VwGH 92/10/0439

VwGH92/10/043926.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. August 1992, Zl. MA 63-S 18/92/Str, betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

LMKV §1 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
LMKV §1 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk) erließ gegen den Beschwerdeführer eine mit 4. Oktober 1990 datierte, am 29. Oktober 1990 zugestellte Strafverfügung folgenden Inhalts:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der "S-Gesellschaft m.b.H." nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/1983, zu verantworten, daß von v. e. Gesellschaft "Seelachs-Rollen" in einer täglichen Erzeugungscharge von 200 Stück, am 25.1.1990 um 10.00 Uhr in W, M-Gasse, zur Auslieferung bereitgehalten wurden, welche von der genannten Gesellschaft auch verpackt wurden, und insoferne nicht entsprechend der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 gekennzeichnet waren, als die Angabe folgenden Kennzeichnungselementes fehlte:

Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, BGBl. Nr. 627/1973 § 3 Z. 19 (Zusatzstoffe), bei der Angabe des Bestandteiles "Lachsersatz" fehlt die Bezeichnung "künstlich gefärbt".

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 74 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 77 Abs. 1 Z. 19 Lebensmittelgesetz 1975 in Zusammenhalt mit § 1 Abs. 1 und § 3 Z. 19 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973."

Unter dem Datum 12. Juni 1992 erging - nachdem die Strafverfügung aufgrund eines Einspruches außer Kraft getreten war - gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, dessen Schuldspruch mit jenem der vorangegangenen Strafverfügung mit Ausnahme der Wendung "welche von der genannten Gesellschaft auch verpackt wurden" wörtlich übereinstimmt. Das Straferkenntnis wurde mit dem vorliegend angefochtenen Berufungsbescheid bestätigt und dahingehend ergänzt, daß es sich bei den Seelachs-Rollen um ein "von der S-Gesellschaft m.b.H. verpacktes Lebensmittel" handle; weiters wurde die Bezeichnung der verletzten Verwaltungsvorschrift geändert.

In seiner Beschwerde gegen diesen Bescheid macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge eingetretener Verfolgungsverjährung geltend. Zum Tatbild der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung gehöre zwingend, daß VERPACKTE LEBENSMITTEL mit einer den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 nicht entsprechenden Kennzeichnung gewerbsmäßig verkauft, feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden. Daß es sich bei den Seelachs-Rollen um ein "verpacktes Lebensmittel" handle, werde aber erstmals im Spruch des außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangenen angefochtenen Bescheides gesagt. Innerhalb dieser Frist sei eine auch diese wesentlichen Sachverhaltselemente umfassende Verfolgungshandlung nicht gesetzt worden. Der Beschwerdeführer beantragt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat den Strafakt vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Aktenlage wurde innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 74 Abs. 6 LMG 1975 nur ein einziger behördlicher Akt gesetzt, der als Verfolgungshandlung in Betracht kommt, nämlich die Strafverfügung vom 4. Oktober 1990.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 31 Abs. 1 und 32 Abs. 2 VStG (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. 12375/A) gelten als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu prüfen, wobei eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat. Wie der Gerichtshof in diesem Erkenntnis weiters ausgeführt hat, muß sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift beziehen.

Bei der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat handelt es sich um einen Verstoß gegen das Gebot des § 1 Abs. 1 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, wonach verpackte Lebensmittel, sofern sie im Inland gewerbsmäßig verkauft, feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden, entsprechend den Bestimmungen dieser Verordnung zu kennzeichnen sind. Wesentliches Tatbestandselement einer derartigen Übertretung ist demnach, daß es sich bei der betreffenden Ware um ein "verpacktes Lebensmittel" handelt. Das erfordert im gegebenen Zusammenhang die konkrete Bezeichnung jenes Lebensmittels in der Verfolgungshandlung, in bezug auf welches der Vorwurf einer Verletzung der Kennzeichnungsvorschriften erhoben wird. Weiters muß erkennbar zum Ausdruck kommen, daß das betreffende Produkt in verpacktem Zustand in Verkehr gesetzt wurde. Damit ist der Vorwurf des Verkaufens, Feilhaltens oder sonstigen Inverkehrsetzens eines nicht oder nicht ausreichend gekennzeichneten verpackten Lebensmittels in bezug auf das Tatbestandselement "verpackte Lebensmittel" in einer Weise konkretisiert, daß der Beschuldigte in der Lage ist, darauf bezogene Beweise anzubieten und den Tatvorwurf insoweit zu widerlegen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1984, Slg. 11466/A; der dort angesprochene Rechtsschutzaspekt kommt im vorliegenden Zusammenhang in gleicher Weise zum Tragen).

Diesen Anforderungen entspricht die Strafverfügung vom 4. Oktober 1990 in bezug auf das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal "verpacktes Lebensmittel". Sie bezeichnet das Produkt, auf welches sich der gegen den Beschwerdeführer erhobene Tatvorwurf bezieht, konkret als "Seelachs-Rollen" (handelsübliche Sachbezeichnung gemäß § 3 Z. 1 LMKV 1973). Weiters heißt es darin, daß sie "von der genannten Gesellschaft auch verpackt wurden". Damit war der Beschwerdeführer in die Lage versetzt, zur Entkräftung des behaupteten Verstoßes gegen die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 durch unvollständige Kennzeichnung des genannten Produktes entsprechende Beweise dafür anzubieten, daß es sich hiebei nicht um ein Lebensmittel handle oder daß es nicht verpackt gewesen sei. Daran war er durch das gerügte Fehlen einer ausdrücklichen Qualifizierung des Produktes im Spruch der Strafverfügung als "verpacktes Lebensmittel" keineswegs gehindert. Dieser Umstand hat daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht zur Folge, daß die Strafverfügung deshalb nicht als verjährungsunterbrechende Verfolgungshandlung anzusehen wäre. Da die Strafverfügung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangen ist, liegt die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vor.

Die Beschwerde ist somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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