VwGH 92/13/0278

VwGH92/13/027814.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, vom 6. Mai 1992, Zl. GA 10-478/3/91, BS I - 49/91, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §83;
FinStrG §29 Abs5;
FinStrG §29;
FinStrG §33 Abs2 lita;
FinStrG §33;
BAO §83;
FinStrG §29 Abs5;
FinStrG §29;
FinStrG §33 Abs2 lita;
FinStrG §33;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, ist an der mit Gesellschaftsvertrag vom 13. April 1989 gegründeten L. GmbH mit einem Geschäftsanteil von 99 % des Stammkapitals beteiligt. Geschäftsführerin ist Brigitte W., die Tochter des Beschwerdeführers. Betriebsgegenstand der GmbH ist die Aufstellung von Spielautomaten.

Die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate August bis Dezember 1989 wurden - verspätet - am 8. Mai 1990, jene für die Monate Jänner und Februar 1990 am 11. Mai 1990 eingebracht. Die Voranmeldungen waren vom Beschwerdeführer unterfertigt. Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen für August und September 1989 waren am 12. Februar 1990 und am 27. April 1990 sog. Erinnerungen ergangen, mit denen das Finanzamt die Abgabepflichtige zur Abgabe der Voranmeldungen aufforderte. Zur Abgabe der Voranmeldungen für Oktober bis Dezember 1989 wurde die GmbH mit Erinnerungen vom 20. April 1990 aufgefordert.

Mit einer Erinnerung vom 8. März 1990 wurde die L. GmbH aufgefordert, Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe sowie Zuschläge zu diesen Dienstgeberbeiträgen für die Monate September bis Dezember 1989 und Jänner 1990 zu melden. Eine diesbezügliche Meldung wurde am 27. März 1990 eingebracht. Am 27. März 1990 wurde eine Meldung über die lohnabhängigen Abgaben für die Monate Jänner und Februar 1990 eingebracht.

Mit Bescheid vom 6. August 1990 wurde gegen Brigitte W. das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes 1.) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG (Hinterziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate August bis Dezember 1989 und Jänner und Februar 1990) sowie

2.) der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 FinStrG (Nichtentrichtung der angeführten lohnabhängigen Abgaben für die Monate September bis Dezember 1989 und Jänner bis März 1990) eingeleitet.

Am 10. September 1990 gab der Beschwerdeführer als Verteidiger der Brigitte W. gegenüber der Finanzstrafbehörde an, er - der Beschwerdeführer - sei auch der steuerliche Vertreter der L. GmbH. Er habe im Auftrag und Namen seiner Tochter, dh. namens der Gesellschaft die Grundaufzeichnungen geführt, die Buchhaltung gemacht, die Umsatzsteuervoranmeldungen erstellt und die Lohnverrechnung besorgt. Am Firmenkonto seien sowohl er als auch seine Tochter zeichnungsberechtigt. Auf Grund einer internen Vereinbarung sei ihm die "Abfuhr" der gegenständlichen Abgaben an das Finanzamt oblegen. Er habe den gesamten kaufmännischen Bereich der GmbH wahrgenommen, seine Tochter sei mit diesen Dingen nicht befaßt gewesen. Zu den Schwierigkeiten sei es gekommen, da in seiner Kanzlei eine große EDV-Anlage installiert wurde, wobei es zu lange andauernden Anlaufschwierigkeiten gekommen sei. Die Lohnverrechnung werde weiterhin außer Haus besorgt. Die diesbezüglichen Daten seien rechtzeitig eingelangt, auf Grund der Schwierigkeiten mit der EDV-Anlage hätten sie aber erst verspätet in die Buchhaltung eingearbeitet werden können. Eine händische Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen sowie eine fristgerechte Entrichtung der lohnabhängigen Abgaben sei auf Grund der Arbeitsüberlastung nicht möglich gewesen.

In der Folge stellte das Finanzamt das gegen Brigitte W. eingeleitete Finanzstrafverfahren gemäß § 124 FinStrG ein.

Mit Bescheid vom 12. September 1990 leitete das Finanzamt sodann gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der oben bezeichneten Abgabenschuldigkeiten der L. GmbH ein.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat bezog sich der Beschwerdeführer ausdrücklich auf die von ihm als Verteidiger seiner Tochter gemachten Angaben und fügte an, es seien im Betrieb der L. GmbH monatlich ca. fünfzig Eingangs- und Ausgangsrechnungen angefallen. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, er habe sich zwar verpflichtet, die Buchhaltung zu machen und die Umsatzsteuervoranmeldungen zu erstellen; er habe sich jedoch nicht verpflichtet, für die Abfuhr der Abgaben zu sorgen. Er habe seine Tochter immer auf die Fälligkeitstermine hingewiesen. Er habe annehmen können, daß seine Tochter die Abfuhr der selbst zu berechnenden Abgaben übernehme.

Brigitte W. entschlug sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat der Aussage als Zeugin.

Mit Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz (Spruchsenat) wurde der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG sowie der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 FinStrG schuldig gesprochen und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 130.000,-- verhängt.

In der Berufung gegen dieses Straferkenntnis wurde vom Beschwerdeführer insbesondere eingewendet, daß er als "Nicht-Geschäftsführer" finanzstrafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Weiters sei von der Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht berücksichtigt worden, daß auf Grund der Anlaufprobleme mit der EDV-Anlage eine zeitgerechte Umsatzsteuervoranmeldung nicht möglich gewesen sei. Zum Beweis für dieses Vorbringen wurde die Einvernahme des Günther W. als Zeuge beantragt. Weiters stellte der Beschwerdeführer das Vorliegen von Vorsatz in Abrede. Schließlich machte der Beschwerdeführer Straffreiheit wegen rechtzeitiger Erstattung einer Selbstanzeige geltend.

In der vor der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung wurde die Vernehmung der Brigitte W. zum Beweis dafür beantragt, daß der Beschwerdeführer zwar mit der steuerlichen Vertretung, nicht aber mit der Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten beauftragt war. Auf Vorhalt des Umstandes, daß sich Brigitte W. der Aussage entschlagen habe, vertrat der Verteidiger des Beschwerdeführers die Meinung, daß die Zeugin nunmehr aussagen werde.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde bejahte die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der in Rede stehenden Abgabenschuldigkeiten, zumal der Beschwerdeführer die Pflichten der bestellten Geschäftsführerin gegenüber der Abgabenbehörde ausdrücklich zur Erfüllung übernommen hatte. Die Schwierigkeiten im Umgang mit einer EDV-Anlage könnten es nicht entschuldigen, die Entrichtung der Abgaben hintanzusetzen. Hinsichtlich des Strafaufhebungsgrundes der Selbstanzeige wurde von der belangten Behörde auf die Erinnerungen der Abgabenbehörde verwiesen. Soweit solche Erinnerungen nicht zugestellt (Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner und Februar 1990) worden seien, sei die Zahlung mit der verspäteten Meldung nicht nachgeholt worden.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluß dieses Gerichtshofes vom 29. September 1992, B 1053/92-7, abgelehnt; in der Folge wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. In der Beschwerdeergänzung werden die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält.

Nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich unter anderem Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, daß der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird.

Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst seine "finanzstrafrechtliche Verantwortlichkeit" mit dem Hinweis darauf, daß er nicht Organ der L. GmbH gewesen sei. Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß für die Annahme der Täterschaft des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung jede faktische Wahrnehmung der Angelegenheiten des Steuerpflichtigen genügt. Es kommt dabei also nicht auf eine formelle Vertretungsbefugnis, sondern nur auf die faktische Besorgung an (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1987, 86/15/0022, und vom 12. März 1991, 90/14/0137).

Wenn sich dabei der Beschwerdeführer gegen die Verwertung der von ihm als Verteidiger seiner Tochter gemachten Sachverhaltsangaben durch die Finanzstrafbehörden wendet, so übersieht er, daß gemäß § 98 Abs. 1 FinStrG als Beweismittel im Finanzstrafverfahren - unbeschadet der im Abs. 4 dieser Gesetzesstelle enthaltenen, im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Beweisverwertungsverbote - alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Die Meinung, daß die Aussage des Verteidigers nicht als Beweismittel herangezogen werden kann, ist somit im Gesetz nicht gedeckt.

Gemäß § 157 iVm § 128 Abs. 1 und 114 Abs. 2 FinStrG kann der Rechtsmittelwerber die Durchführung bestimmter Beweise beantragen. Diesen Anträgen ist stattzugeben, falls dies im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer als Bevollmächtigter und Verteidiger seiner Tochter in dem gegen diese geführten Finanzstrafverfahren zunächst ausdrücklich namens seiner Tochter eine Sachverhaltsdarstellung abgegeben. Die sodann in dem gegen den Beschwerdeführer durchgeführten Finanzstrafverfahren von der Finanzstrafbehörde erster Instanz versuchte Beweisaufnahme scheiterte an der Aussageverweigerung der Zeugin Brigitte W. Der Beschwerdeführer wurde in der am 8. April 1992 zugestellten Vorladung zu der am 6. Mai 1992 von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufgefordert, die zu seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel mitzubringen oder der Behörde so rechtzeitig anzuzeigen, daß sie zur mündlichen Verhandlung noch herbeigeschafft werden können. Wenn sodann erst im Verlaufe dieser mündlichen Verhandlung ein Antrag um (neuerliche) Vernehmung der Zeugin Brigitte W. gestellt worden ist, wobei vom Verteidiger des Beschwerdeführers die bloße Vermutung ausgesprochen wurde, daß die Zeugin nunmehr aussagen werde, so stellte die gerügte Unterlassung der Beweisaufnahme keinen Verfahrensmangel dar. Gemäß § 158 FinStrG müssen Beweisaufnahmen, die schon im erstinstanzlichen Verfahren durchgeführt worden sind, im Rechtsmittelverfahren nur wiederholt werden, sofern dies zur Ermittlung des wahren Sachverhaltes notwendig ist.

Die durch den Beschwerdeführer zu Protokoll gegebenen Erklärungen seiner Tochter im Vorverfahren fanden im erstinstanzlichen Verfahren des Beschwerdefalles Berücksichtigung, sie wurde auch als Zeugin geladen und machte von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch. Die neuerliche Ladung hätte demnach bereits eine Wiederholung dieser Beweisaufnahme bedeutet, zu welcher der Sachlage nach im Sinne des § 158 FinStrG kein Anlaß bestand.

Die belangte Behörde war weiters zur Befragung des als Zeugen namhaft gemachten Günther W. nicht verpflichtet, weil sie das Beweisthema - nämlich die Schwierigkeiten mit der installierten EDV-Anlage - nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides als erwiesen angenommen hat.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, es könne schon begrifflich keine Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 FinStrG vorliegen, weil die GmbH vor der Einleitung des Finanzstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer (am 12. September 1990) bereits am 16. August 1990 dem Finanzamt "den gegenständlichen Rückstand" mitgeteilt und gleichzeitig um Ratenzahlung angesucht hatte, so ist dem entgegenzuhalten, daß das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der nicht entrichteten Umsatzsteuervorauszahlung vollendet ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 1982, 81/15/0076, 0078, 0079). Spätere Mitteilungen sind - abgesehen von einer Selbstanzeige im Sinne des § 29 FinStrG - für die Strafbarkeit des Finanzvergehens nicht weiter von Bedeutung.

Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei von ihm der subjektive Tatbestand keineswegs verwirklicht worden, ist nicht näher begründet. Allein die im Abgabenverfahren vorgebrachte Verantwortung, die Einbringung der Umsatzsteuervoranmeldungen sei auf Grund der "Schwierigkeiten" mit der EDV-Anlage nicht möglich gewesen, zeigt auf, daß die tatbildmäßige Unterlassung der Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen gerade vom Wissen und Wollen des Beschwerdeführers umfaßt war, sodaß ihm direkter Vorsatz zuzurechnen war.

Der vom Beschwerdeführer schließlich angestrebten Wertung der Eingabe der GmbH vom 16. August 1990 als Selbstanzeige steht entgegen, daß gemäß § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG Straffreiheit nicht eintritt, wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war. Jedenfalls seit der Durchführung des Finanzstrafverfahrens gegen seine Tochter war dem Beschwerdeführer bekannt, daß die Unterlassung der Entrichtung von Umsatzsteuervorauszahlungen und von bestimmten lohnabhängigen Abgaben von der Abgabenbehörde entdeckt worden ist.

Die Beurteilung der Eingabe der GmbH vom 16. August 1990 als Selbstanzeige scheitert aber auch am § 29 Abs. 5 FinStrG, wonach die Selbstanzeige nur für die Personen wirkt, für die sie erstattet wird. Wenn auch für eine Selbstanzeige eine besondere formale Gestaltung wie etwa eine ausdrückliche Bezeichnung des Anbringens als Selbstanzeige nicht erforderlich ist, so geht aus § 29 Abs. 5 FinStrG doch hervor, daß in Fällen, in denen wie im Beschwerdefall mehrere Personen als Täter des Finanzvergehens in Betracht kommen, die Personen, für die das Anbringen als Selbstanzeige wirken soll, ausdrücklich genannt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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