VwGH 92/07/0002

VwGH92/07/000212.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. November 1991, Zl. Wa-600122/3-1991/Ort/Bi, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §137 Abs2 litx;
WRG 1959 §138 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;
WRG 1959 §137 Abs2 litx;
WRG 1959 §138 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 24. Juni 1991 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 138 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) aufgetragen, bis 31. Juli 1991 entweder um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die am Ufer des S-Baches auf dem Grundstück 3530 errichtete Hütte (Flugdach) unter Vorlage eines ordnungsgemäßen Projektes anzusuchen oder das errichtete Bauwerk zu beseitigen. Begründet wurde dieser Auftrag damit, bei einem Lokalaugenschein am 25. August 1989 sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer auf dem Grundstück 3530 ein Flugdach mit einer Länge von ca. 10 m errichtet habe. Zwei Eckpfeiler dieses Bauwerkes, welches offensichtlich als Holzlager seines Tischlereibetriebes diene, seien unmittelbar am rechten Ufer des S-Baches situiert und lägen somit im Hochwasserabflußbereich. Die Errichtung eines derartigen Bauwerkes unterliege gemäß § 38 WRG 1959 der Bewilligungspflicht.

Der Beschwerdeführer berief mit der Begründung, er brauche für das betroffene Flugdach keine wasserrechtliche Bewilligung, da der S-Bach als Privatbach anzusehen sei und sich das Flugdach auch nicht in einem Hochwasserabflußbereich befinde.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten eines Amtssachverständigen des Hydrographischen Dienstes des Amtes der oö Landesregierung ein. Darin wird ausgeführt, bei einem Lokalaugenschein am 2. Oktober 1991 sei festgestellt worden, daß das gegenständliche Flugdach auf einer rechtsufrigen Ufermauer errichtet worden sei. Nach Angaben des Beschwerdeführers bestehe diese Ufermauer bereits seit längerer Zeit. Aus den unmittelbar bachabwärts anschließenden Geländeverhältnissen sei jedoch ersichtlich, daß die ursprüngliche rechte Böschungskrone des Bachgerinnes des S-Baches ca. 50 cm über der Bachsohle gelegen sei. Das Fassungsvermögen des Bachgerinnes liege in der Größenordnung der mittleren Hochwasserführung, sodaß es ab ca. 2 bis 3 jährlichen Hochwasserereignissen in der Bachstrecke abwärts des Flugdaches zu Ausuferungen komme. Solche Verhältnisse hätten vor der Errichtung der rechtsufrigen Ufermauer auch für den gegenständlichen Bereich bestanden. Die Unterkante der Flugdachstützen befinde sich derzeit auf etwa dem gleichen Niveau wie das linksufrig gelegene anschließende Gelände. Da durch die errichtete rechtsufrige Ufermauer der Bachquerschnitt stark eingeengt werde und dies zu lokalen Wasserspiegelanhebungen führe, würden die Flugdachstützen selbst von 30 jährlichen Hochwässern des S-Baches erreicht.

In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, Generationen zurück sei kein Hochwasser an der betreffenden Stelle bekannt. Es hätten die mit der Sachlage vertrauten ortsansässigen Leute befragt werden müssen.

Mit Bescheid vom 13. November 1991 wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie die Frist zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes mit 31. Jänner 1992 neu bestimmte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer macht geltend, es liege keine Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 2 WRG 1959 vor. Für die Errichtung des Flugdaches sei keine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich gewesen, da dieses nicht im Hochwasserabflußbereich liege. Die von der belangten Behörde herangezogene Äußerung des Amtssachverständigen entspreche nicht den an ein Gutachten zu stellenden Anforderungen. Es fehle eine Trennung von Befund und Gutachten sowie schlüssige und nachvollziehbare Darlegungen, aufgrund welcher konkreter und überprüfbarer Überlegungen und Argumente der Sachverständige zu dem Ergebnis komme, das Flugdach befinde sich im Hochwasserabflußgebiet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 hat in allen nicht von Abs. 1 erfaßten Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb derer entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

Als "eigenmächtige Neuerung" ist die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. November 1956, Slg. N.F. 4211/A; vom 19. März 1959, Slg. N.F. 4913/A; vom 8. Februar 1974, Slg. N.F. 8551/A u.a.).

Nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist.

Als Hochwasserabflußgebiet (Abs. 1) gilt nach § 38 Abs. 3 WRG 1959 das bei 30jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet.

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, die Anlage liege im Hochwasserabflußbereich; sie hat sich diesbezüglich auf die gutächtliche Äußerung des Amtssachverständigen des hydrographischen Dienstes des Amtes der oö Landesregierung gestützt. Für diese Annahme bietet aber das erwähnte Gutachten keine ausreichende Grundlage. Zunächst fällt auf, daß in der Äußerung des Sachverständigen davon die Rede ist, die Flugdachstützen würden selbst von 30jährlichen Hochwässern des S-Baches "erreicht". Aus dieser Formulierung geht nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, ob die Anlage noch innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses liegt oder bereits an dessen Außengrenze. Weiters ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die vom Gutachter getroffene Schlußfolgerung aus den vorangehenden Darlegungen abgeleitet werden kann. Es fehlt insbesondere eine Darstellung der bei einem 30jährlichen Hochwasser anfallenden und abzuführenden Wassermengen und deren Relation zu den im fraglichen Bereich des S-Baches gegebenen tatsächlichen Abflußverhältnissen.

§ 38 Abs. 1 WRG 1959 macht allerdings die Bewilligungspflicht nicht für alle dort genannten Anlagen davon abhängig, daß sie innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses liegen. Die genannte Bestimmung unterscheidet zwischen Brücken, Stegen und Bauten auf der einen und "anderen Anlagen" auf der anderen Seite. Während für letztere eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht (nur) dann besteht, wenn sie innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses liegen, wird für erstere die Bewilligungspflicht allein dadurch ausgelöst, daß es sich um Brücken, Stege und Bauten "an Ufern" handelt, ohne daß es noch weiterer Feststellungen bedürfte, ob diese Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserablusses gelegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1979, Zl. 1713/79).

Daß die Anlage des Beschwerdeführers "am Ufer" des S-Baches errichtet wurde, ergibt sich aus dem Akt. Nicht beurteilt werden kann hingegen an Hand der Aktenlage, ob es sich bei dieser als Flugdach bezeichneten Anlage um einen "Bau" handelt. Unter einem Bau im Sinne des § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist eine Anlage zu verstehen, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1979, Zl. 1713/79). Ob dies auf die vom Beschwerdeführer errichtete Anlage, die zum Teil als Flugdach, zum Teil als Holzhütte bezeichnet wird, zutrifft, kann nicht beurteilt werden, da diesbezüglich weder von der belangten Behörde noch von der erstinstanzlichen Behörde Feststellungen getroffen wurden.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die ihm im angefochtenen Bescheid eingeräumte Frist zur Herbeiführung des gesetzmäßigen Zustandes sei nicht angemessen. Unter Berücksichtigung der im Mühlviertel im Winter herrschenden Witterungsverhältnisse wäre ihm die Durchführung des behördlichen Auftrages, nämlich die Entfernung des Flugdachs im Falle der Unterlassung eines Ansuchens um die wasserrechtliche Bewilligung technisch nicht möglich gewesen.

§ 138 Abs. 2 WRG 1959 sieht eine "angemessene" Frist vor. Ob die dem Beschwerdeführer eingeräumte Frist dieses Kriterium erfüllt, kann nicht beurteilt werden, weil die belangte Behörde dazu keine Feststellungen getroffen hat und auch kein Fall vorliegt, in welchem die Angemessenheit der Frist von vornherein auf der Hand läge. Der angefochtene Bescheid ist daher auch in bezug auf die Fristfestsetzung rechtswidrig. Daß die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, wie sich aus einem im Akt erliegenden Schreiben an den Beschwerdeführer ergibt, bis zum Abschluß des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von einer Vollstreckung des angefochtenen Bescheides Abstand nimmt, führt nicht dazu, daß der Beschwerdeführer sich in bezug auf die von der belangten Behörde vorgenommene Fristsetzung nicht mehr als beschwert erachten kann, stellt doch die Nichtbefolgung eines nach § 38 Abs. 2 WRG 1959 erteilten Auftrages nach § 137 Abs. 2 lit. x leg. cit. eine Verwaltungsübertretung dar, sodaß mit dem ungenützten Ablauf der gesetzten Frist ein strafbares Verhalten beginnt.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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