VwGH 93/02/0108

VwGH93/02/010813.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 30. Oktober 1992, Zl. UVS-03/19/02684/92, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §51e Abs2;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §48 Abs1 Z4;
VStG §51e Abs2;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §48 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 14. September 1992 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 17. April 1991, zugestellt am 19. April 1991, innerhalb der Frist von zwei Wochen Auskunft zu erteilen, wer das Kraftfahrzeug am 12. April 1991 um 14.20 Uhr an einem näher beschriebenen Ort gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe sei am 19. April 1991 ordnungsgemäß hinterlegt worden. Ein Zustellmangel sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden und sei die Verwaltungsübertretung somit als erwiesen anzunehmen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, die "Lenkerauskunft" vom 17. April 1991 sei ihm nicht zugekommen, zumal die Zustellung am 19. April 1991 infolge seiner Ortsabwesenheit nicht rechtswirksam erfolgt sei.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Oktober 1992 wurde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung wurde - soweit für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde von Belang - unter anderem ausgeführt, durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei hinreichend klargestellt, daß dann, wenn jemand einen Zustellmangel behaupte, er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweise anzuführen habe, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung einer mängelfreien Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen ließen. Die Entscheidung sei gemäß § 51e Abs. 2 VStG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ergangen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 15. März 1993, Zl. B 1817/92, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51e Abs. 2 VStG ist, wenn in der Berufung (an den unabhängigen Verwaltungssenat) ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.

Da der Beschwerdeführer eine Verhandlung nicht verlangt hatte, seine Berufung sich nicht nur gegen die Höhe der Strafe richtete und auch nicht etwa auf die Verhandlung verzichtet hatte (§ 51e Abs. 3 erster Satz VStG), durfte die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides dann von der Anberaumung einer Verhandlung absehen, wenn in der Berufung "ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung" behauptet wurde. Dies ist jedoch nicht der Fall: Durch die Behauptung der Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Zustellung des Auskunftsverlangens vom 17. April 1991 hat der Beschwerdeführer nämlich - entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift - keineswegs ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, sondern die im Straferkenntnis der Behörde erster Instanz als erwiesen angenommene rechtswirksame Zustellung vom Sachverhalt her bestritten.

Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0165) zum rechtswidrigen Unterbleiben der Anberaumung einer Verhandlung die Rechtsansicht vertreten, daß dies nicht in jedem Fall die Aufhebung des Berufungsbescheides nach sich ziehen muß; maßgeblich ist die - in der Beschwerde darzustellende (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1993, Zl. 92/10/0028) - Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG. Ein solches Vorbringen hat der Beschwerdeführer allerdings vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattet. Er hat nämlich vorgebracht, daß zum Zeitpunkt der Zustellung des Auskunftsverlangens vom 17. April 1991 am 19. April 1991 sein "dauernder Aufenthalt" nur in Wien, S-Gasse ..., gegeben gewesen und im April 1991 eine "dauernde Ortsabwesenheit" von der Wohnung Wien, G-Gasse ..., wo die Zustellung des erwähnten Auskunftsverlangens vom 17. April 1991 erfolgte, vorgelegen sei. Diese Behauptung - so der Beschwerdeführer - hätte er durch seine Aussage sowie die seiner (im Akt namentlich genannten) Lebensgefährtin und allenfalls auch durch eine näher angeführte Bestätigung seines Dienstgebers "nachweisen" können.

Der in der Unterlassung der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung liegende Verfahrensmangel kann daher nicht als unwesentlich qualifiziert werden, da es nicht ausgeschlossen ist, daß die belangte Behörde bei Unterbleiben desselben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für die Zuerkennung des im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof aufgetretenen Beschwerdeaufwandes keine Rechtsgrundlage besteht und Ersatz von Bundesstempelgebühren nur für die in dreifacher Ausfertigung vorzulegende Ergänzung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zuzuerkennen war.

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