VwGH 93/05/0150

VwGH93/05/015016.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, in der Beschwerdesache der W-GmbH in N, vertreten durch Dr. R in L, gegen den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend einen Antrag gemäß § 27 Abs. 1 lit. c, § 29, § 99 und § 126 Abs. 4 und Abs. 5 WRG sowie §§ 28, 46 Abs. 1 AWG den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §6;
AVG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 19. September 1990 teilte die F GmbH & CoKG dem Amt der Oö Landesregierung, Abteilung Umwelt, mit, daß sie den Auftrag für die Entsorung verschiedenster Feuchtschlämme und Abwässer der W-Gesellschaft m.b.H. übernommen habe und daß beabsichtigt sei, gemäß beiliegenden Konzept unter Verwendung der Zuleitungen des Werkes und unter Aufsicht eines von dem Unternehmen bestellten Zivilingenieurs die Kläranlage mit der aufgestellten Kammerfilterpresse zu entschlammen. Der Filterkuchen werde in sogenannten "Big-bag" abgefüllt und am Betriebsgelände zwischengelagert, bis eine Deponie vertraglich für die Entlagerung verpflichtet worden sei. Für die Entsorgung bzw. chemische Aufbereitung der Filtrate sei ein weiteres Konzept in Ausarbeitung, welches in Kürze vorgelegt werde.

Abschließend heißt es in diesem Schreiben:

"Wir ersuchen um Mitteilung, ob gegen die Entsorgung gemäß beiliegendem Konzept seitens der Behörde Bedenken bestehen. Für Ihre rasche Rückäußerung wären wird dankbar, da die Arbeiten sofort in Angriff genommen werden sollen."

Am 23. November 1990 richtete die W-Ges.m.b.H. an das Amt der OÖ Landesregierung als Wasserrechtsbehörde (richtig: Landeshauptmann von Oberösterreich) den Antrag gemäß §§ 27 Abs. 1 lit. c, § 29, § 99 sowie § 126 Abs. 4 und 5 Wasserrechtsgesetz 1959 "falls diese dafür zuständig sein sollte, die Entsorgung der Abwasserreinigungsanlage gemäß dem vorgelegten Projekt der Firma M zu bewilligen und dazu die Plombierungen der Pumpen zu öffnen". In der Begründung wird ohne nähere Angaben erwähnt, daß bereits seit längerem die Entsorgung der Abwasserreinigungsanlage, insbesondere hinsichtlich des vorhandenen Klärschlammes, laufe und ein von der "Firma M" V vorgelegtes Konzept von Seiten der Wasserrechtsbehörde bislang noch nicht beantwortet worden sei.

Am 21. Jänner 1991 richtete der Vertreter

der W-Gesellschaft m.b.H. ein weiteres Schreiben an das Amt der Oö Landesregierung (Abteilung Wasserrecht) und führte aus, daß das Unternehmen "M" ein Projekt für die Entsorgung des Feuchtschlammes in der Kläranlage eingebracht habe. Der Vertreter der Beschwerdeführerin legte die mit Schreiben vom 19. September 1990 vorgelegten Unterlagen neuerlich vor und ersuchte, darüber zu entscheiden.

Zu den mit Schreiben vom 21. Jänner 1991 vorgelegten Unterlagen nahm der Landeshauptmann mit Schreiben vom 24. Mai 1991 Stellung. Zu der darin dokumentierten Absicht, den Inhalt der Kläranlage über eine Kammerfilterpresse zu entwässern, sei festzuhalten, daß davon auszugehen sei, daß es sich dabei um gefährlichen Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes bzw. der Verordnung über die Festlegung gefährlicher Abfälle handle. Zur Sammlung aber auch zur Behandlung dieser Abfälle sei eine Erlaubnis gemäß § 15 AWG erforderlich. Eine Entsorgung dürfe nur von einem Unternehmen durchgeführt werden, das über die entsprechende Erlaubnis verfüge. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Verpflichtung, daß im Zuge der Sammlung oder Behandlung gefährlicher Abfälle nach der Abfallnachweisverordnung Begleitscheine auszustellen seien. Neben den Erfordernissen nach dem AWG sollte u.a. auch die Berechtigung vorliegen, die bei der Verwirklichung des vorgelegten Konzeptes anfallenden Abwässer zu entsorgen. Sollten diese Wässer über eine Abwasserreinigungsanlage einem Vorfluter zugeführt werden, sei zur Einleitung in diese Abwasserreinigungsanlage eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich. Abschließend heißt es:

"Nachdem die vorgelegten Unterlagen über eine prinzipielle Darstellung der Behandlungmöglichkeiten des Kläranlageninhaltes nicht hinausgehen, werden Sie ersucht, einerseits mitzuteilen, auf welche Weise und vom wem die Entfernung der in der Abwasserreinigungsanlage befindlichen Inhaltsstoffe entsorgt werden und andererseits die Nachweise über die entsprechend ordnungsgemäße Entsorgung vorzulegen."

Darauf antwortete die W-Gesellschaft m.b.H. mit Schreiben vom 18. November 1991 und teilte mit, daß es sich bei dem durch die Kammerfilterpresse entstehenden Abfall nicht um gefährlichen Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes handle und daß von einer Einleitung des Filtrats in einen Vorfluter nie die Rede war, weshalb diesbezüglich eine wasserrechtliche Bewilligung überflüssig sei. Über die spätere Entsorgungsmöglichkeit durch einen befugten Entsorger müsse im vorliegenden Verfahren nicht abgesprochen werden, da dem Antragsteller die Auswahl unter den verschiedenen Entsorgern nach entsprechenden Anbotslegungen freibleiben müsse. Nachweise über die entsprechend ordnungsgemäße Entsorgung könnten somit nicht vorgelegt werden, da die Entsorgung erst nach Vorliegen des Filtrats durch einen befugten Entsorger stattfinden könne.

Auf Grund dieses Schreibens sah sich der Landeshauptmann zu keinen weiteren Maßnahmen veranlaßt. Dies wurde daraus abgeleitet, daß in den ursprünglichen Schreiben nicht davon die Rede war, daß ein Antrag auf eine Bewilligung gestellt worden sei. Weiters habe die Beschwerdeführerin in der Folge selbst die Auffassung vertreten, daß keine Bewilligungspflicht bestehe.

Im Zusammenhang mit dem Antrag vom 23. November 1990 stellte die Beschwerdeführerin am 13. Juni 1991 einen Devolutionsantrag an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, der mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß kein Anbringen im Sinne des § 13 AVG vorliege. Diesen Spruchteil des Bescheides hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. Oktober 1992, Zl. 92/07/0093, auf, da die Behörde zu Unrecht davon ausgegangen war, daß ein Antrag vom 23. November 1990 nicht vorliege. In der vorliegenden Beschwerde wird von diesen Vorgängen nichts erwähnt.

Am 21. Dezember 1992 erhob die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und beantragte unter Zitierung der §§ 27 Abs. 1 lit. c, 29, 99 und 126 Abs. 4 und 5 WRG sowie auch der §§ 28, 46 Abs. 1 AWG:

"Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie möge über den Antrag der Firma W-Ges.m.b.H. vom 23. November 1990 entscheiden."

Diesen Devolutionsantrag leitete der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie am 24. Juni 1993 mit der Begründung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft weiter, daß der Abfall im vorliegenden Fall der Schlüsselnummer 14402 "Gerbereischlamm" in der ÖNORM S 2100 zuzuordnen seien. Die Schlüsselnummer 14402 sei weder in der durch die Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle (BGBl. Nr. 49/1991) für verbindlich erklärten ÖNORM S 2101 "Überwachungsbedürftige Sonderabfälle" vom 1. Dezember 1983 noch in der ÖNORM S 2101 "Katalog gefährlicher Abfälle" vom 1. Juni 1993 enthalten und sei auch in der zitierten Verordnung nicht genannt. Da die gegenständlichen Abfälle nicht als gefährliche Abfälle im Sinne des AWG angesehen werden können, sei schon aus diesem Grund die Anwendbarkeit des § 28 AWG ausgeschlossen. Über die Weiterleitung des Antrages erfolgte eine Abgabenachricht an die Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin bestand in der Folge gegenüber dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie nicht darauf, daß er über den Devolutionsantrag selbst entscheide.

In der vorliegenden Säumnisbeschwerde macht die Beschwerdeführerin gegenüber dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie die Verletzung der Entscheidungspflicht geltend. Sie stellt unter Anführung der §§ 27 Abs. 1 lit. c, 29, 99 und 126 Abs. 4 und 5 WRG und auch den §§ 28, 46 Abs. 1 AWG am Deckblatt den Antrag

"der Verwaltungsgerichtshof möge

a) über den Antrag vom 23. November 1990 entscheiden ...".

Die vorliegende Sämnisbeschwerde ist aus folgenden Gründen zurückzuweisen:

Wie eingangs dargelegt, lautete der Antrag vom 23. November 1990 unter Anführung der §§ 27 ABS. 1 LIT. c, § 29, § 99 SOWIE § 126 ABS. 4 UND 5 WASSERRECHTSGESETZ 1959 AN DIE WASSERRECHTSBEHÖRDE dahin, "FALLS DIESE DAFÜR ZUSTÄNDIG SEIN SOLLTE, die Entsorgung der Abwasserreinigungsanlage gemäß dem vorgelegten Projekt der Firma M zu bewilligen und dazu die Plombierungen der Pumpen zu öffnen". Der Antrag enthielt keinerlei Bezugnahme auf das Abfallwirtschaftsgesetz. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshof bietet dieser Antrag keine Grundlage für die Durchführung eines Verfahrens nach dem Abfallwirtschaftsgesetz. Der Antrag wurde weiters von der Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde abhängig gemacht (arg.: "falls diese dafür zuständig sein sollte"). Für eine Umdeutung des Antrages - wie es der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie offensichtlich vorgenommen hat - dahin, daß trotz AUSSCHLIEßLICHER Anführung von Bestimmungen des WRG im Antrag vom 23. November 1990 der Antrag auf eine Bewilligung gemäß § 28 AWG gerichtet war, bietet der verfahrensgegenständliche Antrag keine Grundlage. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer im Devolutionsantrag und in der Säumnisbeschwerde neben den zitierten Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes auch die §§ 28 und 46 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz anführt, ändert daran nichts. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie ist daher zutreffend von seiner Unzuständigkeit in Bezug auf den verfahrensgegenständlichen Antrag ausgegangen. War aber der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie nicht zuständig, hatte er den Antrag gemäß § 6 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten und es traf ihn keine Entscheidungspflicht.

Soweit sich die Beschwerdeführerin im Verwaltungsgerichtshofsverfahren dagegen wendete, daß die Weiterleitung nicht ohne unnötigen Aufschub - wie es § 6 AVG vorsehe - erfolgt sei, wobei die Auffassung der Beschwerdeführerin darauf hinausläuft, daß die unzuständige Behörde in einem solchen Fall in der Sache zu entscheiden habe, also sachlich zuständig werde, wenn sie die Weiterleitung an die zuständige Behörde - wie im vorliegenden Fall - erst nach ca. 5 Monaten vornimmt, ist dem entgegenzuhalten, daß eine wenn auch verzögerte Weiterleitung an die zuständige Behörde gemäß § 6 AVG an der Zulässigkeit der Weiterleitung eines Antrages nach dieser Bestimmung und an der Zuständigkeit der weiterleitenden Behörde nichts ändert.

Die von der Beschwerdeführerin belangte Behörde, den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, traf somit keine Entscheidungspflicht, weshalb die Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

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