VwGH 89/16/0019

VwGH89/16/001930.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Steiner, Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. November 1988, GA 11 - 1707/5/88, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

GrEStG 1955 §1 Abs1 Z2;
GrEStG 1955 §3 Z2;
HGB §131;
HGB §142;
HGB §161;
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z2;
GrEStG 1955 §3 Z2;
HGB §131;
HGB §142;
HGB §161;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In dem beim Handelsgericht Wien geführten Firmenbuch ist eine Kommanditgesellschaft mit der Firma "AH & Söhne" eingetragen. Die Gesellschaft war grundbücherliche Eigentümerin zweier inländischer Grundstücke. Komplementär war der am 10. Februar 1986 verstorbene JH. Kommanditist war der am 4. November 1986 verstorbene AH. Beide Gesellschafter waren zu 50 % am Gewinn und Vermögen der Gesellschaft beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag war ua vereinbart, die Gesellschaft werde durch den Tod des Komplementärs aufgelöst. Seit

12. November 1987 befindet sich die Gesellschaft in Liquidation und führt seit diesem Tag die Firma mit dem Zusatz "in Liqu". Zum Liquidator ist OH, einer der Erben des AH, bestellt.

Die Beschwerdeführerin ist alleinige Erbin (Tochter) nach JH. Mit Beschluß des zuständigen Bezirksgerichtes vom 2. Februar 1987 wurde ihr der gesamte Nachlaß, der im wesentlichen aus sich im Privatvermögen des Erblassers befindlichen Anteilen an inländischen Grundstücken sowie aus seinem Anteil an der Kommanditgesellschaft bestand, eingeantwortet.

Mit Abtretungsvertrag vom 15./17. Dezember 1987 wurden die im Eigentum der Kommanditgesellschaft stehenden inländischen Grundstücke zwischen den Erben des JH und des AH gegen Übernahme einverleibter Pfandrechte aufgeteilt. Die Beschwerdeführerin erhielt jeweils die Hälfte der im Eigentum der Kommanditgesellschaft stehenden inländischen Grundstücke gegen Übernahme einer Schuld von 821.837 S.

Strittig ist, ob bereits mit dem Tod des JH am 10. Februar 1986 und somit der Auflösung der Kommanditgesellschaft ein Erwerbsvorgang im Sinn des § 1 GrEStG verwirklicht worden ist und dieser Vorgang grundsätzlich nach § 14 Abs 1 Z 1 lit a GrEStG 1955 zu besteuern, jedoch nach § 3 Z 2 leg cit von der Besteuerung ausgenommen ist bzw nach § 6 Abs 1 leg cit die Steuer nicht erhoben wird (Ansicht der Beschwerdeführerin), oder ob erst mit dem Abtretungsvertrag vom 15./17. Dezember 1987 der Anspruch auf Übereignung von Anteilen an den im Eigentum der Kommanditgesellschaft gestandenen inländischen Grundstücken begründet worden und dieser Vorgang daher nach § 7 Z 3 GrEStG 1987 zu besteuern ist, wobei die übernommene Schuld die Gegenleistung im Sinn des § 5 Abs 1 Z 1 leg cit darstellt (Ansicht der belangten Behörde).

Gegen den im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin geht davon aus, daß die Kommanditgesellschaft mit dem Tod des Komplementärs JH aufgelöst und damit voll beendet bzw erloschen ist. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt hat, führt die Auflösung einer Personengesellschaft des Handelsrechtes nur zur Beendigung der zweckgerichteten, werbenden Tätigkeit. Die Gesellschaft geht mit Auflösung nicht unter, sondern verwandelt sich in eine Abwicklungsgesellschaft (Liquidationsgesellschaft). Während des Liquidationszeitraumes bleibt die Gesellschaft weiterhin parteifähig und wird weder ihre Identität noch ihr im Gesamthandeigentum der Gesellschafter befindliches Vermögen beeinträchtigt. Zur Abwicklung ist jeder der Gesellschafter (hier: deren Erben) berechtigt; in der Regel wird jedoch - wie im vorliegenden Fall - ein Liquidator bestellt. Zweck der Liquidation ist, das vorhandene Gesellschaftsvermögen aus seiner gesamthänderischen Bindung zu lösen und auch alle sonstigen gemeinsamen Rechtsbeziehungen unter den Gesellschaftern zu beseitigen. Das Gesellschaftsvermögen ist primär in Geld umzusetzen. Es steht jedoch der Gesellschaft frei, eine Naturalteilung vorzunehmen oder einzelne Vermögensgegenstände einem Gesellschafter zuzuweisen. Hiefür bedarf es jedoch eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses. Vollbeendigung bzw Erlöschen einer Kommanditgesellschaft tritt erst ein, wenn kein Abwicklungsbedarf mehr bestehet. In der Regel ist mit der Schlußverteilung des Vermögens der Gesellschaft die Liquidation beendet und damit die Gesellschaft voll beendet bzw erloschen. (Vgl zu dem eben Gesagten Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht4, Band 2, 251 ff; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft4, 340 ff; Holzhammer, Österreichisches Handelsrecht III, Gesellschaftsrecht, 49 ff).

Die eben dargestellten Grundsätze gelten beispielsweise dann nicht, wenn bei einer aus zwei Personen bestehenden Personengesellschaft des Handelsrechtes im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters der verbleibende Gesellschafter von seinem Recht auf Übernahme des Unternehmens - sei es durch Gesetz oder Vertrag - Gebrauch macht (vgl § 142 HGB). In diesem Fall geht das Gesamthandeigentum der Gesellschaft ohne Liquidation in das Alleineigentum des verbleibenden Gesellschafters über. Eine derartige Übernahme lag sowohl dem von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihrer Rechtsansicht zitierten hg Erkenntnis vom 19. März 1981, 16/0981/80, Slg Nr 5565/F, als auch dem hg Erkenntnis vom 23. Jänner 1986, 84/16/0155, zugrunde. In beiden Erkenntnissen ist der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung zu dem Schluß gelangt, daß das Gesamthandeigentum der Gesellschaft an Grundstücken in das Alleineigentum des verbleibenden Gesellschafters übergeht und damit der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG 1955 verwirklicht wird. Ist der verbleibende Gesellschafter Alleinerbe oder wurde mit der Übernahme sein Pflichtteilsanspruch abgegolten, so ist der Übergang des Gesellschaftsvermögens nach Erbrecht zu beurteilen und der Erwerb von Grundstücken nach § 3 Z 2 GrEStG 1955 von der Besteuerung ausgenommen. Das eben Gesagte gilt auch hinsichtlich des Hinweises der Beschwerdeführerin auf die Ausführungen im (deutschen) Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz von Boruttau/Klein/Egly/Sigloch.

Im vorliegenden Fall erfolgte keine Übernahme des Unternehmens der Kommanditgesellschaft durch die Beschwerdeführerin, sondern wurde diese Gesellschaft mit dem Tod des Komplementärs JH aufgelöst. Mit dieser Auflösung wurde die Gesellschaft jedoch nicht voll beendet bzw ist diese nicht erloschen. Vielmehr hat sie sich in eine - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch bestehende - Liquidationsgesellschaft verwandelt. Der Beschwerdeführerin sind nach Ausweis der Verwaltungsakten zu Recht nicht Anteile der im grundbücherlichen Eigentum der Kommanditgesellschaft gestandenen inländischen Grundstücke eingeantwortet worden, sondern vielmehr der Anteil des Erblassers JH an dieser Gesellschaft und damit am Gesamthandvermögen. Die in Rede stehenden Grundstücke befanden sich daher auch nach dem Tod des JH im Gesellschaftsvermögen und damit im Gesamthandeigentum der Beschwerdeführerin (als Erbin des JH) und des AH. Die Beschwerdeführerin hat somit keine Anteile an inländischen Grundstücken von Todes wegen erworben, weswegen die Ausnahme von der Besteuerung nach § 3 Z 2 GrEStG 1955 nicht anwendbar ist.

Wie eben ausgeführt, ist der Erwerb der in Rede stehenden Anteile an inländischen Grundstücken NICHT mit dem Tod des JH verwirklicht worden. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin erst mit Abtretungsvertrag vom 15./17. Dezember 1987, der im Einvernehmen mit allen Gesellschaftern der sich in Liquidation befindlichen Kommanditgesellschaft zum Zweck der Naturalteilung des Grundvermögens dieser Gesellschaft abgeschlossen worden ist, einen Erwerbsvorgang verwirklicht, der den Anspruch auf Übereignung der in Rede stehenden Anteile an inländischen Grundstücken begründet hat.

Da somit der Erwerbsvorgang nach dem 30. Juni 1987 verwirklicht worden ist und gemäß § 12 Abs 1 erster Satz GrEStG 1987 die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden sind, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - ausgehend von einer unbestrittenen Gegenleistung von 821.837 S - die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 als erfüllt angesehen und hiefür den im § 7 Z 3 leg cit normierten Steuersatz zur Anwendung gebracht hat.

Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Verfahrensvorschriften, zeigt aber nicht auf, in welchem Punkt der festgestellte Sachverhalt von der belangten Behörde aktenwidrig angenommen wurde, noch welche Ermittlungen vermißt werden, wodurch die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die von der Beschwerdeführerin beantragte Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG unterbleiben, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl Nr 104/1991.

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