VwGH 93/11/0120

VwGH93/11/012023.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. April 1993, Zl. 11 - 39 Ma 27-1993, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 30. März 1993 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend auf die Dauer von zehn Monaten gerechnet vom Tag der Zustellung dieses Bescheides an entzogen. Der Spruch dieses Bescheides enthielt auch den Satz: "Der Zeitraum der Haftverbüßung wird in die Entzugszeit nicht eingerechnet".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, daß die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers "gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 auf die Dauer von 12 Monaten entzogen wird".

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist zu klären, welchen Inhalt der angefochtene Bescheid hat. Es ist nämlich aufgrund der Diktion seines Spruches nicht klar, ob die - in eine endgültige Entziehung nach § 73 Abs 1 KFG 1967 abgeänderte vorübergehende - Entziehung mit einem Ausspruch nach (dem im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht erwähnten) § 73 Abs 2 KFG 1967 verbunden ist, wann mit der Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers frühestens gerechnet werden kann und bis zu welchem Zeitpunkt dem Beschwerdeführer daher keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Die Erstbehörde ging in ihrem Bescheid davon aus, daß dies zehn Monate nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft sein werde (damit stand freilich in Widerspruch, daß die Lenkerberechtigung "auf die Dauer von zehn Monaten gerechnet vom Tage der Zustellung des Bescheides an" entzogen wurde). Die Nichteinrechnung der Haftzeit in die Zeit nach § 73 Abs 2 KFG 1967 findet im Spruch des angefochtenen Bescheides zwar keine Erwähnung. Die Begründung des angefochtenen Bescheides nimmt darauf ebenfalls keinen direkten Bezug. Da aber abschließend davon die Rede ist, daß "die Entzugszeit entsprechend hinaufzusetzen" war, muß dem angefochtenen Bescheid der Inhalt beigemessen werden, daß die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 73 Abs 1 KFG 1967 verfügt und ausgesprochen wurde, daß dem Beschwerdeführer bis zum Ablauf von zwölf Monaten nach seiner Haftentlassung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Dem liegt also unausgesprochen die Annahme zugrunde, daß die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls länger als 18 Monate lang bestehen werde.

2. Der Grund für die Entziehung war - wie sich der Begründung des Erstbescheides entnehmen läßt -, daß der Beschwerdeführer am 9. November 1992 zusammen mit einem zweiten Täter einen Einbruchsdiebstahl begangen habe; dabei habe er auch Kraftfahrzeuge (sowohl sein eigenes als auch das des Mittäters) benützt. In diesem Zusammenhang wird die Auffassung vertreten, daß die Begehung einer strafbaren Handlung gemäß § 127, 128 StGB unter Zuhilfenahme eines Kraftfahrzeuges eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 KFG 1967 darstelle.

Den Behörden ist zunächst darin beizupflichten, daß die Anführung bestimmter Tatsachen in den lit a bis h des § 66 Abs 2 KFG 1967 keine abschließende ist, daß also strafbare Handlungen, die nach Art und Gewicht den aufgezählten gleichzuhalten sind, ebenfalls als bestimmte Tatsachen gewertet werden können (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1989, Zl. 89/11/0179, und vom 16. Juni 1992, Zl. 92/11/0079). Einbruchsdiebstähle können sehr wohl diese Voraussetzungen erfüllen (vgl. das Erkenntnis vom 26. April 1988, Zl. 87/11/0229), ist die Verwendung von Kraftfahrzeugen doch im besonderen Maße im Sinne des § 66 Abs 1 lit b KFG 1967 geeignet, die Begehung solcher strafbarer Handlungen zu erleichtern (vgl. das Erkenntnis vom 5. Dezember 1984, Zl. 83/11/0131). Die von der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachte Meinung, die Begehung eines Diebstahls unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges sei eine bestimmte Tatsache, ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend (vgl. das Erkenntnis vom 8. Juli 1983, Zl. 82/11/0339). Erst eine Mehrzahl derartiger strafbarer Handlungen (vgl. das Erkenntnis vom 14. Mai 1986, Zl. 86/11/0016) oder besonders gelagerte schwere Diebstähle (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 26. April 1988) erfüllen diese Qualifikation. Was solche zusätzlichen Umstände anlangt, erwähnt die Begründung des Erstbescheides nur ein Alkoholdelikt aus dem Jahr 1992 und die darauf gestützte vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für sechs Monate. Dieser Umstand ist aber im gegebenen Zusammenhang nicht verwertbar; die daraus hervorleuchtende Sinnesart geht in eine andere Richtung, nämlich in die Gefährdung der Verkehrssicherheit im Sinne des § 66 Abs 1 lit a KFG 1967. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird auch auf die "gerichtliche und verwaltungsstrafrechtliche Vorstrafenliste" Bezug genommen. Diese Bezugnahme erfolgt aber, soweit dies bei der lapidaren Kürze und der dessenungeachtet gegebenen Unübersichtlichkeit der Begründung möglich ist, im Zusammenhang mit der Änderung der vorübergehenden Entziehung in eine endgültige nach § 73 Abs 1 KFG 1967. Die im Akt erliegenden "Vorstrafenlisten" weisen zwar eine Vielzahl strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers auf. Diese haben aber mit der hier relevanten Frage, ob ein Einbruchsdiebstahl als bestimmte Tatsache zu werten ist oder nicht, zu einem großen Teil (wie Verletzungen der Unterhaltspflicht, Verleumdungen, Übertretungen des Waffengesetzes sowie der Straßenverkehrsordnung 1960) nichts zu tun. Die belangte Behörde ist jedenfalls eine Begründung dafür schuldig geblieben. Da sie diesbezüglich die unzulässig verallgemeinernde Rechtsmeinung der Erstbehörde übernommen hat, es genüge bei einem einzigen Einbruchsdiebstahl die Verwendung eines Kraftfahrzeuges für eine entsprechende Qualifikation, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die belangte Behörde wird sich im Ersatzbescheid mit den "Vorstrafenlisten" näher auseinanderzusetzen und in diesem Zusammenhang auszuführen haben, warum einzelne der dort aufgezählten strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers im Verein mit dem Einbruchsdiebstahl vom 9. November 1992 als bestimmte Tatsache heranzuziehen sind.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in dem Pauschalsatz nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist und die Vorlage des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 5 VwGG lediglich in einfacher Ausfertigung erforderlich war.

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