VwGH 93/08/0233

VwGH93/08/023316.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des J in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Salzburg vom 3. September 1993, Zl. IV-7022 B, VNR.: 4605 221154, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs5;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der mir ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Dem damals arbeitslosen Beschwerdeführer wurde vom Arbeitsamt Salzburg am 15. Juni 1993 eine Beschäftigung als Kraftfahrer bei der Firma S mit Beschäftigungsbeginn am 17. Juni 1993 zugewiesen.

Mit Bescheid vom 22. Juli 1993 sprach das Arbeitsamt Salzburg aus, daß der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 17. Juni bis 14. Juli 1993 verloren habe; eine Nachsicht werde nicht erteilt. Begründet wurde die Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer das Arbeitsangebot der Firma S. vereitelt habe und die geltend gemachten Nachsichtsgründe nicht anerkannt werden könnten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers, in der er im wesentlichen vorbrachte, daß er die Beschäftigungsaufnahme bei der Firma S. weder verweigert noch vereitelt habe, keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer am 12. Juli 1993 in einer niederschriftlichen Vernehmung vor der erstinstanzlichen Behörde angegeben habe: "Der Dienstgeber hat mich nicht genommen, weil ich keine Dauerstelle annehmen konnte". Auf der Vorstellungskarte, die die Firma S. der erstinstanzlichen Behörde übermittelt habe, sei vermerkt worden, es sei zu einer Einstellung deshalb nicht gekommen, weil "der Bewerber keine Dauerstelle annehmen konnte". Da die "Aussage" des Inhabers der Firma S. völlig mit jener des Beschwerdeführers übereinstimme, erachte es die belangte Behörde nicht für notwendig, den Inhaber der Firma S. nochmals über den Hergang des Vorstellungsgespräches einzuvernehmen. Die belangte Behörde gehe vielmehr davon aus, daß die Firma S. nur eine Dauerstelle zu vergeben gehabt habe, der Beschwerdeführer jedoch (angeblich) eine Beschäftigung bei der Post in Aussicht gehabt und deshalb die angebotene Dauerbeschäftigung abgelehnt habe. Als Bezieher von Arbeitslosengeld sei der Beschwerdeführer jedoch verpflichtet, jede vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Die Zumutbarkeit der Beschäftigung bestimme sich nach § 9 Abs. 2 bis 5 AlVG. Diesen Bestimmungen habe die zugewiesene Beschäftigung als Kraftfahrer bei der Firma S. entsprochen. Im Hinblick auf die Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom 12. Juli 1993, wonach er die zugewiesene Beschäftigung deshalb nicht habe annehmen können, weil er eine andere Arbeitsstelle in Aussicht gehabt habe, sei erwiesen, daß der Tatbestand der Arbeitsverweigerung gemäß § 10 Abs. 1 AlVG erfüllt worden sei. Im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung seien auch keine berücksichtigungswürdigen Gründe, wie z.B. nachträgliche Beschäftigungsaufnahme innerhalb der Ausschlußfrist bei einem anderen Dienstgeber, festgestellt worden, die eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 2 AlVG hätten bewirken können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Aus der Aussage des Beschwerdeführers und dem Vermerk auf der Vorstellungskarte folge keineswegs, daß der Beschwerdeführer nicht bereit gewesen sei, die durch die erstinstanzliche Behörde vermittelte Beschäftigung anzunehmen. Da er nämlich, wie aktenkundig sei, eine Beschäftigung bei der Post ab Ende September in Aussicht gehabt habe, die er in der Zwischenzeit auch angetreten habe, habe er keine Dauerstelle annehmen können, wohl aber eine befristete Beschäftigung. Dazu sei jedoch die Firma S. nicht bereit gewesen, sodaß es eben zu keiner Einstellung gekommen sei. Die Firma S. habe eine Einstellung abgelehnt, weil der Beschwerdeführer schon eine Einstellungszusage bei der Post für die Zeit ab Ende September 1993 gehabt habe und die Firma S. daher damit habe rechnen müssen, daß der Beschwerdeführer bereits nach einigen Monaten wieder ausscheide. Dementsprechend habe die Firma S. auf der Vorstellungskarte auch vermerkt, daß der Beschwerdeführer keine Dauerstelle habe annehmen können. Es sei aber nicht richtig, daß der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht bereit gewesen wäre, die Beschäftigung anzutreten. Er sei daher arbeitswillig im Sinne des § 9 Abs. 1 AlVG gewesen. Dementsprechend seien die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Verlustes des Arbeitslosengeldes für den angeführten Zeitraum nicht gegeben gewesen. Abgesehen davon hätte die belangte Behörde aber im Hinblick auf die bestehende Einstellungszusage der Post eine Nachsicht vom Ausschluß des Arbeitslosengeldbezuges gemäß § 10 Abs. 2 AlVG aussprechen müssen. Der angefochtene Bescheid sei aber auch mit Verfahrensmängeln behaftet, weil die belangte Behörde den relevanten Sachverhalt hätte von Amts wegen ermitteln und zu diesem Zweck sowohl den Inhaber der Firma S. als auch eine Auskunftsperson der Post hätte vernehmen müssen. Dabei hätte sich ergeben, daß der Beschwerdeführer nicht deshalb von der Firma S. nicht eingestellt worden sei, weil er nicht bereit gewesen sei, die Beschäftigung aufzunehmen, sondern weil die Firma S. einen Mitarbeiter auf längere Dauer gesucht habe; weiters, daß dem Beschwerdeführer von der Post bereits eine Einstellung für die Zeit ab Ende September 1993 zugesagt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn der Arbeitslose sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, verliert er nach § 10 Abs. 1 erster Satz AlVG für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Zumutbarkeit einer zugewiesenen Beschäftigung ist nach § 9 Abs. 2 bis 5 AlVG in der im Beschwerdefall bereits anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 682/1991 vorzunehmen. Nach der zuletzt genannten Bestimmung des § 9 Abs. 5 AlVG ist eine vom Arbeitsamt vermittelte Beschäftigung auch dann zumutbar, wenn dem Arbeitslosen eine Wiedereinstellungszusage von einem früheren Arbeitgeber erteilt wurde oder sich der Arbeitslose schon zur Aufnahme einer Beschäftigung in Zukunft verpflichtet hat (Einstellungsvereinbarung).

Die vom Beschwerdeführer behauptete Einstellungszusage der Post ab Ende September 1993 stellte zunächst keine Einstellungsvereinbarung im Sinne des § 9 Abs. 5 AlVG dar. Dafür ist vielmehr, wie § 9 Abs. 6 leg. cit. klar erweist, eine rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitslosen und einem künftigen Arbeitgeber, auf Grund derer der Arbeitslose verpflichtet ist, ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Beschäftigung anzutreten, zu verstehen. Eine solche Verpflichtung hat der Beschwerdeführer aber nicht behauptet. Da eine (schlichte) Zusage, den Arbeitslosen künftig einstellen zu wollen (ohne daß dem eine arbeitsrechtliche Verpflichtung des Arbeitslosen zum Arbeitsantritt gegenüberstünde), die Zuweisung zu einer anderen zumutbaren Beschäftigung nicht hindert (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 12. Februar 1988, Zl. 86/08/0194, und vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0101), war die Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der Firma S. im Sinne der eben zitierten Rechtsprechung jedenfalls zuweisungstauglich. Es brauchte daher nicht geprüft zu werden, ob bei gegebener Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Aufnahme einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 9 Abs. 5 AlVG die Zumutbarkeit (Zuweisungstauglichkeit) einer vom Arbeitsamt zugewiesenen Beschäftigung oder zumindest das Nichtzustandekommen dieser anderen Beschäftigung wegen des Hinweises des Arbeitslosen auf die Zusage im Sinne des § 9 Abs. 5 AlVG beim Vorstellungsgespräch unter dem Gesichtspunkt der Vereitelung nach § 10 Abs. 1 AlVG anders zu beurteilen wäre.

Ist aber von der Zuweisungstauglichkeit der dem Beschwerdeführer von der erstinstanzlichen Behörde namhaft gemachten Beschäftigungsmöglichkeit bei der Firma S. auszugehen, bleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch sein Verhalten die Annahme dieser Beschäftigung vereitelt hat. (Eine Verweigerung der Annahme dieser Beschäftigung wurde dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen.)

Unter dem Begriff der "Vereitelung" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei gegebener Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses muß nicht nur in der Sphäre der Vermittelten, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 14. März 1989, Zl. 89/08/0012, vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, und vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0101, mit weiteren Judikaturhinweisen). Eine solche Vereitelung hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt auch dann bejaht, wenn der Arbeitslose beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, seine Intention zum Ausdruck bringt, die mit der Spezifikation einer Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkreten angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 23. Februar 1984, Zl. 81/08/0209, vom 13. September 1985, Zl. 85/08/0077, vom 9. April 1987, Zl. 86/08/0088, vom 14. März 1989, Zl. 89/08/0012, und vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0101).

Geht man nun vom Beschwerdevorbringen aus, wonach die Aussage des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 12. Juni 1993 sowie der Vermerk der Firma S. auf der Vorstellungskarte so zu verstehen seien, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Einstellungszusage der Post keine Dauerstelle habe antreten können, wohl aber bereit gewesen sei, eine befristete Beschäftigung anzunehmen, dies aber die Firma S. im Hinblick auf diese Einstellungszusage abgelehnt habe, weil sie damit habe rechnen müssen, daß der Beschwerdeführer bereits nach einigen Monaten wieder ausscheide, so ist die Wertung dieses Verhaltens des Beschwerdeführers als Vereitelung des Zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 10 Abs. 1 erster Satz AlVG im Sinne der obigen rechtlichen Darlegungen zutreffend. Denn die Ablehnung der Einstellung des Beschwerdeführers durch den Inhaber der Firma S. erfolgte zugegebenermaßen nur deshalb, weil der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Einstellungszusage der Post die angebotene Dauerstellung aus seiner Sicht nicht annehmen "konnte" und auch, als ihm vom Inhaber der Firma S. klar gemacht wurde, daß er nicht bereit sei, mit dem Beschwerdeführer nur ein befristetes Beschäftigungsverhältnis einzugehen, nicht sofort erklärte oder klarstellte, er sei dennoch bereit, das angebotene Beschäftigungsverhältnis als "Dauerstellung" anzunehmen. Dadurch nahm er nämlich auch das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der genannten Rechtsprechung in Kauf und vereitelte es dadurch (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0147, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Aber auch die oben wiedergegebenen Beschwerdeeinwände gegen die Nichtanwendung des § 10 Abs. 2 AlVG sind unbegründet.

Nach dieser Gesetzesstelle ist der Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z. B. Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Berücksichtigungswürdige Nachsichtsgründe können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nur solche sein, die dazu führen, daß der Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes den Arbeitslosen unverhältnismäßig härter träfe als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 19. Juni 1990, Zl. 90/08/0084, und vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042). Eine bloße Einstellungszusage stellt keinen solchen Grund dar (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0147).

Da somit schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde, wegen Klärung der Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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