VwGH 92/10/0360

VwGH92/10/036029.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft X und Y in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Juni 1992, Zl. MA 63-K 12/92/Str, betreffend Übertretung des Weingesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §41 Abs1;
WeinG 1985 §65;
VwGG §41 Abs1;
WeinG 1985 §65;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 20. September 1989 vom Auslieferungslager in W, A-Straße, sechs Flaschen zu je 2 l Sturm (weiß), der mit einer zu großen Menge Zucker aufgebessert gewesen sei, durch Lieferung an die G-Gesellschaft m.b.H. in W, F-Gasse, in Verkehr gebracht. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 65 Abs. 2 Z. 4 des Weingesetzes 1985, BGBl. Nr. 444 (im folgenden: WeinG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn der Beschwerdeführer bemängelt, die belangte Behörde habe keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob eine allenfalls vorgenommene Aufbesserung des beanstandeten Sturms überhaupt durch ihn erfolgt sei, übersieht er, daß ihm im angefochtenen Bescheid nicht eine Übertretung des § 65 Abs. 2 Z. 3 WeinG - danach begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Lesegut oder einen Verschnitt von Lesegut mit Wein eines früheren Jahrganges entgegen der Bestimmung des § 19 aufbessert oder sonst nicht versetztem Wein Zucker zusetzt oder überschwefelten Wein an den Verbraucher abgibt - zur Last gelegt wurde, sondern eine solche nach § 65 Abs. 2 Z. 4 WeinG. Nach dieser letztgenannten Bestimmung begeht eine Verwaltungsübertretung, wer die gemäß Z. 2 oder 3 behandelten Weine zum Verkauf bereithält, verkauft oder sonst in Verkehr bringt. Zwar hat die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz in ihrem Straferkenntnis als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, § 65 Abs. 2 Z. 3 WeinG angenommen, doch wurde dies durch die belangte Behörde dahingehend abgeändert, daß der Beschwerdeführer durch die ihm zur Last gelegte Tat § 65 Abs. 3 Z. 4 WeinG verletzt habe. Diese Änderung war zulässig, da sie sich nicht auf die als erwiesen angenommene Tat, sondern lediglich auf deren rechtliche Beurteilung bezog.

Hingegen ist der Beschwerdeführer im Recht, wenn er bemängelt, dem von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Anzeigegutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung sei nicht zu entnehmen, aus welchen Umständen abzuleiten sei, daß der untersuchte Sturm überhaupt mit Zucker aufgebessert worden sei. Es fänden sich in diesem Anzeigegutachten keine Ausführungen, wieso die erhobenen Befunde nicht auf natürliches Zustandekommen zurückzuführen seien.

§ 65 Abs. 2 Z. 4 WeinG stellt unter anderem das Inverkehrbringen von Wein unter Strafe, wenn das Lesegut entgegen der Bestimmung des § 19 aufgebessert wurde. Nach § 2 WeinG gilt das, was dieses Bundesgesetz für den Wein bestimmt, dem Sinne nach auch für die Keltertrauben und ohne Rücksicht auf den Gärungszustand für Traubenmaische, Traubenmost, Sturm und Traubendicksaft sowie für die Zwischenerzeugnisse bei Weiterverarbeitung zu versetztem Wein.

§ 19 Abs. 4 Z. 2 letzter Satz WeinG bestimmt, daß das Lesegut (durch Aufzuckerung) nur so weit aufgebessert werden darf, daß das Mostgewicht einschließlich der Aufbesserung bei Weißwein und Rosewein 19 Grad KMW, bei Rotwein 20 Grad KMW nicht übersteigt.

Das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung weist im Befund für den in Rede stehenden Sturm unter vielen anderen Werten 21,2 Grad KMW aus. Im Gutachten heißt es, die vorliegende Probe sei nach dem Befund mit einer zu großen Menge Zucker aufgebessert worden. Sie sei daher als überzuckert zu beurteilen. Dem Gutachten ist aber nicht zu entnehmen, woraus sich ergibt, daß der Wert von 21,2 Grad KMW auf eine Aufzuckerung zurückzuführen ist. Das Gutachten reicht daher als Nachweis für die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht aus.

Der Beschwerdeführer hat diese Gutachtensrüge erstmals in der Beschwerde präzisiert; im Verwaltungsstrafverfahren führte er aus, er könne sich nicht vorstellen, daß der Sturm mit Zucker aufgebessert worden sei. Entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift geäußerten Meinung steht einem derartigen erstmals in der Beschwerde konkretisierten Vorbringen nicht das Neuerungsverbot entgegen, da keine neuen Sachverhaltselemente vorgebracht werden, sondern lediglich eine aus den Denkgesetzen abzuleitende Unvollständigkeit und daraus resultierende Unschlüssigkeit eines Gutachtens, welche die Behörde von Amts wegen zu beachten gehabt hätte, aufgezeigt wird. Das Neuerungsverbot bezieht sich auf tatsächliches Vorbringen und auf solches Rechtsvorbringen, zu dessen Beurteilung weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind; (nur) hinsichtlich solchen Vorbringens ist die Rüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1990, Zl. 90/07/0021 =

ZfVB 1991/3/1206).

Da im Verwaltungsstrafverfahren ein wesentliches Sachverhaltselement, nämlich die Verursachung des festgestellten Mostgewichtes durch eine Aufzuckerung, nicht ausreichend geklärt und in der Bescheidbegründung nicht dargelegt wurde, leidet der angefochtene Bescheid an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 3 Z. 3 lit. d VwGG aufzuheben war. Vor der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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