darin eine Zustimmungserklärung zu erblicken.

Da sohin der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt nicht den Schluß zuließ, daß der Zweitbeschwerdeführer der vom Erstbeschwerdeführer erhobenen Berufung seine Zustimmung nicht erteilt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in jener Höhe zuzusprechen, in der Stempelgebühren für Beilagen zu entrichten waren, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten.

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