VwGH 92/10/0386

VwGH92/10/038625.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Waldner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch den als Vertreter zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. W in O, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 11. August 1992, Zl. 1040/6-III/10/92, betreffend Abweisung eines Antrages auf Schülerbeihilfen für das Schuljahr 1991/92, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §57 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
SchBeihG 1983 §16 Abs2;
AVG §57 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
SchBeihG 1983 §16 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Unterricht und Kunst) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 29. Juli 1992 wies der Stadtschulrat für Wien den am 14. Juli 1992 eingelangten Antrag des Beschwerdeführers auf Schul- und Heimbeihilfe gemäß § 18 Abs. 3 des Schülerbeihilfengesetzes 1983, BGBl. Nr. 445 (im folgenden: SchBeihG 1983) ab. Nach der Begründung dieses Bescheides gebührten gemäß § 18 Abs. 3 leg. cit. Schülerbeihilfen im vollen Ausmaß, sofern der Antrag bis zum Ende des auf den Beginn des Unterrichtsjahres folgenden Dezember eingebracht werde. In den anderen Fällen entfalle der anteilsmäßige Anspruch für die vor der Einbringung des Antrages liegenden Monate. Bei dieser Einbringungsfrist handle es sich um eine materiell-rechtliche Fallfrist. Es sei daher der Zeitpunkt des Einlangens des Antrages bei der Behörde für die Begründung des Anspruches maßgeblich. Laut Eingangsstempel sei jedoch der Antrag erst nach Ablauf des Unterrichtsjahres, nämlich am 14. Juli 1992 eingelangt, sodaß kein Anspruch auf Schülerbeihilfen mehr bestehe. Gemäß § 16 Abs. 2 SchBeihG 1983 sei vom Mandatsverfahren (§ 57 AVG) Gebrauch gemacht worden. Nach der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides stehe dem Beschwerdeführer die binnen zwei Wochen beim Stadtschulrat für Wien oder beim Bundesminister für Unterricht und Kunst einzubringende Berufung offen, die einen begründeten Antrag auf Aufhebung oder Abänderung zu enthalten habe.

Mit Eingabe vom 3. August 1992, gerichtet an den Stadtschulrat für Wien, machte der Beschwerdeführer geltend, er "möchte gegen den negativen Bescheid der Behörde in bezug auf meinen Antrag um Schul- und Heimbeihilfe berufen." In der Begründung wird dargelegt, aus welchen Gründen es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, den Beihilfenantrag rechtzeitig einzubringen.

1.2. Mit Bescheid vom 11. August 1992 wies der Bundesminister für Unterricht und Kunst diese Berufung gemäß § 18 Abs. 3 SchBeihG 1983 in Zusammenhalt mit § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß im Schuljahr 1991/92 für den Beschwerdeführer kein Anspruch auf Schülerbeihilfen bestehe. In der Begründung dieses Bescheides wird die Frage der Rechtzeitigkeit des Antrages behandelt.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere in seinem Recht auf Gewährung der Schülerbeihilfe verletzt.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1. Gemäß § 16 Abs. 2 SchBeihG 1983 ist die Anwendung des § 57 AVG auch ohne Vorliegen der dort angeführten Voraussetzungen auf Verfahren auf Grund dieses Bundesgesetzes zulässig.

§ 57 AVG lautet:

"(1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen."

Gemäß § 41 VwGG ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Unzuständigkeit der belangten Behörde von Amts wegen durch den Gerichtshof wahrzunehmen.

2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem eingehend begründeten Erkenntnis vom 22. Februar 1984, Zl. 82/11/0255 = ZfVB 1984/5/3095, ausgeführt hat, läßt sich dem AVG nicht entnehmen, daß im Falle der Erlassung eines Mandatsbescheides eine Wahlmöglichkeit zwischen der Einbringung einer Vorstellung und der Erhebung einer Berufung gegeben ist. Vielmehr ist das der Partei zustehende Rechtsmittel einzig und allein die Vorstellung mit den vom Gesetzgeber festgelegten Rechtsfolgen (keine aufschiebende Wirkung, außer bei Geldleistungsverpflichtungen; Außerkrafttreten des Mandatsbescheides, wenn die Behörde nicht binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einleitet), die nicht dadurch umgangen werden können, daß das für diesen Fall gar nicht vorgesehene Rechtsmittel der Berufung ergriffen wird. Das im gegebenen Zusammenhang verwendete Wort "kann" drückt daher lediglich aus, daß es der Partei freisteht, Vorstellung zu erheben, wobei die für diesen Fall genannten Rechtswirkungen eintreten, anstatt von dieser Möglichkeit abzusehen und dadurch den Mandatsbescheid rechtskräftig werden zu lassen. Der Partei sei daher die Einbringung einer Berufung gegen einen Mandatsbescheid verwehrt.

2.3. Im Beschwerdefall läßt der erstinstanzliche Bescheid unzweifelhaft erkennen, daß er als Mandatsbescheid erlassen wurde. Im Bescheid wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß gemäß § 16 Abs. 2 SchBeihG 1983 vom Mandatsverfahren (§ 57 AVG 1950) Gebrauch gemacht worden sei.

Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die belangte Behörde zweiter Instanz - ungeachtet der Rechtsmittelbelehrung im Mandatsbescheid, die objektiv verfehlt war und eine Zuständigkeit der belangten Behörde als Berufungsbehörde nicht zu begründen vermochte - zur meritorischen Entscheidung über das vom Beschwerdeführer ergriffene Rechtsmittel nicht zuständig.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer mit dem ergriffenen Rechtsmittel (entsprechend seinem Wortlaut und der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung nachkommend) eine Entscheidung im Berufungsverfahren durch die übergeordnete Behörde zweiter Instanz anstrebte oder ob er sich nur im Wortlaut "Berufung" vergriffen hat und eine neuerliche Entscheidung durch die Behörde erster Instanz erreichen wollte (zur diesbezüglichen Beurteilung einer Eingabe vgl. ebenfalls das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1984). In keinem der beiden Fälle wäre nämlich die belangte Behörde zu einer Sachentscheidung berufen gewesen: Im erstgenannten Fall der Qualifikation des Rechtsmittels als Berufung hätte sie diese (ungeachtet der - unrichtigen - Rechtsmittelbelehrung) wegen der Unzulässigkeit einer solchen (devolutiven) Berufung, im zweitgenannten Fall der Qualifikation des Rechtsmittels als (remonstrative) Vorstellung hätte sie diese nicht anstelle der erstinstanzlichen Behörde zum Anlaß einer meritorischen Entscheidung nehmen dürfen.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu Unrecht eine Zuständigkeit zur Sachentscheidung in Anspruch genommen hat. Sie hat daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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