VwGH 92/11/0193

VwGH92/11/019312.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in U, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 5. Juni 1992, Zl. VerkR-390.359/2-1991/Si, betreffend Erteilung einer inländischen Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §64 Abs6;
KFG 1967 §64 Abs6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Juni 1992 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. August 1991 auf Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung aufgrund seiner in Jugoslawien erteilten Lenkerberechtigung gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 ab.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer seit 25. Jänner 1990 einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich habe und er daher gemäß § 64 Abs. 5 KFG 1967 nur bis 25. Jänner 1991 berechtigt gewesen sei, in Österreich Kraftfahrzeuge aufgrund seiner jugoslawischen Lenkerberechtigung zu lenken. Der Beschwerdeführer habe erst 7 Monate später den gegenständlichen Antrag gestellt. Er habe daher in diesen 7 Monaten nur im Ausland Kraftfahrzeuge berechtigt lenken können. Eine einjährige Fahrpraxis, die nur in der Dauer von fünf Monaten in Österreich rechtmäßig erfolgt sei, während die restliche (zu ergänzen: berechtigte) Fahrpraxis nur im Ausland erworben worden sei, könne den Nachweis der für den Erwerb einer inländischen Lenkerberechtigung erforderlichen fachlichen Befähigung nicht ersetzen. Der Beschwerdeführer habe in den letzten 7 Monaten des Jahres vor der Antragstellung in den Urlauben Kraftfahrzeuge gelenkt, und zwar in Deutschland, in Ungarn und in Jugoslawien. Bezogen auf die erforderliche Mindestfahrpraxis von einem Jahr stelle dies nur ein gelegentliches Lenken dar. Daher könne "die Glaubhaftmachung der Fahrpraxis in Jugoslawien dahingestellt bleiben" (insoweit habe der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht, seit Ausbruch der kriegerischen Unruhen in Jugoslawien nicht mehr dorthin gefahren zu sein, andererseits habe er aber doch auch eine Fahrpraxis in Jugoslawien geltend gemacht).

Der Beschwerdeführer steht demgegenüber auf dem Standpunkt, die glaubhaft gemachte Fahrpraxis im Jahr vor der Antragstellung einschließlich jener im Ausland sei ausreichend. Die belangte Behörde hätte seinen Antrag keineswegs wegen nicht ausreichender Fahrpraxis abweisen dürfen.

Gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 ist Besitzern einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung auf Antrag insoweit ohne Ermittlungsverfahren eine Lenkerberechtigung mit dem gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, als auf Grund der Vorschriften des Staates, in dem die ausländische Lenkerberechtigung erteilt wurde, bei der Erteilung einer Lenkerberechtigung auf Grund einer österreichischen Lenkerberechtigung von der Feststellung der im Abs. 2 angeführten Voraussetzungen abzusehen ist. Diesem Antrag darf unter anderem nur dann stattgegeben werden, wenn der Antragsteller seit länger als 6 Monaten seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hat und glaubhaft macht, daß er auf Grund der im Ausland erteilten Lenkerberechtigung seit mindestens einem Jahr Kraftfahrzeuge der Gruppe gelenkt hat, für die die Lenkerberechtigung erteilt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß das glaubhaft zu machende Lenken von Kraftfahrzeugen im Zeitraum eines Jahres zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Antragstellung liegen und berechtigterweise erfolgt sein. Ein bloß gelegentliches Lenken ist nicht als ausreichend anzusehen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 16. Oktober 1985, Slg. 11912/A, und vom 26. November 1991, Zl. 91/11/0088). Im erstgenannten Erkenntnis hat der Gerichtshof eine Lenktätigkeit im Jahr vor der Antragstellung "in ganz Europa", insbesondere in der BRD, wo sich der Betreffende "im Durchschnitt monatlich einige Tage" aufgehalten habe, als nicht mehr "bloß gelegentliches" Lenken erachtet. Im zweitgenannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof eine Lenkpraxis im Ausland aus Anlaß gelegentlicher Besuche ("drei bis viermal im Jahr") nicht als ausreichend gewertet. Im Lichte dieser Rechtsprechung ist eine ausreichende Lenkpraxis jedenfalls auch dann gegeben, wenn eine Person ein Kraftfahrzeug im Ausland auf Grund ihrer ausländischen Lenkerberechtigung im Durchschnitt einmal wöchentlich sowie im Urlaub lenkt. Dies entspricht etwa jener Lenkpraxis, wie sie nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein nicht unerheblicher Teil der inländischen Bevölkerung in großstädtischen Ballungsräumen aufzuweisen hat und die jedenfalls als zur Aufrechterhaltung der fachlichen Befähigung im Sinne des § 64 Abs. 2 KFG 1967 ausreichend anzusehen ist. Eine Lenkpraxis im besagten Ausmaß läßt auch beim Besitzer einer ausländischen Lenkerberechtigung zusammen mit den bei der Ausbildung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten ein Ausmaß an fachlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erwarten, welches der fachlichen Befähigung entspricht, die Voraussetzung für die Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung ist. Ein höheres Maß an fachlicher Befähigung setzt das Gesetz für die Erteilung einer inländischen Lenkerberechtigung auf Grund einer ausländischen nicht voraus.

Die belangte Behörde hat mit Recht jene inländische Fahrpraxis des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen, die zwar in den Zeitraum eines Jahres zurückgerechnet von der Antragstellung fällt, aber nach Ablauf eines Jahres ab Begründung des ordentlichen Wohnsitzes des Beschwerdeführers in Österreich - und somit nicht berechtigterweise - erfolgt ist. Nicht geteilt werden kann aber ihre Ansicht, eine Fahrpraxis von einem Jahr, von der nur fünf Monate in Österreich anrechenbar seien, während die restliche anrechenbare Fahrpraxis von 7 Monaten nur im Ausland erworben sein könne, sei nicht ausreichend. Entscheidend ist im Sinne des vorhin Gesagten, daß es sich bei der ausländischen Fahrpraxis nicht um ein "bloß gelegentliches" Lenken handelt. Davon könnte aber bei einem berechtigten Lenken im Ausland, wie es vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet wurde, nicht mehr die Rede sein.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung vorgebracht, er sei im fraglichen Zeitraum mit seinem Pkw "zumindest einmal wöchentlich" nach Pfarrkirchen (BRD; rund 50 km) einkaufen gefahren und er habe während seiner oft mehrwöchigen Urlaube in Ungarn und Jugoslawien sein Fahrzeug tagtäglich gelenkt. Laut der der belangten Behörde vorgelegten eidesstättigen Erklärung zweier Personen vom 10. Dezember 1991 sei der Beschwerdeführer mit seinem Pkw "durchschnittlich einmal wöchentlich" nach Pfarrkirchen gefahren. Des weiteren ist darin davon die Rede, daß der Beschwerdeführer mehrfach in den länger dauernden Urlauben in Ungarn und in Jugoslawien gefahren sei, sodaß der Beschwerdeführer außerhalb von Österreich eine Fahrpraxis von mehreren tausend Kilometern erworben habe. Sollten die Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Lenktätigkeit außerhalb von Österreich im Jahr vor der Antragstellung zutreffen, könnte keineswegs mehr von einem "bloß gelegentlichen Lenken" die Rede sein. Die belangte Behörde hat sich allerdings mit diesen Behauptungen und der Frage, ob sie glaubhaft sind, nicht ausreichend auseinandergesetzt. Dem angefochtenen Bescheid ist nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen, von welchem konkreten Ausmaß an glaubhaft gemachter, anrechenbarer ausländischer Lenkpraxis des Beschwerdeführers in den letzten 7 Monaten vor der Antragstellung die belangte Behörde tatsächlich ausgegangen ist. Insoweit ist der maßgebende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig. Dazu kommt, daß sich die belangte Behörde - wie die vorstehenden Ausführungen zeigen - insofern von der Aktenlage entfernt, als sie davon spricht, der Beschwerdeführer habe seinen Pkw im Ausland (nur) "in den Urlauben" gelenkt.

Wenn sie in ihrer Gegenschrift zur Stützung der Annahme der nicht ausreichenden ausländischen Fahrpraxis des Beschwerdeführers ausführt, der Beschwerdeführer gehe in Österreich einer geregelten Arbeit nach und lenke sohin (nur) "gelegentlich in seiner Freizeit" Kraftfahrzeuge außerhalb von Österreich, verkennt sie auch dabei die Rechtslage, ist doch nach dem vorhin Gesagten ein berechtigtes Lenken im Ausmaß der vom Beschwerdeführer behaupteten Lenktätigkeit im Ausland nicht mehr als "bloß gelegentliches", sondern als ausreichendes Lenken im Sinne des § 64 Abs. 6 KFG 1967 anzusehen.

Da die belangte Behörde offensichtlich in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen ist, es liege auch bei Zutreffen der Behauptungen des Beschwerdeführers keine ausreichende Fahrpraxis vor, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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