VwGH 92/10/0114

VwGH92/10/011428.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. März 1992, Zl. II/3-4261/2-91, betreffend Übertretung des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §4;
NatSchG NÖ 1977 §3 Abs1 Z1;
VwRallg;
KFG 1967 §4;
NatSchG NÖ 1977 §3 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Inhalt einer gegen den Beschwerdeführer erstatteten Anzeige sei diesem mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 9. April 1986 der Auftrag erteilt worden, die im Gemeindegebiet O. im Grünland (Grundstück Nr. 656/2 KG L.) gelagerten Autowracks, Teile von Baumaschinen, Alteisen und anderes Material zu entfernen. Dieser Verpflichtung sei der Beschwerdeführer nur teilweise nachgekommen.

Bei einem am 23. Juli 1990 durchgeführten Lokalaugenschein wurde festgestellt, daß auf dem nach dem Flächenwidmungsplan als Grünland-Landwirtschaft ausgewiesenen Grundstück unter anderem ein "ICB" (von Himbeerstauden überwuchert), ein "Unimog" in hohem Gras sowie hinter einem Wohngebäude ein Zwangsmischer gelagert seien. Sämtliche Maschinen seien im Freien ohne jegliche Vorkehrungen abgestellt und offensichtlich schon längere Zeit nicht betrieben worden.

Nach Aufforderung zur Rechtfertigung gab der Beschwerdeführer an, die Geräte seien nicht funktionsuntüchtig, "sondern werden sehr wohl von mir bestimmungsgemäß verwendet werden", und zwar für die Errichtung einer Garage bzw. eines Abstellraumes. Es handle sich daher nicht um Abfall.

Mit Straferkenntnis vom 6. Februar 1991 erkannte die BH den Beschwerdeführer schuldig, er habe am 23. Juli 1990 im Gemeindegebiet O., KG. L., Parzelle Nr. 656/2, im Grünland außerhalb eines Müllablagerungsplatzes einen ICB (Baumaschine), einen Unimog und einen Zwangsmischer abgelagert, wodurch das betroffene Grundstück verunreinigt worden sei, obwohl im Grünland die Verunreinigung durch Ablagerung von Müll oder sonstigen Abfallstoffen außerhalb von Müllablagerungsplätzen unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften verboten sei. Er habe dadurch die Übertretung gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, § 3 Abs. 1 Z. 1 des Nö Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500-3 (NSchG) begangen. Über den Beschwerdeführer wurde daher eine Geldstrafe von S 10.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe eine Woche, verhängt. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Die belangte Behörde holte das Gutachten eines Amtssachverständigen für Maschinenbau ein. Dieser führte im wesentlichen aus, die ICB-Arbeitsmaschine und die Unimog-Zugmaschine seien am Vorplatz des Anwesens auf einer ca. 8 % geneigten Fläche aufgestellt. Im Bereich der Stellfläche der ICB-Arbeitsmaschine hätten leichte Spuren von einem geringfügigen Ölaustritt festgestellt werden können. Beide Fahrzeuge befänden sich in einem desolaten Zustand, insbesondere seien die elektrischen Anlagen und Beleuchtungseinrichtungen vollkommen zerstört bzw. abmontiert. Bei der ICB-Arbeitsmaschine seien im Bereich der Hydraulikanlage mehrfach Spuren zu sehen, die auf eine Undichtheit des Hydrauliksystems schließen ließen. Bei der Unimog-Zugmaschine hätten keine Spuren von Ölverlusten bei stillstehendem Fahrzeug gesichtet werden können. Bei beiden Fahrzeugen seien in jüngster Zeit neue Polklemmen montiert worden. Bei der Unimog-Zugmaschine seien Reparaturen an der elektrischen Anlage versucht (insbesondere neue Kontrollampen eingebaut) und neue Außenrückblickspiegel in provisorischer Art montiert worden. Die gegenständlichen Fahrzeuge seien im Sinne des Kraftfahrgesetzes weder verkehrs- noch betriebssicher. Vielmehr müßten sie im Sinne des Kraftfahrgesetzes als Wracks eingestuft werden, weil eine Wiederherstellung schon aus wirtschaftlichen Gründen unsinnig wäre. Die Frage, ob die beiden Fahrzeuge als funktionsfähig bezeichnet werden könnten, müsse derzeit verneint werden. Das heiße aber nicht, daß es auszuschließen sei, daß die beiden Fahrzeuge notdürftig für die Verwendung im Bereich des Anwesens in Betrieb genommen werden könnten. Eine unmittelbare Gefahr in dem Sinn, daß aus den Fahrzeugen Flüssigkeiten, insbesondere Kraftstoffe oder Schmieröl, austreten könnten, bestehe derzeit nicht. Mit einem Ölaustritt müsse aber gerechnet werden, sobald die Fahrzeuge, insbesondere die ICB-Arbeitsmaschine, in Betrieb genommen würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß im Spruch die Worte "und einen Zwangsmischer" ersatzlos gestrichen wurden. Gleichzeitig setzte die belangte Behörde die Strafhöhe auf S 7.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage) herab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 Nö NSchG ist im Grünland, das sind Flächen, die nach Maßgabe der Bestimmungen des Nö Raumordnungsgesetzes nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmet sind, die Verunreinigung durch Ablagerung von Müll und sonstigen Abfallstoffen außerhalb von Müllablagerungsplätzen, unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften verboten.

Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 Nö NSchG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen, wer einem Verbot des § 3 Abs. 1 zuwiderhandelt.

Im Beschwerdefall ist die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 3 Abs. 1 Z. 1 Nö NSchG ausschießlich unter dem Gesichtspunkt strittig, ob auf die vom Beschwerdeführer abgestellten Maschinen das Tatbestandsmerkmal "Müll oder sonstige Abfallstoffe" zutrifft.

Mit dem Begriff "Abfall" (oder diesen enthaltenden zusammengesetzten Begriffen) im Zusammenhang mit naturschutzrechtlichen Verbotsnormen hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach auseinandergesetzt. In den Erkenntnissen vom 20. Juni 1983, Slg. 11092/A, und vom 27. Juni 1988, Zl. 88/10/0048, vertrat der Gerichtshof (zur Verbotsnorm des § 6 Abs. 1 des Kärntner Landschaftsschutzgesetzes, LGBl. Nr. 29/1981, bzw. des § 13 lit. a des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986) die Auffassung, daß für Fragen des Landschaftsschutzes unter "Abfall" jeder Gegenstand zu verstehen ist, der entweder nach dem Willen seines Eigentümers oder Besitzers nicht mehr seiner Bestimmung gemäß verwendet werden soll und dessen er sich entledigen will oder der infolge seiner Funktionsuntüchtigkeit nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Im ersterwähnten Erkenntnis verwarf der Gerichtshof den Einwand des Beschwerdeführers, vom Ablagern von Müll, Unrat, Autowracks und sonstigen Abfällen könne deshalb nicht gesprochen werden, weil er diese Gegenstände nicht wegwerfen, sondern in seinem Betrieb zur Ausbesserung weiterverwenden wolle, mit der Begründung, auf dem Gebiet des Landschaftsschutzes sei dieser ausschließlich subjektive Abfallbegriff nicht zu teilen. Die vom Gesetz verfolgte Absicht, der Verunstaltung der freien Landschaft durch Ablagerung von Abfällen vorzubeugen, schließe einen nur von den Zielvorstellungen des Ablagernden abhängigen Abfallbegriff von vornherein aus.

Im Erkenntnis vom 27. November 1979, Zlen. 1447-1455/79, hat der Gerichtshof zu § 5 Abs. 1 des Oö Abfallgesetzes, LGBl. Nr. 1/1975, wonach es ... verboten ist, bestimmte (näher aufgezählte) Orts- oder Landschaftsteile durch Ablagern oder Wegwerfen von Abfällen zu verunstalten oder zu verunreinigen, ausgesprochen, daß es nicht darauf ankommt, ob die abgelagerten oder weggeworfenen Gegenstände für irgendwen noch von Wert seien oder verwendet werden könnten, weil für die Beurteilung der Frage, ob etwas "Abfall" darstelle, entscheidend sei, ob es sich um eine Sache handelt, die im allgemeinen noch Verwendung finde. Nicht fahrbereite Fahrzeuge, somit Autowracks, auch wenn sie wieder fahrbereit gemacht werden oder einzelne Teile davon als Ersatzteile für andere Fahrzeuge verwendet werden könnten, seien daher als Abfälle zu werten, weil ihnen im allgemeinen keine Bedeutung als Gebrauchsgegenstand mehr beigemessen werde.

Die dieser Judikatur zugrundeliegenden Erwägungen sind auch für die Bestimmung des Inhaltes der im § 3 Abs. 1 Z. 1 Nö NSchG verwendeten Begriffe "Müll und sonstige Abfallstoffe" maßgebend (vgl. hiezu auch Liehr/Stöberl, Kommentar zum Niederösterreichischen Naturschutzgesetz 54). Unter Abfallstoffen im Sinne der zuletzt zitierten Vorschrift sind daher sowohl jene Gegenstände zu verstehen, deren sich der Eigentümer (Besitzer) tatsächlich entledigt hat oder entledigen will, als auch solche Gegenstände, die man wegen ihrer Beschaffenheit (z.B. Funktionsuntüchtigkeit) nicht mehr bestimmungsgemäß verwenden kann und deren man sich daher üblicherweise, das heißt nach der Verkehrsauffassung, entledigt; entscheidend ist, ob es sich um eine Sache handelt, die im allgemeinen noch (bestimmungsgemäße) Verwendung findet.

Die belangte Behörde hat die verfahrensgegenständlichen Fahrzeuge auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens als "Wracks" ("im Sinne des Kraftfahrzeuggesetzes") angesehen, weil eine "Wiederherstellung" schon aus wirtschaftlichen Gründen unsinnig wäre. Die Frage, ob die beiden Fahrzeuge als funktionsfähig bezeichnet werden könnten, müsse derzeit verneint werden; das heiße aber nicht, daß es auszuschließen sei, daß die Fahrzeuge notdürftig in Betrieb genommen werden könnten.

Diesen Darlegungen ist noch hinreichend deutlich die Feststellung zu entnehmen, daß eine BESTIMMUNGSGEMÄßE Verwendung der beiden Fahrzeuge im Hinblick auf deren Funktionsuntüchtigkeit nicht in Betracht kommt und eine Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit in wirtschaftlich sinnvoller Weise nicht zu erreichen ist. Die Qualifikation der Fahrzeuge als "sonstige Abfallstoffe" im Sinne der Verbotsnorm erweist sich auf der Grundlage dieser Feststellung nicht als rechtswidrig, weil letztere die Schlußfolgerung zuläßt, daß Fahrzeuge in einem solchen Zustand im allgemeinen (nach objektiven Maßstäben) nicht mehr bestimmungsgemäß Verwendung finden.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Qualifikation der Fahrzeuge als "Abfallstoffe" mit dem Hinweis, der Sachverständige habe einräumen müssen, daß die Fahrzeuge notdürftig in Betrieb genommen werden könnten; für andere Zwecke seien sie vom Beschwerdeführer aber nie gedacht gewesen.

Dieser Einwand ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend, weil es nach der oben dargelegten Begriffsbestimmung nicht darauf ankommt, ob Gegenstände "notdürftig" in Betrieb genommen werden können, sondern darauf, ob eine BESTIMMUNGSGEMÄßE Verwendung möglich ist; letzteres behauptet der Beschwerdeführer gar nicht. Daß er nichts anderes als eine "notdürftige" Inbetriebnahme beabsichtigt haben mag, läßt die Auffassung der belangten Behörde nicht rechtswidrig erscheinen, weil es nicht auf den subjektiven Standpunkt des Beschwerdeführers, sondern darauf ankommt, ob die Sache IM ALLGEMEINEN (nach der Verkehrsauffassung) noch bestimmungsgemäße Verwendung findet.

Der Beschwerdeführer verweist weiters darauf, daß das Kraftfahrgesetz im Beschwerdefall mangels Verwendung der Maschinen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nicht anwendbar sei; es könne ihm daher nicht schaden, daß die Maschine nicht verkehrs- und betriebssicher im Sinne des KFG seien. Diesen Darlegungen ist zu erwidern, daß - ungeachtet der beabsichtigten Verwendung eines Kraftfahrzeuges - das Fehlen der Verkehrs- und Betriebssicherheit im Sinne des § 4 KFG 1967 für sich alleine noch nicht die Qualifikation des Fahrzeuges als Abfall rechtfertigt. Daraus ist aber im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil die belangte Behörde - auch abgesehen von der Verkehrs- und Betriebssicherheit im Sinne des KFG - die Funktionsfähigkeit der Maschinen (d.h. die Eignung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch) und die Möglichkeit der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit in wirtschaftlich sinnvoller Weise auf der Grundlage von Befund und Gutachten des Sachverständigen, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, verneint hat. Auf dieser Grundlage konnte die belangte Behörde auch ohne Bedachtnahme auf die Frage der Verkehrs- und Betriebssicherheit im Sinne des § 4 KFG 1967 ohne Rechtsirrtum zur Qualifikation der in Rede stehenden Gegenstände als "sonstige Abfallstoffe" gelangen.

Die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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