VwGH 93/05/0005

VwGH93/05/000525.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. November 1992, Zl. BauR-010748/1-1992 Ru/Lan, betreffend Ausnahme von der Kanalanschlußpflicht (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde O, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1976 §38 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;
BauO OÖ 1976 §38 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 25. Juli 1983 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin um Ausnahme von der Verpflichtung zum Anschluß der ihr gehörenden Liegenschaft Z-Straße 44 (Grundstück Nr. 725/1 des Grundbuches über die Kat. Gem. H) an das öffentliche Kanalnetz gemäß § 38 Abs. 1 der O.ö. Bauordnung 1976 abgewiesen.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachten Vorstellung wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. September 1983 keine Folge gegeben.

Mit hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1985, Zl. 83/05/0167, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, wobei der Gerichtshof die Auffassung vertrat, daß der im § 38 Abs. 1 leg. cit. verwendete Begriff "außerhalb des überwiegend bebauten Gebietes" keinen normativen, sondern einen tatsächlichen Zustand umschreibe, weshalb die Baubehörden Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse zu treffen gehabt hätten. Für Erwägungen über geplante oder (noch nicht errichtete) baubehördlich bewilligte Bauten bleibe kein Raum. Im übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die weiteren Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

In der Folge behob die Aufsichtsbehörde mit ihrem Bescheid vom 15. Jänner 1986 den erwähnten Berufungsbescheid der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 25. Juli 1983, worauf nach einer entsprechenden Ergänzung des Ermittlungsverfahrens mit Bescheid des genannten Gemeinderates vom 23. Dezember 1991 der die Ausnahmeansuchen der Beschwerdeführerin abweisende erstinstanzliche Bescheid neuerlich bestätigt worden ist. Die Berufungsbehörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß das Grundstück der Beschwerdeführerin nicht außerhalb eines überwiegend bebauten Gebietes liege, weshalb schon diese Voraussetzung des § 38 Abs. 1 der

O.ö. Bauordnung 1976 nicht erfüllt sei.

Der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. November 1992 mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführerin durch diesen Berufungsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt werde.

Nach einer Wiedergabe der im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der O.ö. Bauordnung 1976 und einem Hinweis auf das bereits erwähnte hg. Vorerkenntnis vom 22. Oktober 1985 vertrat die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Ansicht, im vorliegenden Fall habe in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Beschwerdeführerin eine großräumige Betrachtungsweise stattgefunden, zumal nicht ein zwischen zwei anderen Gebäuden liegendes Wohnobjekt als in einem überwiegend bebauten Gebiet liegend angesehen worden sei. Aus der Begründung des Berufungsbescheides gehe hervor, daß im Süden, Norden und auch im Osten eine Bebauung gegeben und lediglich der westlich des Wohnobjektes der Beschwerdeführerin gelegene Bereich unverbaut sei. Außerdem sei die Frage, ob überwiegend bebautes Gebiet vorliege, nicht auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerin begrenzt, sondern festgehalten worden, daß der gesamte Siedlungssplitter "X" als solches Gebiet anzusehen sei. Hiebei sei jedenfalls auch zu beachten, daß insgesamt 13 Wohnobjekte in einem örtlich relativ eng begrenzten Raum angesiedelt seien und diese nur unwesentliche Entfernungen voneinander aufweisen. Zähle man die maximalen Entfernungen zum Wohnobjekt der Beschwerdeführerin zusammen, so gelange man "zu einem Bild, das innerhalb einer Ausdehnung von etwa 100 x 25 m nicht weniger als die bereits genannten 13 Objekte beinhaltet", weshalb sehr wohl der faktische Zustand eines überwiegend bebauten Gebietes gegeben sei. Der Vorwurf an die Berufungsbehörde, diesbezüglich kein oder nur ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben, müsse ins Leere gehen. Im übrigen könne es jedermann zugemutet werden, sich durch Herstellung einer Ablichtung aus dem Katasterplan den als fehlend gerügten Lageplan herzustellen und in diesen auch nur ungefähr die genannten 13 Wohnobjekte einzutragen und so festzustellen, daß im gegenständlichen Bereich überwiegend bebautes Gebiet vorliege, ohne daß es hiezu einer besonderen gutachtlichen Stellungnahme bedürfe. Da also zusammenfassend festgestellt werden könne, daß das Objekt der Beschwerdeführerin nicht außerhalb des überwiegend bebauten Gebietes liege, weshalb es an einer zwingend erforderlichen Voraussetzung gemäß § 38 Abs. 1 der O.ö. Bauordnung 1976 mangle, erübrige sich ein Eingehen auf die Frage, ob durch die bisherige Abwasserbeseitigung beim vorliegenden Objekt bzw. auch durch eine sonstige ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung beim Haus der Beschwerdeführerin eine ungebührliche Belästigung der Nachbarn eintreten würde oder dem sonstige öffentliche Interessen im Sinne des § 38 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung 1976 entgegenstehen würden. Auch die von der Beschwerdeführerin angesprochene soziale Komponente habe aus der gebotenen rechtlichen Sicht außer Betracht zu bleiben, da weder im § 36 noch im § 38 leg. cit. Anhaltspunkte dafür enthalten seien, daß bei der Kanalanschlußpflicht oder der Frage der Ausnahme hievon auf die finanziellen Möglichkeiten des betroffenen Grundeigentümers abzustellen wäre.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 1 der O.ö. Bauordnung 1976 kann die Gemeinde Bauten, die gemäß § 25 Abs. 2 nur auf Widerruf oder gemäß § 25 Abs. 2 nur für einen fünf Jahre nicht übersteigenden Zeitraum bewilligt wurden, weiters Nebengebäude sowie Bauten außerhalb des überwiegend bebauten Gebietes, und zwar jeweils mit den dazugehörenden Grundflächen, von der Anschlußpflicht gemäß § 36 Abs. 1 ausnehmen.

Die belangte Behörde ist entsprechend der eben wiedergegebenen Begründung ihres Bescheides davon ausgegangen, daß die im Süden, Norden und Osten des Grundstückes der Beschwerdeführerin gelegenen Liegenschaften bebaut sind und der gesamte Siedlungssplitter "X" als überwiegend bebautes Gebiet anzusehen ist. Zähle man die maximalen Entfernungen zum Wohnobjekt der Beschwerdeführerin zusammen, so gelange man "zu einem Bild, das innerhalb einer Ausdehnung von etwa 100 x 25 m nicht weniger als ... 13 Objekte beinhaltet". Ein derartiger Sachverhalt rechtfertigt die Annahme, daß sich das Grundstück der Beschwerdeführerin nicht "außerhalb des überwiegend bebauten Gebietes" im Sinne des § 38 Abs. 1 leg. cit. befindet, woran auch die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung nichts zu ändern vermag, daß der erwähnte Siedlungssplitter größer sei, als es von der belangten Behörde angenommen worden ist, weil das Gesetz nicht auf eine genau bestimmte Größe eines Gebietes, sondern allein darauf abstellt, ob es überwiegend bebaut ist. Daß sich in dem von der belangten Behörde der Beurteilung zugrunde gelegten Gebiet nicht weniger als 13 Wohnobjekte befinden, wurde von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt. Der von ihr relevierte Umstand, wonach das in Rede stehende Gebiet "in allen vier Himmelsrichtungen großräumig von landwirtschaftlicher Nutzfläche bzw. Grünland und Wald umgeben wird", nimmt dem innerhalb dieses Bereiches gelegenen Areal angesichts der dort unbestritten bestehenden Bauwerke nicht den Charakter eines "überwiegend bebauten Gebietes". Im übrigen wurde bereits in der Begründung des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Berufungsbescheides festgehalten, daß sich im Norden des Grundstückes der Beschwerdeführerin sieben ein- und zweigeschoßige Wohngebäude befinden, die vom Wohnhaus der Beschwerdeführerin ca. 17 bis 52 m entfernt liegen, im Osten ein landwirtschaftliches Objekt ca. 25 m entfernt ist, und im Süden in einer Entfernung von rund 22 bis 47 m eine aus fünf zusammengebauten Wohnobjekten bestehende Reihenhausanlage liegt, weshalb die von der Beschwerdeführerin für notwendig erachtete "Vermessung der Abstände der Objekte voneinander" hinsichtlich der im gegebenen Zusammenhang allein entscheidenden Frage, ob das Grundstück der Beschwerdeführerin außerhalb des überwiegend bebauten Gebietes liegt, keine erheblich anderen Beurteilungskriterien ergeben hätte. Der belangten Behörde kann daher kein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlicher, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Verfahrensmangel vorgeworfen werden, wenn sie keine genaue Vermessung der Abstände der in dem vorliegenden Bereich gelegenen Bauten veranlaßt hat. Die belangte Behörde hatte auch nicht festzustellen, "in welchem Umfang die Flächenwidmung für das betreffende Gebiet reines Wohngebiet vorsieht", weil - wie schon im hg. Vorerkenntnis ausgesprochen worden ist - die Verbalform "bebauten" im § 38 Abs. 1 leg. cit. schon bei wörtlicher Auslegung erkennen läßt, daß der Ausdruck "außerhalb des überwiegend bebauten Gebietes" keinen normativen, sondern einen tatsächlichen Zustand beschreibt. Es kommt daher auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht etwa auf die nach dem Flächenwidmungsplan in Hinkunft theoretisch mögliche Bebauung des in Rede stehenden Gebietes an. Gerade der mit der Beschwerde vorgelegte Vermessungsplan läßt deutlich erkennen, daß die belangte Behörde von zutreffenden Sachverhaltsannahmen und einer durchaus großräumigen, also nicht bloß punktuellen Betrachtungsweise ausgegangen ist, weshalb auch ihrer Schlußfolgerung nicht entgegengetreten werden kann, daß das Grundstück der Beschwerdeführerin nicht außerhalb des überwiegend bebauten Gebietes liegt und daher schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Anschlußpflicht nicht vorliegen. Ob die weiteren gesetzlichen Erfordernisse für eine aufrechte Erledigung der Ansuchen der Beschwerdeführerin erfüllt sind, war unter diesen Umständen von der belangten Behörde nicht mehr zu prüfen.

Der Vorstellung der Beschwerdeführerin ist daher mit Recht keine Folge gegeben worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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