Normen
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 24. November 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, gemäß § 3 Abs. 1 und 3 sowie § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefaßt - folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei in der Zeit vom 20. August 1991 bis 1. Juni 1992 sechsmal wegen Übertretung der GewO 1973, zweimal wegen Übertretung des Tiroler Jugendschutzgesetzes und zweimal wegen Übertretung des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden. Nach dem 1. Juni 1992 (bis zur Erlassung des Bescheides vom 24. November 1992) sei der Beschwerdeführer weitere dreimal wegen Übertretung der GewO 1973 sowie wegen Übertretung des Tiroler Veranstaltungsgesetzes und des Tiroler Getränkesteuergesetzes bestraft worden; auch diese Bestrafungen seien in Rechtskraft erwachsen. Schließlich sei der Beschwerdeführer mit in Rechtskraft erwachsener Strafverfügung des Bezirksgerichtes Reutte vom 14. Juli 1992 wegen Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von S 6.000,-- verurteilt worden. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer diese Vielzahl von Straftaten innerhalb einer relativ kurzen Zeit begangen habe, vor allem aber, daß er auch nach Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn durch die BH Reutte am 1. Juni 1992 neuerlich mehrmals straffällig geworden sei, zeige die negative Grundeinstellung des Beschwerdeführers gegenüber der österreichischen Rechtsordnung und lasse nur eine negative Zukunftsprognose zu.
Im Rahmen der Interessenabwägung ging die belangte Behörde aufgrund des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich seit 1988 und der Tatsache, daß er hier bereits von 1970 bis 1977 gelebt habe, von dessen Integration aus. Der Beschwerdeführer sei mit einer schweizerischen Staatsangehörigen verheiratet und habe derzeit ein Gasthaus gepachtet. Die Eltern und ein Bruder des Beschwerdeführers lebten seinen Angaben zufolge in Innsbruck. Halte man sich vor Augen, daß der Beschwerdeführer und dessen Gattin ohnehin von seinen Eltern und seinem Bruder getrennt lebten, daß die Pacht eines Gasthauses nicht nur in Österreich möglich sei, und berücksichtige weiters, daß der Beschwerdeführer und dessen Gattin sich erst seit vier Jahren (wieder) im Bundesgebiet aufhielten und vorher zehn Jahre lang nicht, so komme man zu dem Ergebnis, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem großen Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.
Angesichts der Vielzahl der vom Beschwerdeführer in der jüngsten Vergangenheit begangenen Straftaten und da zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhergesehen werden könne, wann der Beschwerdeführer keine Gefahr mehr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, sei das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit zu erlassen gewesen.
2. Der Verfassungsgerichtshof, bei dem der Beschwerdeführer diesen Bescheid zunächst bekämpfte, lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 17. März 1993, B 2042/92).
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 3 Abs. 1 FrPolG (unter Bedachtnahme auf § 3 Abs. 3 leg. cit.) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 3 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0043, mwN).
2. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid mit der Begründung zu der Auffassung gelangt, es sei die im § 3 Abs. 1 FrPolG umschriebene Annahme gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer wegen zahlreicher Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft und wegen des Vergehens des Glücksspiels von einem Gericht rechtskräftig (zu einer bedingten Geldstrafe) verurteilt worden sei. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage insofern verkannt, als es für die direkte Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 FrPolG (d.h. ohne "Zwischenschalten" eines oder mehrerer der Tatbestände des § 3 Abs. 2 leg. cit.) nicht auf das Vorliegen rechtskräftiger gerichtlicher Verurteilungen und/oder rechtskräftiger Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen ankommt, vielmehr allein darauf abzustellen ist, ob die diesen rechtskräftigen Verurteilungen und/oder rechtskräftigen Bestrafungen zugrunde liegenden verpönten Verhaltensweisen - das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden - die besagte Annahme rechtfertigen. Daraus folgt, daß die Frage, ob die direkte Subsumtion verpönter Verhaltensweisen unter § 3 Abs. 1 FrPolG rechtmäßig ist, nur dann einer einwandfreien Beurteilung (Überprüfung) durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, wenn die Behörde das den rechtskräftigen Verurteilungen/Bestrafungen jeweils zugrunde liegende Verhalten in dem das Aufenthaltsverbot verhängenden Bescheid konkret festgestellt hat. Ohne derartige Feststellungen bleibt der maßgebliche Sachverhalt und als Folge dessen die Bescheidbegründung mangelhaft. Eben diese Mängel haften dem hier bekämpften Bescheid an, hat es doch die belangte Behörde verabsäumt, darin festzustellen, worin vor allem das zweimalige gegen das Meldegesetz verstoßende Verhalten des Beschwerdeführers - allein dieses konnte nach Lage des Falles den relevanten Ausgangspunkt für eine allfällige direkte Heranziehung des § 3 Abs. 1 FrPolG bilden - bestanden hat.
3. Die aufgezeigten Verfahrensmängel führen dazu, daß der Gerichtshof derzeit nicht in der Lage ist, den angefochtenen Bescheid auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Da die Verfahrensmängel, wie erwähnt, ihre Ursache in einem Verkennen der Rechtslage durch die belangte Behörde haben, war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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