VwGH 92/10/0431

VwGH92/10/043122.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. August 1992, Zl. MD-VfR - B 12/92, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §73 Abs2;
LSchV Döbling 1990;
NatSchG Wr 1984 §11 Abs5;
VwRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §73 Abs2;
LSchV Döbling 1990;
NatSchG Wr 1984 §11 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer errichtete im April 1991 auf in seinem Eigentum stehenden, im Landschaftsschutzgebiet Döbling (Verordnung der Wiener Landesregierung vom 20. Februar 1990, LGBl. Nr. 21/1990) gelegenen Grundstücken eine Zufahrtsstraße.

Mit Eingabe vom 31. Mai 1991 beantragte er beim Magistrat Wien die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für einen Weg, dessen Trassenführung sich an die bereits errichtete Zufahrtsstraße halten sollte, der aber eine andere Ausgestaltung als diese Zufahrtsstraße erhalten sollte.

Mit Schreiben vom 23. Juli 1991 brachte der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Angelegenheiten des Landschaftsschutzes vom 19. Juli 1991 zur Kenntnis. Dieser beschäftigt sich in erster Linie mit der bereits errichteten Zufahrtsstraße und kommt zu dem Ergebnis, diese habe das Erscheinungsbild der Landschaft völlig verändert und müsse daher zum Großteil beseitigt werden. Sodann findet sich in dieser Stellungnahme folgender Passus:

"Hinsichtlich der von Herrn J anläßlich einer Vorsprache in der Magistratsabteilung 22 am 12. Juli 1991 angesprochenen Überprüfung der Tragfähigkeit der Stützmauer hinter dem Wohngebäude im Hinblick auf die Befestigung der bestehenden Zufahrt wird festgestellt, daß gegen die Abtragung der Mauer im Zuge der Erstellung eines Sanierungskonzeptes kein Einwand besteht.

Im Sinne der vorstehenden Ausführungen wäre ein genehmigungsfähiges Projekt bei der Magistratsabteilung 22 einzureichen."

Mit Schreiben vom 14. August 1991 teilte der Beschwerdeführer dem Magistrat unter Bezugnahme auf dessen Schreiben vom 23. Juli 1991 mit, er beabsichtige, die Stützmauer hinter dem Wohngebäude erst in den nächsten drei Wochen abtragen zu lassen. Ein früherer Beginn sei seitens der ausführenden Baufirma leider nicht möglich. Das hinter der Stützmauer abzutragende Erdmaterial möchte er niveauausgleichend im unteren Teil des Gartens verwenden, da ein Abtransport mangels Zufahrtsmöglichkeit eines größeren LKWs nicht gegeben sei. Sobald diese Arbeiten durchgeführt seien, werde er ein statisches Gutachten erstellen lassen, um zu klären, ob eine neue Stützmauer notwendig sei und wenn ja, in welchem Ausmaß. Davon werde er den Magistrat unverzüglich in Kenntnis setzen und in diesem Zuge auch schriftlich zur Zufahrtsstraße Stellung nehmen. Auf Grund der vorgeschlagenen Bauarbeiten ersuche er, nach Vorliegen der vorher erwähnten Gutachten nochmals um Begehung des Grundstückes, da auf Grund der geänderten Situation sich eine naturfreundliche Lösung ergeben könnte. Bepflanzungen bzw. Begrünungen im gewünschten Ausmaße würden entsprechend den Vorstellungen des Magistrates in der Pflanzzeit durchgeführt.

In der Folge richtete der Beschwerdeführer ein mit 7. November 1991 datiertes, bei der Behörde am 14. November 1991 eingelangtes Schreiben an den Magistrat.

Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrte Herren

Bezugnehmend auf den Brief vom 14.8.1991 möchte ich Ihnen mitteilen, daß ich die Stützmauer abtragen ließ. Nach zuerst sehr losem Gestein ist die Baufirma sodann auf massiven Kalksteinfels gestoßen.

Diese Wand hat laut statischem Gutachten ohne jegliche weitere Verfestigung genügend Stabilität.

Lediglich eine Bedeckung des Gesteines mit Naturfasermatten ist notwendig, um eine Begrünung zu ermöglichen.

Das abgetragene Erdreich wurde niveauausgleichend auf dem Platz neben dem Haus und am unteren Teil des Gartens - Grenze Y-Graben - nach Aufstellung einer Holzriegelwand aufgebracht.

Die Zufahrt bis zum Haus ist mir in der Konfiguration - 3 m Breite - wie sie ursprünglich im Bescheid vom 20.12.1990 bewilligt wurde, nicht möglich. Ich habe daher eine Gartenbaufirma beauftragt, mir für das gesamte Grundstück ein Konzept zu erstellen, in dem insbesondere eine in das Landschaftsbild einfügsame Lösung ausgearbeitet wurde. Diese sieht vor, die Baustraße, die momentan 4 - 5 m breit ist, auf ca. 2,8 m zu verschmälern. Lediglich in den Kurven ist eine etwas breitere Ausgestaltung notwendig. Die Zufahrt zum Haus wird mit im Sandbett verlegten, rotbraunen Betonsteinen belegt und seitlich mit Randbetonsteinen - um den Seitenhalt zu gewährleisten - eingefaßt.

Auf allen anderen Flächen des Gartens soll eine Begrünung mit in das Gebiet passenden Pflanzen und Bäumen erfolgen.

Der Hang unterhalb des Hauses soll durch Weidensteckhölzer befestigt und sodann begrünt werden.

Die Einfriedung des gesamten Grundstückes (Gest. Nr. 500/3, 930/4, 930/5, 500/4, 504/2, 503/3, 502/2, 500/1, 501/1, 499/2) erfolgt durch einen grünen Maschendrahtzaun mit ca. 1,50 m Höhe. Auf die Pflanzen und Bäume wird bei Errichtung des Zaunes selbstverständlich Rücksicht genommen.

Das bestehende Einfahrtstor wird erneuert (in derselben Form).

Die gesamte Konzeption des Gartens wird im Anhang befindlichen Plandokument 1 möglichst übersichtlich dargestellt. Das Plandokument 2 zeigt die ursprünglich bewilligte Zufahrt.

In der Hoffnung, daß dieser Vorschlag ihre Zustimmung trifft, verbleibe ich

Hochachtungsvoll

J"

Mit Bescheid vom 21. November 1991 wies der Magistrat den Antrag des Beschwerdeführers vom 31. Mai 1991 um Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung "für eine bereits errichtete Zufahrtsstraße in W, E-Straße, die von der E-Straße über die Gst. Nr. 930/5, 930/4, 500/3, 500/4, 504/2, 503/3 und 501/1, alle KG X, zu einem auf der Liegenschaft befindlichen Wohnhaus (Grundstück Nr. 499/2) führt" ab. Gleichzeitig wurde ihm die Wiederherstellung des früheren Zustandes aufgetragen. In der Begründung dieses Bescheides findet sich unter anderem folgender Passus:

"Mit Eingabe vom 7. November 1991 wurde von Herrn Mag. J die naturschutzbehördliche Genehmigung für weitere Vorhaben auf der gegenständlichen Liegenschaft beantragt (Flüssiggasbehälter, Stützwand, Abtragung einer Stützmauer, Aufbringung von abgetragenem Erdreich, Holzstiegen, Holzwand, Bepflanzung, Einfriedung), die jedoch Gegenstand eines gesonderten Verfahrens bilden."

In einem Schriftsatz vom 14. Mai 1992 nahm der Beschwerdeführer auf diesen Passus Bezug und wies darauf hin, daß trotz Ablaufes der Sechsmonatsfrist über diesen Antrag vom 7. November 1991 nicht entschieden worden sei und daß ihm durch die Verzögerung in diesem Verfahren ein nicht unwesentlicher Schaden entstehe. Um einen Devolutionsantrag zu vermeiden, stelle er "den Antrag auf Entscheidung über die beantragten naturschutzbehördlichen Genehmigungen laut der Eingabe vom 7.11.1991."

In einem mit 3. Juni 1992 datierten, beim Amt der Wiener Landesregierung am 10. Juni 1992 eingelangten Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht hinsichtlich seines Antrages vom 7. November 1991.

Mit Bescheid vom 18. August 1992 wies die belangte Behörde diesen Devolutionsantrag mit der Begründung zurück, dem Schreiben vom 7. November 1991 könne keinesfalls entnommen werden, daß der Beschwerdeführer mit den im Zusammenhang mit der Zufahrt gemachten Vorschlägen einen weiteren Antrag um naturschutzbehördliche Genehmigung der im Devolutionsantrag bezeichneten Vorhaben gestellt habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Behörde erster Instanz in der Begründung ihres Bescheides vom 15. (richtig: 21.) November 1991 die Auffassung vertreten habe, der Antragsteller habe mit der Eingabe vom 7. November 1991 die Genehmigung weiterer Vorhaben beantragt, welche jedoch Gegenstand eines gesonderten Verfahrens seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Die Folgen einer Verletzung dieser Entscheidungspflicht regelt § 73 Abs. 2 AVG: Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob das Schreiben des Beschwerdeführers vom 7. November 1991 Anträge enthielt, die eine Entscheidungspflicht der Behörde auslösten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich der Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt voraus, daß eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung vorliegt und daß der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1992, Zl. 91/03/0328).

Die Grundstücke des Beschwerdeführers liegen im Landschaftsschutzgebiet Döbling. Im Landschaftsschutzgebiet ist nach § 11 Abs. 5 des Wiener Naturschutzgesetzes 1984, LGBl. Nr. 6/1985, für Vorhaben, die geeignet sind, den Gesamtcharakter der Landschaft zu verändern, die Bewilligung der Naturschutzbehörde zu erwirken. Dies gilt jedenfalls für die Errichtung von Neu- oder Zubauten, die Herstellung anderer Baulichkeiten (wie Einfriedungen, Stützmauern), Veränderungen der Höhenlage oder Geländeform eines Grundstückes sowie die Vornahme von Umbauten, wenn dadurch das äußere Erscheinungsbild wesentlich geändert wird.

Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 7. November 1991 erwähnt eine Reihe von teils bereits durchgeführten, teils erst geplanten Maßnahmen, die unter die Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 5 des Wiener Naturschutzgesetzes 1984 fallen könnten. Der Beschwerdeführer schließt dieses Schreiben mit dem Satz, er hoffe, daß dieser Vorschlag die Zustimmung der Behörde finde. Schon daraus erhellt, daß es dem Beschwerdeführer darum ging, für die angeführten Maßnahmen eine (allenfalls erforderliche) naturschutzbehördliche Bewilligung zu erwirken. Dafür spricht auch, daß das Schreiben die Reaktion auf die dem Beschwerdeführer mitgeteilte Äußerung des Amtssachverständigen für Landschaftsschutz war, der von einem "Sanierungskonzept" gesprochen und in diesem Zusammenhang auch die Abtragung der Stützmauer erwähnt hatte.

Der Magistrat hat dieses Anbringen von Anfang an als Antrag auf naturschutzbehördliche Bewilligung von über den beantragten Zufahrtswegebau hinausgehenden Maßnahmen angesehen und diese Auffassung auch in der Begründung seines den Zufahrtsweg betreffenden Bescheides vom 21. November 1991 eindeutig durch den Passus zum Ausdruck gebracht, der Beschwerdeführer habe mit Eingabe vom 7. November 1991 die naturschutzbehördliche Genehmigung für weitere - näher bezeichnete - Vorhaben beantragt, die jedoch Gegenstand eines gesonderten Verfahrens seien. Der Beschwerdeführer hat diese Deutung seines Schreibens vom 7. November 1991 als Antrag bestätigt, indem er mit seiner Eingabe vom 14. Mai 1992 bemängelte, daß trotz Ablaufes der Sechsmonatsfrist über seinen Antrag vom 7. November 1991 nicht entschieden worden sei und eine Entscheidung einmahnte. Es lag daher der Behörde nach dem auch im Verlauf des Verfahrens unbestritten gebliebenen eindeutigen Inhalt des Schreibens des Beschwerdeführers vom 7. November 1991 ein Antrag auf naturschutzbehördliche Bewilligung verschiedener Maßnahmen vor, der eine Entscheidungspflicht der Behörde auslöste. Denn selbst dann, wenn die Behörde zu der Auffassung gelangt wäre, diese Maßnahmen wären nicht bewilligungspflichtig, wäre sie verpflichtet gewesen, den Antrag zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. N.F. 9458/A). Eine Entscheidung wurde aber lediglich in bezug auf einen Punkt des Schreibens vom 7. November 1991 (nämlich die Zufahrtsstraße) getroffen. Die übrigen Punkte blieben länger als sechs Monate unerledigt.

Da ein die Entscheidungspflicht der Behörde auslösender Antrag vorlag, durfte der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, es fehle an einem Antrag.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. An Stempelgebühren waren lediglich S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen und S 30,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zu entrichten. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte